Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Haßberge
Icon Pfeil nach unten
Haßbergkreis
Icon Pfeil nach unten

HASSFURT: Für den Abriss gibt es Regeln

HASSFURT

Für den Abriss gibt es Regeln

    • |
    • |
    Abgehängt: der frühere Eingang zum EZO-Gebäude.
    Abgehängt: der frühere Eingang zum EZO-Gebäude.

    Biss für Biss arbeitet sich die Betonzange des Baggers durch den Trümmerhaufen. Die Kraft der Hydraulik zermalmt die Betonbrocken. Der freigelegte Baustahl landet in einem Container. Hinter dem Bagger ist der ehemalige EZO-Markt in Haßfurt zu sehen. Besser gesagt die Reste, die von dem Betonklotz in der Hofheimer Straße noch übrig geblieben sind. Der rückwärtige Teil ist bereits verschwunden. Der Vorderteil entkernt und aufgerissen. Bis Ende kommender Woche wird der Bau bis auf kleine Reste völlig von der Bildfläche verschwunden sein.

    Seit Anfang Juni ist das Sylbacher Bauunternehmen Räder damit beschäftigt, den Markt abzureißen. Als dieser im Jahr 1977 erstellt wurde, waren Betonbauten mit Flachdach der letzte Schrei. Heute weint dem verschwindenden EZO-Gebäude niemand eine Träne nach. Im Haßfurter Rathaus, im Landratsamt und im Amtsgericht freut man sich auf den Justiz-Neubau, der auf dem Areal bekanntlich bis zum Jahr 2016 entstehen soll. Die Rettungshundestaffel Haßberge nahm gerne die Chance wahr, in den EZO-Trümmern die Suche nach Verschütteten zu üben.

    Doch bevor auf dem Platz Neues entstehen kann, muss das Alte verschwunden sein. Und das benötigt Zeit – und Sorgfalt, wie Jürgen Wolf erklärt. Mit der großen Abrissbirne kommen, alles ruckzuck platt machen, auf Lastwagen laden und ab zur Deponie, das ist unmöglich, wie der Bauleiter des mit dem Abriss beauftragten Unternehmens erklärt. Alle Baustoffe, die wiederverwertbar sind – „und das sind beim EZO-Gebäude fast alle“ –, müssten getrennt entsorgt und aufbereitet werden. Das 1996 eingeführte Kreislaufwirtschaftsgesetz regelt dies bis ins Detail; zuvor galt die Idee der Wiederverwertung von Baustoffen bereits im Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 und im Abfallgesetz von 1986.

    Gründliche Voruntersuchung

    Wichtig sind laut Jürgen Wolf und Willi Räder, dem Geschäftsführer der gleichnamigen Firma, dass ein Abbruchgebäude möglichst gründlich voruntersucht wurde. Diese ist nach Auskunft von Edwin Oppelt vom Landratsamt Haßberge (Immissionsschutz und Abfallrecht) laut Bayerischem Baurecht – solange kein Verdacht auf Schadstoffe besteht – zwar nicht vorgeschrieben, aber immer anzuraten; bei Industriebauten sei eine Voruntersuchung „eigentlich Standard“, so Oppelt. Die Behörde empfehle immer auch eine Entkernung von Abbruchhäusern, um problematische Stoffe, wie Leuchtstoffröhren, Kunststoffböden oder Kamine, gesondert zu entsorgen. Dies gelte auch für Wohnhäuser, die nicht selten ebenfalls Baugifte enthielten. Das EZO-Gebäude, so Oppelt, sei dank seiner Nutzung als Super-, Getränkemarkt und Büro „eher unkompliziert“.

    Bauleiter Wolf bestätigt: Beim EZO-Gebäude sei die Voruntersuchung im Auftrag des Architekturbüros „sehr gut gelaufen“. So war der Abbruchfirma von vornherein klar, dass dort keine Altlasten, wie Asbest oder versickerte Gefahrstoffe, zu befürchten sind. So konnten die Arbeiter nach dem Entkernen des Gebäudes, wobei alle losen Gegenstände ausgebaut wurden, das Gebäude Stück für Stück in seine Bestandteile zerlegen. Glas, Holz, Alu-Türen, Metalle – am Ende landet alles in Containern und wird zum Recyceln gefahren. Eine mobile Brecheranlage zerkleinert vor Ort die geschätzten knapp 5000 Tonnen Beton, aus denen das alte EZO-Gebäude besteht. Die Steinbrösel kommen dann beispielsweise im Straßenbau zum Einsatz. Nur wenig Baustoffe des EZO-Gebäudes, das immerhin 25 000 Kubikmeter umbauten Raum hatte, landen auf der Deponie, weil sie nicht wiederverwertbar sind, meint Wolf. Als Beispiel nennt Wolf die Dichtungsbahnen des Daches.

    40-Tonnen-Bagger

    „Für die Bagger ist der Abbruch eine Spielerei“, sagt Roland Findeisen, der Polier auf der Baustelle. Den beiden 40- und 35-Tonnen-Baggern steht ein großes Sortiment an Anbauwerkzeugen zur Verfügung, um den Bau zu zerlegen: Betonpulverisierer beziehungsweise Betonzange, Betonschere, Sortierlöffel, Meißel sowie ein Magnet, zum Herausfischen der Metallteile aus dem Bauschutt. Findeisen macht kein Geheimnis daraus, dass die vorgeschriebene Trennung der Baustoffe aufhält. Besonders beim Dach, das aus drei Lagen besteht: Folie, Styropor und Glaswolle. Diese Stoffe müssen einzeln entsorgt werden.

    Die Zeitverzögerung sowie der mit dem Abbruch verbundene Müll, Staub und Lärm sorgen dafür, dass der Abbruch von Gebäuden bei Bauherren und Anwohnern wenig beliebt ist, auch deshalb, weil der Abbruch Kosten verursacht – ohne gestalterische Gegenleistungen, wie die Firma Räder es beschreibt. Dennoch darf nicht übersehen werden: Die gesetzlich vorgeschriebene Abfallvermeidung und Trennung der Baustoffe schont auch den Geldbeutel des Bauherrn, denn jeder Wertstoff, der nicht kostenpflichtig auf der Deponie landet, sondern in einem Recyclingbetrieb, der bringt Geld. Die Rohstoffpreise sind schließlich in den vergangenen Jahren ordentlich gestiegen.

    Routine

    Ein Gebäude wie den EZO-Markt abzureißen, davor habe er keine Scheu, berichtet Bauleiter Wolf. Im Gegenteil: Dessen Baustil sei aus der Mode gekommen und der Klotz habe die präsente Fläche im Haßfurter Stadtbild eher verschandelt als verschönert. Anders sei dies, wenn Wohnhäuser nach Bränden oder Unwetterschäden abgerissen werden müssen und deren Bewohner vor dem Nichts stehen. Oder als seine Firma vor elf Jahren die Haßfurter Traditionsbrauerei Hiernickel abriss, oder als Mitte der 1970er Jahre die Firma Mölter vom Erdboden verschwand, der einst größte Arbeitgeber vor Ort. „Da macht man sich dann schon Gedanken“, sagt Ute Wolf, Geschäftsführerin bei Räder.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden