„Wir ziehen das durch“, spukte es den Rittern, Handwerkern und Burgfrauen durch den Kopf, die sich mitsamt mittelalterlichem Hab und Gesindel zu früher Stunde am Samstag in Ebern entlang der Stadtmauer niederließen. Dabei dachten sie nicht an ihren befristeten „Ausstieg“ aus dem heutigen hochmodernisierten Lebensalltag.
In Leinen zu wandeln, Schwerter zu tragen, aus dem Trinkhorn Met zu schlürfen und sich am Lagerfeuer zu laben, liegt ihnen im Blut. Mehrere Wochenenden im Jahr ziehen sie von einem zum anderen Mittelalterspektakel, um ihr Hobby zu pflegen.
Was ihrer Feyerei in Ebern ein Gegner war, waren die Regenwolken, die sich gefühlt unendlich lang schon über Ebern und vor seinen Toren aufhalten. Doch die tapferen Kämpfer gewannen das Spiel, und so landete am Samstag um 15 Uhr kurz vor der Eröffnung der letzte Regentropfen auf dem Veranstaltungsgelände des vierten Eberner Mittelaltermarktes zwischen Wolz?n-Garten und Diebsturm.
Schöner gewandet als gewöhnlich, zog das Stadtoberhaupt Jürgen Hennemann zusammen mit seinen Ratsherren und -damen sowie Musik- und Tanzgruppen durch die Gassen, um das Volk zu begrüßen und das zwei Tage andauernde Spectaculum feierlich zu eröffnen.
Von seiner Papierrolle las Hennemann seine Begrüßungsworte: „Wir haben uns allhier eingefunden, um in alter Weise zu feiern, so wie es vor hunderten Jahren zwischen unseren Türmen und Mauern einmal zugegangen sein mag. Das Schwein über dem Feuer, die Wurst auf dem Grill, das Bier aus dem Fass, all das ist heute noch so wie es war.“

Selbst der ein- und andere aus dem Volk macht eine Zeitreise und streifte sich ein mittelalterliches Accessoire zum Besuch des Marktes über das Haupt.
Zum wiederholten Male wurde der Mittelaltermarkt von Tourismusfachkraft Helen Zwinkmann und ihrem Kollegen Bernd Ebert mit Fingerspitzengefühl geplant. Dass sich vor allem Familien mit Kleinkindern dort wohlfühlen, ist den beiden ein Anliegen. Märchen hören, Kinderschminken, Bogenschießen und noch viele Attraktionen standen den kleinen Besuchern zur Verfügung, um in die Vergangenheit abzutauchen und dem Mittelalter auf die Spur zu kommen.
Aber auch Gewänder, Gewürze und Töpfersachen konnten gegen Eberner Taler eingetauscht werden. Hubert Waldhier aus Thurnau war zum ersten Mal unter den Händlern, die während dem Mittelaltermarkt in Ebern in den Gassen lagerten. In der Zeitung gelesen und sofort begeistert: so der Grund, warum er sich und sein Handwerk in Ebern präsentierte. Bierdeckeldruck ist eine seiner Spezialitäten, und so hat er auch ganz speziell einen für die Fans des Eberner Mittelaltermarktes angefertigt.

Zwischen all dem Gesindel marschierten an diesem Wochenende auch Männer mit Tunika, Stangenwaffen und Laternen. Der Eberner Türmer Armin Dominka hat seine Brüder aus der europäischen Türmer- und Nachtwächterzunft zu einem kleinen Treffen nach Ebern eingeladen. Zum wiederholten Male haben sich die Wächter über Volk und Stadt nun in Ebern getroffen.
Auch das Präsidium der Zunft, Zunftmeister Johannes Thier aus Bad Bentheim und Vizezunftmeister Theo Vranken aus Beek/Niederlande, war in die fränkische Stadt gereist gekommen. „Damals durften die Türmer und Nachtwächter ihre Städte nicht verlassen, da sie aufpassen mussten“, so Thier zu den Aufgaben seines Berufstands: „Das ist also heute ein Privileg, dass wir hier sein dürfen.“ War vor 100 Jahren ein Leben in den Städten ohne Nachtwächter oder Türmer kaum vorstellbar, ist heute nicht mehr viel von der ursprünglichen Verpflichtung übrig. „Zum einen machen wir das ganze heute als touristisches Angebot. Zum anderen auch, um die Tradition fortzuführen“, erklärte Thier den Hintergrund der Zunft und der Aktivitäten.
Die Zunft besteht ausschließlich aus Männern aus zehn Ländern und 63 Orten. „Noch nie war eine Frau Nachtwächter“, schilderte Thier diese Angelegenheit, „es wäre sehr verantwortungslos, den Dienst in die Hände einer Frau zu legen. Denn nachts läuft doch viel Pack und lichtscheues Gesindel durch die Stadt.“
Aus ganz Deutschland reisten die Zunftbrüder am Wochenende nach Ebern an und erzählten dem Volk ihre Geschichten zu nächtlicher Stunde und wirkten auch im Festtagsgottesdienst in der Stadtpfarrkirche Sankt Laurentius mit.