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Haßfurt: Haßfurt und Helsinki: Was die zwei Städte verbindet

Haßfurt

Haßfurt und Helsinki: Was die zwei Städte verbindet

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    Madlen Müller-Wuttke arbeitet in Haßfurt an der Umsetzung der Digitalstrategie der Kreisstadt.
    Madlen Müller-Wuttke arbeitet in Haßfurt an der Umsetzung der Digitalstrategie der Kreisstadt. Foto: C. Reinders/Digital Office Stadt Haßfurt

    Beide Städte beginnen mit dem Buchstaben H. Das allein wäre nicht Grund genug, darüber zu berichten. Helsinki ist die Hauptstadt Finnlands, des nordöstlichsten Staats der EU, mit etwa 650 000 Einwohnern. Bei dieser Zahl kann Haßfurt, die „Hauptstadt“ des Landkreises Haßberge mit etwas mehr als 13 000 Einwohnern, nicht mithalten.

    Was beide Städte eint, ist, dass beide als Wahrzeichen jeweils ein berühmtes, historisches Bauwerk haben. Über der nordischen Großstadt thront der weithin sichtbare weiße Dom, das Wahrzeichen von Helsinki. Erbaut wurde die große Kirche einst von einem Deutschen, dem Architekt und Baumeister Engel. Kennzeichnendes Bauwerk von Haßfurt ist die Ritterkapelle, ein ebenfalls viel beachtetes Wahrzeichen, das die Stadt in seiner heutigen Gestalt dem Architekt Heideloff verdankt. Beide große Kirchen, die eine katholisch, die andere evangelisch, sind architektonische Meisterleistungen der Vergangenheit. Was beide Städte jedoch ganz aktuell verbindet, ist ihr Bestreben, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Beide sind auf dem Weg zur „Smart City“.

    Weltweit betrachtet, lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Städten. Es wird prognostiziert, dass die Bevölkerung weiter wachsen wird. Damit einhergehend wird mehr Müll anfallen, mehr Fahrzeuge werden unterwegs sein und die entsprechenden Schadstoffe ausstoßen sowie Geräusche verursachen. Diesen und weiteren Effekten wollen einige Kommunen entgegenwirken, darunter Haßfurt und Helsinki. Mit Umstrukturierungsmaßnahmen wollen beide Städte zu einer nachhaltigen und zugleich leistungsfähigen „Smart City“ werden.  

    Was passiert in Haßfurt?

    Zur Umsetzung ihrer Digitalstrategie beschäftigt die Stadt Haßfurt seit Februar die promovierte Medienkommunikationswissenschaftlerin Madlen Müller-Wuttke. Ihre berufliche Hauptaufgabe ist es, sich für den digitalen Wandel einzusetzen. Haßfurt zählt zu den Gewinnern des bundesweiten Wettbewerbs „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Damit erhält Haßfurt finanzielle Fördermittel für die Entwicklung und Umsetzung der Digitalstrategie. Dafür zu sorgen, dass diese sinnvoll und zielgerichtet verwendet werden, fällt in Müller-Wuttkes Aufgabenbereich. Im Gespräch mit dieser Redaktion gibt sie Antwort auf einige Fragen zur Entwicklung der Stadt Haßfurt sowie zu ihrer eigenen Tätigkeit.

    Frage: Was würden sie den Menschen sagen, die mit dem Begriff Smart City noch nicht viel anfangen können und Sie um Erklärung bitten?

    Madlen Müller-Wuttke: Ich würde ihnen sagen, dass eine smarte Stadt die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger im Alltag in ihre Planung einbezieht und dadurch adaptiv (anpassbar – Red.) reagieren kann. Das erfolgt unter sozialen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten und reicht von Straßenlaternen, die beispielsweise je nach Lichteinfall gesteuert werden, bis hin zu digitalen Behördengängen. Mit Hilfe der Digitalisierung können Städte effizient, nachhaltig und lebenswerter gestaltet werden, wobei Bestehendes mit Neuem verknüpft wird.

    So wie überall, gibt es auch im Heimatkreis Menschen, denen nicht bewusst ist, welche Vorteile ihnen eine bessere Digitalisierung bringen kann. Was möchten sie ihnen in Bezug auf Haßfurt mitteilen?

