Bei der dritten Strophe des „Te Deums“ setzten die Domglocken ein: „Heilig, Herr der Himmelsheere! Starker Helfer in der Not! ...“ Es war ein fulminanter Schlussakkord mit Orgel, Bläsern, Schellen und tausenden Stimmen nach dieser gut dreieinhalb stündigen Zeremonie. Ein Gemeinschaftserlebnis erster Güte, das gefühlt ganz Bamberg an diesem Vormittag des Fronleichnamsfestes auf die Beine brachte.
So erfüllte sich auf beeindruckende Weise, was Erzbischof Ludwig Schick im Vorfeld des Feiertages mit seiner großen Prozession durch die Altstadt im Gespräch mit dieser Redaktion gewünscht hatte: „Wer Fronleichnam innerlich mitfeiert, erlebt den Sinn dieses Hochfestes und erfährt seinen Segen.“ Wer die Feier der Eucharistie auf dem Domplatz mitfeiert und anschließend an der Prozession teilnehme, bete, singe, höre und schweige, „spürt die Gegenwart Jesu Christi in uns Menschen und in unserer Welt“, so der Erzbischof.
Barocke Pracht
Tatsächlich war die Ergriffenheit der vielen Menschen im Prozessionszug und an den Straßenrändern spürbar. Es schienen weniger bloß fotografierende Schaulustige zu sein, die die barocke Pracht der blumengeschmückten Heiligenfiguren, der Zunftsstangen, Banner der Verbände und Vereine, der Uniformen von Studentenverbindungen oder Feuerwehrmännern bestaunten. Die meisten beteten laut mit, antworteten auf die Gebetsrufe, die via Lautsprecher übertragen wurden.
Aufmerksam lauschten die Gläubigen auf die bemerkenswert ausgefeilten Textlesungen, mit denen der Himmel besonders um ein Ende des Krieges in der Ukraine, in Syrien, im Kongo und anderswo in der Welt, um Nahrung für alle Menschen bei der drohenden Hungerkatastrophe in etlichen Ländern, um die Bewahrung der Schöpfung und die endgültige Überwindung der Corona-Pandemie angefleht wurde. Es gab auch Fürbitten für die Ortskirche, die Stadt Bamberg und ihre Bewohner: „Geh mit uns auf unserem Weg …“ erklang der Liedruf zu Gott.
Dieser schlug gleichsam den Bogen zurück zur Predigt von Erzbischof Schick. Denn er versicherte den Zuhörern, dass „Gott immer für uns da ist, vor allem dann, wenn niemand mehr da ist und man sich von allen verlassen fühlt“. Gott sei überall für den Menschen da, „ganz besonders in den Wüsten des Lebens“, so Schick. An Fronleichnam ziehe der menschgewordene Gott durch die Straßen und segne alle Orte des menschlichen Lebens. Jesus Christus komme zu den Jungen und den Alten, den Gesunden und Kranken, zu den Helfenden und den Hilfsbedürftigen, in die Häuser, Wohnungen und Arbeitsstätten: „Niemand soll sich von Gott verlassen fühlen, das macht die Kirche mit den Fronleichnamsprozessionen durch die Straßen der Städte und Dörfer seit Jahrhunderten deutlich“, erklärte der Erzbischof.
Das Allerheiligste im Zentrum
So stand auch heuer das Allerheiligste, der Leib Christi in Gestalt der gewandelten Hostie in der Monstranz, im Zentrum der Prozession. Erzbischof Schick oder Dompfarrer Markus Kohmann trugen das Schaugefäß unter dem Baldachin, spendeten damit den „eucharistischen Segen“ in alle vier Himmelsrichtungen. Rührend, wie kleine Kinder die mitgebrachten Blütenblätter zur Verehrung des Leibes Christi auf den Weg streuten: „Das habe ich sehr wohl bemerkt, Dank an die Kinder und die Mamas und Papas! Der Himmel freut sich und ich mich auch“ rief der Erzbischof in seinen Schlussworten auf dem Domplatz der Schar zu. Überhaupt dankte er all den Teilnehmenden an der Feier, den vielen ehrenamtlichen Helfern und Mitwirkenden. Er wertete dies alles als „Zeichen unserer Geschichte und unseres geistlichen Lebens in der Stadt“.
Ein eigenes Vergelt‘s Gott richtete der Oberhirte an die Träger der zig Kilogramm schweren Figuren und des Domkreuzes. Die Männer strahlten trotz der kräftezehrenden Last auf den Schultern. „Es ist Tradition und eine Freude, dass wir wieder dabei sein können“, sagte etwa Christian Burgis vom Oberen Gärtnerverein. Mit seinen fünf Kollegen und Stuhlträger Maximilian Griebel ist der jetzt 30-Jährige seit 2009 als Träger des Heiligen Josef dabei. „Schon als kleiner Bub habe ich meinen Vater begleitet, der getragen hat“, blickte Burgis in die Familiengeschichte zurück. Ähnliches konnten die Männer vom Unteren Gärtnerverein erzählen, die den Heiligen Sebastian geschultert hatten.
Schließlich gibt es diese Form der Fronleichnamsprozession in Bamberg seit genau 200 Jahren, seit 1822. Diese überstand die Zeitläufe bis heute. Bis zum überwältigenden Glaubenszeugnis 2022. Da konnte der Schoppen Wein oder das Seidla Bier gut schmecken, die der Erzbischof auf dem sonnenüberfluteten Domplatz den Tausenden noch zur Feier des Fronleichnamsfestes empfahl.
