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FRIESENHAUSEN: Ein Ort zum Altwerden

FRIESENHAUSEN

Ein Ort zum Altwerden

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    Gewaltige Aufgabe: Wenn es nach den Plänen von Christian Wittmann geht, werden im kommenden Jahr in der Scheune hinter ihm sieben Wohnungen für eine ambulante Hausgemeinschaft entstehen. In dem Haus links im Bild könnten Behandlungsräume für ambulante Pflegedienste sowie Unterkünfte für Pflegepersonal entstehen.
    Gewaltige Aufgabe: Wenn es nach den Plänen von Christian Wittmann geht, werden im kommenden Jahr in der Scheune hinter ihm sieben Wohnungen für eine ambulante Hausgemeinschaft entstehen. In dem Haus links im Bild könnten Behandlungsräume für ambulante Pflegedienste sowie Unterkünfte für Pflegepersonal entstehen. Foto: Foto: Michael Mößlein

    Es ist irgendwie der Traum eines jeden: Im Alter daheim wohnen – bis zuletzt. Doch die Realität sieht oft anders aus. Vielen ist es nicht vergönnt, ihre letzten Tage zuhause, gepflegt von der Familie, zu verbringen. Überfüllte Pflege- und Altenheime zeigen es. Christian Wittmann möchte dem etwas entgegensetzen. Auf einem leer stehenden Anwesen in Friesenhausen plant er, eine ambulante Hausgemeinschaft einzurichten. Sieben Wohnungen sollen entstehen für Menschen, die ihren letzten Lebensabschnitt miteinander verbringen, mit Unterstützung anderer.

    Die Idee des 52-Jährigen ist, wenn man es so betrachtet, nicht ganz uneigennützig. Denn Auslöser für seine ehrgeizigen Pläne war ein eigener Wunsch: „So möchte ich nicht alt werden. Ich muss dafür sorgen, dass es bei mir nicht so wird.“ Diese Gedanken kamen dem früheren Offizier, der bei der Bundeswehr die Entwicklung von Zukunftstechnologie begleitet hat und seit zwei Jahren im Ruhestand ist, als er die Situation seiner Mutter sah. Diese lebt in einem Pflegeheim im Raum Schweinfurt, in einem 15-Quadratmeter-Zimmer, versorgt von Personal, das ständig unter Zeitdruck arbeitet, den Regeln unterworfen, die in dem Heim zwangsläufig für alle Bewohner gelten. Auch wenn Wittmann, der beruflich in der ganzen Welt unterwegs war, dies nicht verteufelt – seinen eigenen Lebensabend möchte er anders gestalten, solange er dazu in der Lage ist. Und er möchte andere Menschen daran teilhaben lassen.

    Das notwendige Objekt hierfür hat er bereits gekauft. Der frühere Bauernhof in der Rathausgasse in Friesenhausen steht seit Jahren leer. Dort, speziell in der riesigen Scheune im Hof, sollen auf zwei Etagen auf 600 Quadratmetern sieben barrierefreie Wohnungen entstehen, zwischen knapp 40 und 90 Quadratmeter groß. Eine große Terrasse mit Laubengang darüber ist von allen Wohnungen aus allen zugänglich. Dasselbe gilt für einen zentralen Bereich im Gebäude mit Küche und Aufenthaltsfläche. Im ehemaligen Bauernhaus sind Räume vorgesehen, die ambulante Pflegedienste nutzen können, sowie – bei Bedarf – eine Unterkunft für Pflegekräfte auf Zeit. Hof und Garten stehen allen offen.

    Ambulante Wohngemeinschaften gewinnen ihren Reiz aus der Mischung zwischen Privatsphäre, die jeder Bewohner in seiner abgeschlossenen Wohnung hat, und der gelebten Gemeinschaft. Die Bewohner unterstützen sich soweit sie es können. Bis an ihr Lebensende. Wenn's alleine – oder in der Gemeinschaft – nicht mehr klappt, dann helfen ambulante Dienste, erklärt Wittmann.

    „Das ist eine herausragende Geschichte für die Gemeinde Aidhausen.“

    Dieter Möhring, Bürgermeister von Aidhausen

    Eine positive Machbarkeitsstudie für das Geplante hat er. Seinen Hauptwohnsitz hat Wittmann (noch) in München. Er baut aber auf Erfahrungen, die er in Friesenhausen gemacht hat. Seit sein Vater dort im November 2011 ein Anwesen in der Dalbergstraße erworben hat, hat der 52-Jährige in Friesenhausen „tolle Menschen“ kennengelernt, „Menschen, mit denen ich mir vorstellen kann, alt zu werden“, wie er sagt. Schon jetzt unternehmen sie vieles zusammen und achten aufeinander.

