Ebern
Der Platz für die Schilder am Eingang wird langsam knapp: UNESCO-Projektschule, DFB-Stützpunkt und Comenius-Partnerschaft sind drei Prädikate, mit denen sich das Friedrich-Rückert-Gymnasium in Ebern bereits schmücken darf. Nun ist ein weiteres dazu gekommen.
„Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, das ist „genau die Schule, die sich unsere Schüler gewünscht haben“, sagte stellvertretender Schulleiter Wolfgang Grübert. Tatsächlich haben die Schüler selbst die Aufnahme in das Projekt – offiziell vollzogen am Dienstag – in die Wege geleitet. Eine Schülerin, genau genommen.
Nein, Rassismus im engeren Sinne ist kein Problem am FRG. Aber: „Man muss das Problem nicht erst haben, um etwas zu machen.“ Das dachte sich die stellvertretende Schülersprecherin Laura Blum, als sie vergangenes Jahr den Stein ins Rollen brachte. Sie hatte an einer Ausbildung zum Aktiv-Coach teilgenommen, angeboten von jenem Projekt „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“. Wichtig war ihr auch, dass die Sache fortgeführt und begleitet wird, sprich immer wieder ein Anstoß da ist, Aktionen zu starten.
Nicht nur die Mitstreiter in der Schülermitverwaltung (SMV) und die Schulleitung ließen sich von der Idee anstecken, Flagge zu zeigen gegen jede Form von Ausgrenzung. Beim SMV-Tag Ende Juli – mit Vorträgen und Workshops zu Themen wie Diskriminierung, Homosexualität und Zivilcourage – trugen sich 95 Prozent von den Mitgliedern der Schulfamilie in die Unterschriftenliste ein. Die Mindestvoraussetzung zur Aufnahme in das internationale Projekt wären 70 Prozent gewesen.
Nun also hieß Regionalkoordinatorin Zehranur Aksu (Würzburg) das FRG als 1028. Schule in Deutschland und 142. in Bayern willkommen. „Ihr seid das Projekt“, betonte sie, „Ihr habt euch selbst verpflichtet“. Aksu formulierte noch einmal die drei Versprechen, die Schüler, Lehrer und Mitarbeiter mit ihrer Unterschrift gegeben hatten: „Ich schaue hin“, „Ich mache auch was“ und „Ich mache einmal im Jahr ein Projekt, um an diese Versprechen zu erinnern und die Nachhaltigkeit zu sichern.“
Die Koordinatorin machte deutlich, dass gewalttätige Übergriffe auf Menschen, die anders seien, nach wie vor zur Realität gehörten. Sie sprach von einer Vielfalt, mit der nicht alle zurechtkämen. Dabei gehe es nicht nur um die Nationalität. Der Begriff Rassismus sei weiter gefasst, betonte Aksu beim Nachgespräch. Und es sei wichtig, zu überlegen: „Wo fängt es denn schon an?“
Manchmal schon ganz klein. Und da, wo man es überhaupt nicht erwartet. Das hatte Dorothee Bär, die Patin des FRG bei diesem Projekt, gerade erst am eigenen Leib erfahren. Nach dem Auftritt in einer Talkshow sei sie wegen ihres fränkischen Dialekts in mehreren Zuschriften diffamiert worden, berichtete die Bundestagsabgeordnete aus Ebelsbach. Und als Gastschülerin an einer Highschool in den USA habe sie vor Jahren erstmals erlebt, wie es sei, „wenn man wohin kommt, wo man ein bisschen von der Norm abweicht“. Sie sei vielen Vorurteilen über Deutschland begegnet und habe sehr viel Aufklärungsarbeit leisten müssen.
Was nun die Aufnahme des FRG in das Projekt „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ betrifft, zeigte sich Dorothee Bär beeindruckt von der hohen Resonanz auf die Idee einer Einzelnen, sichtbar in der großen Beteiligung an der Unterschriftenliste. Die Politikerin nutzte die Gelegenheit, für eine aktive Beteiligung an der Demokratie zu werben. Sie hoffe, dass die Schülerinnen und Schüler, die an dem Projekt teilnehmen, auch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, damit extreme politische Kräfte nicht an Bedeutung gewännen, sagte Bär. Denn: „Man kann etwas bewirken, und auf den Einzelnen kommt es eben doch an.“
Auch wenn der Ausländeranteil am FRG bei weniger als einem Prozent liegt und Rassismus im engeren Sinn bislang kein Problem darstellt: Eine Sensibilität in Sachen Diskriminierung im weiteren Sinne gibt es bereits. Im Rahmen des Netzgänger-Projekts etwa wird versucht, der Diskriminierung via Internet und Handy (Cyber-Mobbing) vorzubeugen.
Vorbeugung ist aber noch in anderer Hinsicht bedeutsam. Stellvertretender Schulleiter Wolfgang Grübert verwies in kleinerer Runde auf „sehr viele Kontakte mit ausländischen Schulen“, also auch mit Menschen aus anderen Kulturen. Ob nun Polen, Spanien, Indien oder China – immer wieder gelte es, im Vorfeld Aufklärungsarbeit zu leisten, damit den Schülern anderer Nationen mit der entsprechenden Haltung begegnet werde.
Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage: Das Projekt wurde 1988 in Belgien initiiert und ist seit 1995 in Deutschland vertreten. Die Koordinationsstelle für Bayern ist angegliedert an die Jugendbildungsstelle Unterfranken in Würzburg. Laut Regionalkoordinatorin Zehranur Aksu beteiligen sich die verschiedensten Schularten an dem Projekt, von der Förderschule bis zum Gymnasium. Sogar Anfragen von Ballettschulen gebe es schon. Die Ausbildung zum Aktiv-Coach gehört zu den Schwerpunkten der Arbeit. Für jede Schule mindestens zwei solcher Multiplikatoren pro Schuljahr zu trainieren, haben sich die Verantwortlichen zum Ziel gesetzt.
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