    Müller-Wuttke: Die Digitalisierung von Städten und Behörden schreitet voran, weil Angebote im Zusammenhang mit der Digitalisierung für die Bevölkerung bequemer und einfacher werden. So können viele Angelegenheiten daheim vorbereitet und beantragt werden, und zwar rund um die Uhr. Ich denke dabei etwa an eine Umzugsmeldung oder die Kfz-Anmeldung. Darüber hinaus werden Hürden für die Kontaktaufnahme sowie zur Vermittlung von Informationen drastisch reduziert. Im Fall von Haßfurt wird die Einbindung der Bevölkerung bei den anstehenden Smart-City-Entwicklungen durch virtuelle Kanäle, wie Webseite und Bürgerbeteiligungsplattform sowie durch die sozialen Medien gefördert.

    Sie arbeiten seit einigen Monaten in Haßfurt. Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Stand auf dem Weg zur smarten Stadt Haßfurt ein?

    Müller-Wuttke: Haßfurt hat sich im Wettbewerb mit dem Konzept einer smarten grünen Stadt als Pilot für kleine Städte im Rahmen der „Modellprojekte Smart Cities“ durchsetzen können. Damit ergibt sich eine einmalige und fantastische Chance für Haßfurt und die gesamte Region. Wir können jetzt smarte Infrastrukturen testen, weiterentwickeln und die Weichen für ähnliche Entwicklungen in anderen kleinen Städten stellen. Insbesondere die Tatsache, dass die Stadt Haßfurt bereits jetzt mehr grünen Strom produziert als sie selbst verbraucht, ist ein wesentlicher Vorteil, den andere Kommunen erst noch erreichen wollen. Von daher haben wir einen großen Vorteil, um uns zu einer smarten grünen Stadt zu entwickeln.

    Gibt es Beispiele anderer Städte, die Ihnen als Muster oder Vorbild dienen?

    Müller-Wuttke: Smart-City-Entwicklungen sind in den letzten Jahren vornehmlich von großen Städten durchgeführt worden. Wien, London, Madrid – dort gibt es bereits weitreichende digitale Angebote für die Bevölkerung. Für kleine Städte wie Haßfurt bietet sich mit dem aktuellen Projekt und der Teilförderung durch den Bund eine ziemlich einmalige Gelegenheit, die Erfahrung der großen Städte auch im kleineren Rahmen anzuwenden.

    Kennen Sie die Stadt Helsinki, in der ein ganzer Stadtteil dabei ist, sich als experimentelle Innovationsplattform einer Smart City zu entwickeln?

    Müller-Wuttke: Nicht nur Helsinki, sondern auch in anderen Städten gibt es solche Bestrebungen, unter anderem in Toronto in Kanada. Das sind interessante Leuchtturmprojekte, welche viele Erfahrungen für die anderen smarten Städte bündeln.

    Wenn das Ziel Haßfurts darin besteht, die Stadt zu einer smarten Stadt weiterzuentwickeln und die Möglichkeiten der Digitalisierung aufzuzeigen, sie gemeinsam zu erarbeiten und umzusetzen, so ist das ein hoher Anspruch. Welche ersten Schritte sind auf diesem Weg vorgesehen oder bereits unternommen worden?

    Müller-Wuttke: Wir präsentieren über die Seite smartcityhassfurt.de ein umfangreiches Angebot zu den aktuellen und anstehenden Entwicklungen. Zu verschiedenen Themen kann man sich informieren, beispielsweise zur Digitalisierung der Ritterkapelle. Ferner waren die Haßfurter Kinder und Jugendlichen aufgerufen worden, Ideen und Visionen zur Smart Green City Haßfurt einzureichen. Über die Bürgerbeteiligungs-Workshops bieten wir der Bevölkerung die Möglichkeit, ihre Ideen und Anregungen mit dem Smart-City-Team zu besprechen. Demnächst wird darüber hinaus eine Plattform starten, die es ermöglicht, anstehende, stadtzentrierte Fragestellungen online zu diskutieren und somit deren Umsetzung beeinflussen zu können.

    Welche stadtzentrierten Fragestellungen fallen Ihnen spontan ein?

    Müller-Wuttke:  Die Fragestellungen werden als Bottom-up-Ansatz verfolgt, was heißt, dass sie aus der Bevölkerung heraus entstehen. Denkbar sind die Gestaltung der Innenstadt, die digitale Ausgestaltung des zentralen Omnibusbahnhofs oder mögliche Carsharing-Angebote.

    Wie können sich bisher unbeteiligte oder beruflich nicht mit Digitalisierung befasste Menschen auf dem Weg zur Smart City einbringen?

