Früher, als ich als Schülerin über die Würzburger Mainbrücke ging, ist er mir unter den auf beiden Seiten flankierenden, übermächtigen Brückenheiligen besonders aufgefallen. Der Bischof mit dem wallenden Bart, der so konzentriert auf das große, offene Buch schaut, das er mit seiner rechten Hand hält, während er mit seinem linken Zeigefinger wie bestätigend auf die aufgeschlagenen Seiten deutet.
Eine fesselnde und ausdrucksstarke Darstellung, die uns einiges zu erzählen hat. Später erfuhr ich, dass es sich um den 1045 gestorbenen Würzburger Bischof Bruno handelt, der um 1005 als Sohn Herzog Konrad I. von Kärnten geboren wurde und der Vetter des Salierkaisers Konrad II. war. Seine priesterliche Ausbildung erhielt er vermutlich im Hochstift Salzburg. Er wurde alsbald als Mitglied der Hofkapelle an den königlichen Hof berufen, 1027 zum Kanzler von Italien ernannt und am 14. April 1034 zum Bischof von Würzburg geweiht. Eine „steile Karriere“ würde man heute sagen, aber für einen Spross eines so einflussreichen Geschlechts damals vor fast tausend Jahren nicht ganz so unüblich.
Bruno war überaus gut gebildet und soll mehrere religiöse Schriften verfasst haben, darunter einen umfangreichen Kommentar zu den Psalmen. Als Bischof förderte er vor allem das Schulwesen und die Bildung der Geistlichen. Als Fürstbischof widmete er sich weiterhin den Reichsbelangen. Er begleitete Kaiser Konrad II. auf seinem zweiten Italienzug und erlebte dort 1037 die Belagerung von Mailand. Eine Legende berichtet, es sei den Gebeten und Bitten Bischof Brunos zu verdanken, dass auf wundersame Weise die Belagerung aufgehoben und Frieden geschlossen wurde. Bischof Bruno ist uns als Reichspolitiker und Friedensstifter nicht ganz so geläufig wie als Bauherr. Aus eigenen Mitteln begann er 1042 mit dem Bau des Würzburger Doms, dessen Fertigstellung er allerdings nicht erlebte. Unerwartet und plötzlich ereilte den Bischof der Tod, als er während des Ungarnfeldzugs Heinrich III. in Persenbeug an der Donau bei einem Unfall ums Leben kam. Er wurde in der Krypta des gerade begonnenen Doms beigesetzt.
Ein bewegtes, machtvolles und gestalterisches Leben. Aber was sagt uns der Heilige Bruno heute? Keine einfache Frage im Angesicht der vielen Schreckensnachrichten, die uns aus allen Teilen der Welt im Stundentakt erreichen.
Als ich vor zwei Jahren meine Arbeit im Caritas Alten – und Pflegeheim Sankt Bruno aufgenommen habe, bin ich ihm, wie einem alten Bekannten, wieder begegnet. Und wenn ich mit schweren und vermeintlich ausweglosen Situationen konfrontiert werde, nehme ich gelegentlich das Buch von Bischof Paul-Werner Scheele über Bruno von Würzburg zur Hand, das ich in meinem Büro vorgefunden habe und auf dessen Vorblatt eine handgeschriebene Widmung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht: „Schenken und Verzeihen! So sah der heilige Bruno wesentliche Merkmale der Liebe. Liebe heißt Caritas.“
Übrigens, der monumentale Sankt Bruno auf der Würzburger Mainbrücke wurde von den Haßfurter Bildhauern Sebastian und Volkmar Becker zwischen 1725 und 1727 nach einem Entwurf des Malers Anton Clemens Lünenschloß geschaffen.