Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Haßberge
Icon Pfeil nach unten
Haßbergkreis
Icon Pfeil nach unten

Eine fast perfekte Sprengung

Haßbergkreis

Eine fast perfekte Sprengung

    • |
    • |
    Da liegt er, das ehemalige Wahrzeichen der Stadt Zeil. Der Kamin der
Zuckerfabrik hat beim Zusammenfallen einen Teil des einstigen
Fabrikgebäudes zerstört.
    Da liegt er, das ehemalige Wahrzeichen der Stadt Zeil. Der Kamin der Zuckerfabrik hat beim Zusammenfallen einen Teil des einstigen Fabrikgebäudes zerstört. Foto: FOTOS FRANK KRANEWITTER

    Um halb drei regnet es in Zeil Bindfäden vom grauen Himmel. Das Gelände der Zuckerfabrik ist weiträumig abgesperrt. Vor den Zäunen stehen die Schaulustigen bereits dicht gedrängt und warten auf den großen Knall. In dem kleinen Waldstück am Rande des Betriebsgelände suchen Sicherheitsleute nach Unvernünftigen, die die Sprengung aus nächster Nähe verfolgen wollen. Sie werden nicht fündig. Knapp 100 Meter hinter dem Zaun baut derweil das Fernsehteam des Bayerischen Rundfunks seine Kamera auf. Zu den Gästen, die neben Bürgermeister, Zucker-Managern und Medienvertretern die Sprengung vom aufgeschütteten Kieshügel direkt am Rand des 300-Meter-Sicherheitsbereichs verfolgen dürfen, zählen auch viele Arbeiter der Zuckerfabrik.

    Für die beiden älteren Herren, die rauchend und sich unterhaltend unter ihren Schirmen beisammen stehen, ist es kein schöner Tag. 33 und 32 Jahre haben sie hier gearbeitet. Ja, ein wenig stolz waren sie schon auf ihren Kamin. "Aus allen Himmelsrichtungen hat man den Turm gesehen. Es wird schon etwas fehlen, wenn er nicht mehr da ist", meint einer. "Ich habe gesehen, wie der Turm Stück für Stück aufgebaut wurde. Nun erlebe ich, wie er in Sekundenschnelle abgerissen wird. Das tut weh," sagt der andere. Derzeit sind beide Arbeiter noch auf dem Gelände der Zuckerfabrik beschäftigt - im Lager, das es dort noch immer gibt. Im nächsten Jahr gehen beide in Rente. "Jetzt ist die Fabrik wirklich zu. Auch wenn sie schon fünf Jahre geschlossen ist. Der Turm, das war schon ein Symbol", sagt Hubert Schmidt. Der Zeiler arbeitete hier 16 Jahre lang.

    Dann warten alle zusammen auf die Sprengung. Als zum ersten Mal ein langer Signalton über das Gelände schallt, kramen die meisten der Ehrengäste mit ihren roten Schutzhelmen ihre Kameras hervor. In Richtung Main umkippen soll der Turm - so ist es geplant. Aus Funkgeräten dringt eine unmissverständliche Stimme zu den Wartenden: "Noch zwei Minuten" . . . "noch drei 30 Sekunden". Es folgen zwei laute Signaltöne. Dann geht alles ganz schnell:

    Es ist nicht der erwartete große Knall. Es ist ein dumpfes Grollen, das den Fall des Kolosses am Mainufer ankündigt. Der Schlot verformt sich, knickt in der Mitte ein, sackt in sich zusammen. Die Spitze schlägt im angrenzenden - zum Abriss bereit stehenden - Gebäude ein. Dann versinken 2600 Tonnen Beton und Mauerwerk in einer rötlichen Staubwolke. "Das war doch anders geplant", hört man die Zuschauer tuscheln.

    Der Nebel lichtet sich, die Ehrengäste schlendern durch Matsch und Geröll an den Ort der Explosion. Dort steht der Sprengmeister. Willi Hörner nimmt es gelassen: "Es war anders geplant. Aber das war halt die Schwerkraft. Deshalb ist der Turm abgeknickt." Als jemand den Sprengmeister beglückwünscht, bedankt er sich artig.

    Auch Bauingenieur Heinz Neugebauer, der den Abbruch der Fabrik koordiniert, will sich nicht über den krummen Fall des Turms ärgern: "Nicht schlimm! Hauptsache, er liegt", sagt er und macht sich auf den Weg in Richtung Trümmer. Dort steht Dr. Olaf Böttcher, Werkleiter der Südzucker in Ochsenfurt und somit Hausherr auf dem Gelände in Zeil. Er hat den Fall des Riesen vom Main auf Video festgehalten und filmt nun die Reste. "Nicht unser Problem", meint er beim Blick auf das Loch, das der Schlott in das benachbarte Fabrikgebäude geschlagen hat. Das ist Sache der Abrissfirma."

    Für die Sicherheitskräfte rund um das Gelände ist der Arbeitstag noch lange nicht vorbei. Immer wieder versuchen Neugierige auf das Gelände zu kommen und ein Trümmerteil als Andenken zu erhaschen. "Am Tor war gewaltig was los. Lauter Menschen, die dabei sein wollten", erzählt die Pförtnerin. Auch sie muss sich umgewöhnen: "Wenn ich am Montag zur Arbeit fahre, sehe ich den Turm nicht mehr. Ein komisches Gefühl."

    undefined
    undefined
    undefined
    undefined

    Ein Video von der Sprengung des
    Zeiler Zucker-Kamins im Internet
    unter www.mainpost.de/3185170

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden