Nachdenklich steht der 72-jährige Bamberger vor dem Bild "Fränkische Landschaft mit Autobahn". Fritz Bayerlein (1872 bis 1955) hat es gemalt. "Die Perspektive auf das Ländlich-Bäuerliche ist vielleicht Nazi-Ideologie. Aber sonst?" Der Besucher der Präsentation "Eine Hassliebe? Fritz Bayerlein und Bamberg" im Historischen Museum will sich nicht festlegen.
Anders als weitere Betrachter dieser "kleinen Sammlungsintervention", wie Museumsdirektorin Kristin Knebel die Auswahl an Bayerlein-Gemälden nennt, darunter eine Vorskizze zu dem großformatigen Werk aus dem Ratssaal im Rathaus Maxplatz. Dieses und ein weiteres aus dem Trausaal wurden inzwischen wegen Bayerleins nachgewiesene Sympathien für die nationalsozialistische Ideologie abgehängt.
Wie kontrovers dieses Thema in Bamberg diskutiert wird, zeigt sich nun auch in den Einträgen in die analogen und digitalen Gästebücher des Museums: "Ich bin erstaunt, wie unkritisch und unbedarft Bayerlein gesehen wird, das Wissen über die NS-Zeit ist offensichtlich nicht mehr da", zeigt sich Museumschefin Knebel durchaus erschreckt von den Reaktionen.
"Es fehlt an Aufklärung", vermutet sie und hofft immer noch, dass diese Präsentation mit Informationen über die Einstellungen Bayerleins zu "Transparenz und eben Aufklärung" beiträgt.
"Bayerlein abzuhängen ist Geschichtsklitterung ersten Grades der sogenannten demokratischen Saubermänner.“
Eintrag im Gästebuch
Etliche Besucher haben sich handschriftlich und überwiegend anonym im Gästebuch verewigt, das im Schauraum ausliegt. "Wie ist Ihre Meinung zum ‚Fall Bayerlein‘?" wollen die Ausstellungsmacher wissen. Einige Antworten: "Bayerlein hat sehr schöne Bilder von Bamberg und Umgebung gemalt." Oder: "Bayerlein abzuhängen ist Geschichtsklitterung ersten Grades der sogenannten demokratischen Saubermänner."

Oder: "An sich kann man nichts gegen die Kunst sagen, es ist Meinungs-/Geschmacksache. Jedoch war er ein Nazi und das macht das Ganze sehr unschön…" Oder: "Ist es ausreichend, schöne Gemälde zu malen, damit alle anderen moralischen Verwerflichkeiten vergeben und normalisiert werden? Nein! Es muss offen mit dem Thema umgegangen werden…" Oder: "Keinen Platz in Bayern für Nazis schaffen!" Oder: "Eine Saubermann-Posse, diese Abhängung!"
Gerade was die Abhängung aus dem Rathaus betrifft, sind die Voten der Umfrage im digitalen Gästebuch eindeutig: Von den bisher 116 Nutzern (Stand 21. Juni) halten es über 60 Prozent für falsch, dass die Bayerlein-Bilder entfernt wurden. Auf die Frage "Handelt es sich bei Bayerleins-Gemälden um ,Nazi-Kunst'?" antworten 40 Prozent mit "nein", 18 Prozent mit "ja".
"Dann ist ja Picasso analog ein Kommunisten-Künstler, denn er ist ja 1944 in die kommunistische Partei eingetreten."
Eintrag auf der Museums-Homepage
Auch digital haben an Bayerlein Interessierte die Möglichkeit, ihre Meinung kundzutun. Einige Einträge: "Das Motiv Bamberger Dom aus 1920 ist Kunst und das nahezu identische Motiv Bamberger Dom aus 1935 ist plötzlich Nazi-Kunst? Das verstehe wer will…" Oder: "Natürlich ist nicht alles nur schwarz-weiß zu beurteilen. Aber dass Bayerlein der Ideologie anhing und von den Nazis profitiert hat, ist nunmal nachgewiesen und nicht wegzudiskutieren."
Oder: "Sofern es sich nicht um politische oder Propaganda-Kunst handelt, spielen die politische Überzeugung des Täters oder die Rezeption durch politische Akteure keine weitere Rolle, ist z.B. bei Richard Wagner auch nicht anders." Oder: "Dann ist ja Picasso analog ein Kommunisten-Künstler, denn er ist ja 1944 in die kommunistische Partei eingetreten. Niemand käme ernsthaft auf die Idee, Picasso für Stalins Verbrechen verantwortlich zu machen. Eben weil Kunst und politische Überzeugung voneinander zu trennen sind, solange es sich nicht um Propaganda handelt." Oder: "Vernichten oder zurückgeben! Eine demokratische Stadt soll keine Nazi-Kunst aufbewahren!"
Bis zum diesjährigen Saisonende im Historischen Museum wird die "Sammlungsintervention" samt Gästebüchern zugänglich sein. Kristin Knebel plant, die Einträge auszuwerten und im Kultursenat der Stadt Bamberg vorzustellen. Darüber hinaus werde über "Hinweise auf den Kontext" nachgedacht werden, da vier Bayerleins, die vor 1933 entstanden sind, in die museale Dauerpräsentation integriert seien.
Außerdem würden im Juli eine Liste der 23 verschollenen Bilder von Bayerlein und eine Info-Seite dazu erstellt, wie die Museumsdirektorin sagt. Sie hofft dabei auf die Mitwirkung von Bürgern, die etwas über den Verbleib der Gemälde wissen könnten.
Mit Verweis auf das Testament Bayerleins, der darin die öffentliche Zugänglichkeit seines Bamberg geschenkten Werkes verfügte, räumt Kristin Knebel ein: "Das ist eine schwierige Sache für uns. Wir sind noch unentschieden, wie wir damit umgehen." Klar ist dagegen ihre Meinung zur "Causa Rathausbilder": "Ich finde das Abhängen im Gesamtkontext richtig."