    Dies sind auch Voraussetzungen, die die Bewohner einer ambulanten Hausgemeinschaft mitbringen müssen. Denn sie sollen nicht nur unter einem Dach leben, sondern ihre Zeit aktiv miteinander gestalten. In einer Kreativwerkstatt beispielsweise, oder bei der Gartenarbeit, je nachdem, was ihnen liegt. Wittmann hat hierzu eine Obstwiese gekauft sowie einen Acker. Raum für seine Ideen ist also vorhanden. Was fehlt, ist der Startschuss.

    Bis dahin wird es noch dauern. Kommendes Frühjahr, schätzt der Ex-Offizier, könnte es losgehen. Bis Ende Mai läuft die Meldefrist für ein Modellprogramm des Bundesfamilienministeriums, das nach zukunftsträchtigen Projekten für Leben im Alter sucht und diese unterstützen möchte – mit Beratern und Geld. Wittmann hat sich beworben. Auf Zuschüsse für sein auf 1,6 Millionen Euro (ohne Steuern) Gesamtkosten veranschlagten Vorhaben kann er auch aus der Altort-Förderung durch die Gemeindeallianz Hofheimer Land hoffen sowie aus Geldtöpfen, die für die in Kürze beginnende Dorferneuerung in Friesenhausen und Rottenstein bereitstehen, wie Aidhausens Bürgermeister Dieter Möhring bestätigt; bis zu 30 Prozent der Investitionssumme seien möglich. Ein zusätzlicher, dritter Weg der Förderung könnte die Ausweisung eines Sanierungsgebiets darstellen, die der Gemeinderat wohl noch dieses Jahr beschließen wird. Unabhängig von anderen Zuschüssen könnte dies nochmals über 20 Prozent der investierten Summe einbringen, sagt Möhring, dies habe eine Modellrechnung aus einer anderen Kommune ergeben.

    Bis die Frage der Zuschüsse endgültig geklärt ist, kann er mit dem Umbau des Anwesens, bei dem die prägnante Hülle der Scheune erhalten bleibt, nicht beginnen, sagt Wittmann. Offen ist auch, welche Rechtsform die Einrichtung haben wird, ob etwa ein Verein gegründet wird, oder eine GmbH oder eine Genossenschaft entsteht. Die Wohnungen können Interessenten entweder kaufen oder mieten. Ein vergleichbares Projekt in Saal an der Saale ergab Kosten von 2400 Euro pro Quadratmeter für Wohnungen, die gekauft wurden, berichtet Wittmann.

    Bedenken, genügend Interessenten zu finden, hat er nicht. Drei hätten sich bereits aus seinem Bekanntenkreis gemeldet. Und als er das Projekt – quasi testweise – im Internet vorgestellt hat, haben sich seinen Angaben nach in kurzer Zeit zehn bis 15 Interessierte gemeldet. Konkurrenz hat er weit und breit auf jeden Fall nicht: In der Region Haßberge wäre die ambulante Hausgemeinschaft in Friesenhausen die erste ihrer Art. „Dabei könnte das eigentlich in jeder Gemeinde verwirklicht werden“, meint Wittmann.

    Dies findet Bürgermeister Möhring auch. Er lobt Wittmanns Vorhaben: „Das ist eine herausragende Geschichte für die Gemeinde Aidhausen.“ Möhring spricht von einem „Leuchtturm“. Wenn alles so gelingt, wie es geplant ist, dann wäre im Ortskern von Friesenhausen ein „problematisches Objekt“, das für eine durchschnittliche Familie kaum zu bewerkstelligen wäre, einer neuen Verwendung zugeführt. Die Pläne kommen aus Möhrings Sicht dank der guten Fördermöglichkeiten, die sich für Investoren in der Gemeinde demnächst auftun, zu einem „äußerst günstigen Zeitpunkt“.

    Über die Wiederbelebung eines Leerstandes hinaus könnten die knapp 330 Einwohner Friesenhausens von der ambulanten Wohngemeinschaft auch deshalb profitieren, weil Wittmann die Idee hat, auf dem Grundstück ein kleines Café einzurichten, das die Bewohner ohne wirtschaftliche Zwänge betreiben könnten und das Besuchern des Ortes offen steht. Dort könnten auch regionale Produkte angeboten werden. Und Wittmann plant noch etwas: eine Solarstromtankstelle. Nicht ohne Grund, denn die Hausgemeinschaft soll ein gemeinsames Elektromobil nutzen. Denn energiebewusst und ökologisch eingestellt sollten die Bewohner ebenfalls sein. Doch das dürfte kaum eine Hürde für das Projekt sein.

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