1492 geht in die Geschichte ein. Christoph Kolumbus entdeckt Amerika und die Welt steht damit an der Schwelle vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Die freie Reichsstadt Nürnberg befand sich am Zenit ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung.
In diesem Jahr gab Erhard Etzlaub seine "Nürnberger Meilenscheibe" heraus. Es handelt sich um einen so genannten Einblattdruck, einen Holzschnitt aus der Hand des Stechers Jörg Glogkendon im Format 27 mal 38 Zentimeter. Es gibt heutzutage nur noch drei Exemplare davon: Ein koloriertes Original ist in der Staatsbibliothek in München sicher verwahrt, ein weiteres Exemplar ist zum Beispiel aus der Österreichischen Nationalbibliothek bekannt.
Der äußerst vielseitige Erhard Etzlaub (ca. 1460 - 1532) wirkte in Nürnberg als Kartograph und Instrumentenbauer. Hauptberuflich war er Kompass-Macher, ab dem Jahr 1507 auch vereidigter Landvermesser. Daneben gab er Kalender heraus und praktizierte ab 1513 auch noch als Arzt - kurzum, er war wie viele Gelehrte der Renaissance nicht nur umfassend wissenschaftlich und humanistisch gebildet, sondern auch handwerklich sehr geschickt.
Etzlaub schuf neben der hier erwähnten Karte der Umgebung von Nürnberg noch weitere im wahrsten Sinn des Wortes wegweisende Landkarten: im Jahr 1500 die Romweg-Karte mit den Pilgerrouten nach Rom, 1501 die Landstraßen-Karte, die die Hauptverbindungen in Mitteleuropa zeigt und weitere Darstellungen Nürnberger Gebiete.
Im Zentrum der Meilenscheibe befindet sich die Stadt Nürnberg, gekennzeichnet mit einem großen Stadtwappen. Exakt 100 Orte wurden eingezeichnet, Grenzlinien - zusätzlich rot koloriert - trennen die einzelnen Herrschaften und weisen diese Karte als eine der ersten auch politischen Darstellungen eines deutschen Territoriums aus.
Die Karte beschreibt einen Kreis von "sechzehn meill" rund um Nürnberg, das "in der mitt des zirckels" liegt. Eine deutsche Meile entspricht 7,4 Kilometer, der Radius beträgt also rund 120 Kilometer. Dieser Umkreis liegt eingebettet in einem Rechteck, das eine Gebrauchsanweisung und einen Meilen-Maßstab zeigt. Dabei steht die fromme, noch ganz mittelalterlich anmutende Widmung "Jhesus und Maria", aber auch die stolze und schon moderne Darstellung einer neuen Wissenschaft: "Die Kunst Geometrey ist genannt, thut uns des ertreichs leng und brait bekant."
Die räumlichen Relationen auf der Karte stimmen ziemlich genau - aus heutiger Sicht ein sehr beeindruckender Umstand, konnten die Kartographen dieser Zeit noch auf keine Luftbilder oder Satellitenbilder zurückgreifen. Für den Menschen des 21. Jahrhunderts ist das Kunstwerk allerdings schwer zu lesen, denn die Meilenscheibe ist nicht wie eine heutige Landkarte nach Norden hin ausgerichtet, sondern "gesüdet". So erkennt der Betrachter beispielsweise den Lauf des blau gekennzeichneten Mains erst, wenn er die Karte auf den Kopf stellt.
Daraus lässt sich auch schließen, dass Erhard Etzlaub von der Astronomie kommt. In der Praxis der Astronomen wurde der Süden als die bevorzugte, vom Sonnenstand bestimmte Himmelsgegend an den oberen Kartenrand verlegt. Was übrigens an der Schwarz-Weiß-Kopie nicht zu sehen ist: Gewässer sind im Original blau eingezeichnet, Territorialgrenzen rot, Stadtkreise goldfarbig. Damit kann man auch von der ersten politischen Landkarte sprechen.
Exakt 100 Städten zwischen Coburg im Norden, Ingolstadt im Süden, dem Böhmerwald im Osten und Mergentheim/Tauber im Westen erscheinen auf dieser Karte. Aus der näheren Umgebung von Haßfurt sind außerdem "ebern", "ebrach", "kungshoffe" (Bad Königshofen), "Bamberg", "gereltzhofen" (Gerolzhofen) und natürlich "sweinfurt" aufgeführt.
Aber es bleibt festzuhalten: Auf der frühesten regionalen Landkarte der Welt ist Haßfurt bereits aufgeführt. Das hat den Bekanntheitsgrad der kleinen Stadt am Main sicherlich gesteigert, denn die Einblattdrucke hatten erstmals eine volkstümliche Beschriftung in Deutsch und einen günstigen Preis. Es geht dem Kartographen nicht um falsche Gelehrsamkeit, sondern um eine konkrete Hilfe zur Reisepraxis im ausgehenden 15. Jahrhundert.
Online-Tipp
Informationen dazu gibt es zum
Beispiel im Internet unter
www.onb.ac.at/sammlungen/kar-
ten/kartenzimelien/images/01.htm