    Müller-Wuttke: Die Smart-City-Initiative der Stadt Haßfurt legt großen Wert darauf, dass möglichst viele in der Stadt lebende Menschen die anstehenden Entwicklungen mitgestalten und mitentscheiden. Wir verwenden alle zur Verfügung stehenden Informationskanäle und stellen unkomplizierte Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme bereit. Neben den Onlineangeboten wird demnächst das so genannte Stadtlabor eröffnet. Es wird eine Anlaufstation für diejenigen sein, die sich persönlich vor Ort über Projekte informieren möchten, anstatt nur online darüber zu lesen.

    Ab wann wird das Stadtlabor zu besuchen sein?

    Müller-Wuttke: Derzeit sind wir in der Planungsphase. Voraussichtlich Ende des Jahres wird das Stadtlabor öffnen.

    Erhöht die Corona-Pandemie die Notwendigkeit einer besseren Digitalisierung? Wenn ja, in welchen Bereichen besonders?

    Müller-Wuttke: Die Kontaktverbote während des Lockdowns haben gezeigt, dass vor allem kleine Geschäfte in Innenstädten sehr unter den mangelnden Kundenbesuchen leiden mussten. Diese negativen Auswirkungen zeigten sich auch in der Gastronomie und der Dienstleistungsbranche. Die Stadt Haßfurt hat schnell reagiert und mit „Hassfurt-bringts“ eine Plattform geschaffen, die Einzelhändlern half, den Kontakt zur Kundschaft in der Region aufrechtzuerhalten. Diese neuen digitalen Kundenkontakte bieten sich für die Etablierung von innovativen Vertriebsideen an, wie der Produktreservierung online und der späteren Abholung im Laden, was bei kleineren Geschäften bislang eher nicht üblich war.

    Wie macht es Helsinki?

    Die Skandinavier gelten allgemein als Vorreiter für die vernetzten Städte der Zukunft. In Helsinki baut man derzeit den Stadtteil Kalasatama um. Das Ziel ist eine intelligente und saubere Infrastruktur. Gegenwärtig leben 3000 Menschen in diesem Teil der Stadt. Bis zum Jahr 2035 sollen es etwa 25000 sein und etwa 10000 ihren Arbeitsplatz in unmittelbarer Nähe finden. Die Vision schließt ein, dass intelligente Dienste den Bürgern täglich eine Stunde zusätzliche Freizeit bringen mögen. Man will kurze Wege mit schneller Anbindung an die Innenstadt schaffen und mit verschiedenen Lösungen den Bewohnern den Alltag erleichtern. Beispielsweise wurde begonnen, den Müll über aus dem Boden ragende Röhren zu entsorgen. Dieses System mit dem für uns Deutsche lustig klingenden Namen "Rööri" transportiert den separat gesammelten Müll mittels Unterdruck durch unterirdisch verlegte Leitungen zu riesigen Containern unter einem Einkaufszentrum. Mülltonnen und die organisierte Abfuhr von den einzelnen Haushalten sollen damit wegfallen. Finnischen Medien ist zu entnehmen, dass  Helsinki „die erste Smart City der Welt werden will, die neue Technologien nicht nur erprobt, sondern sie im Alltag anwendet“. Eine vernetzte Haus- und Gebäude-Systemtechnik steuert Funktionen wie Heizung, Beleuchtung und Sicherheitstechnik flexibel und energieeffizient. Dafür hat der Stadtteil Kalasatama im Jahr 2018 einen Preis gewonnen, der für weltweit innovative und technisch fortgeschrittene Projekte auf dem Gebiet der Gebäudeautomation vergeben wird. Weitere Neuerungen umfassen unter anderem die lokale Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen sowie die Infrastruktur zur Unterstützung von Elektro-Fahrzeugen. Im öffentlichen Personenverkehr des Großraums Helsinki sind seit einiger Zeit Elektro-Busse im Einsatz. Die Innenstadt von Helsinki soll mit einem optimal gestalteten Verkehrssystem in den nächsten Jahren autofrei gemacht werden. Noch ist das mehr Zukunftsmusik als Realität, aber wer Finnland einmal besucht hat und sich von der bereits fortgeschrittenen Digitalisierung überzeugen konnte, wird an der Umsetzung der geplanten Vorhaben kaum zweifeln. Schon jetzt zeigt die Entwicklung Erfolg, beispielsweise in der Ansiedlung moderner Firmen und Investoren aus ganz Europa.

    Die Ritterkapelle in Haßfurt ist ein Meisterwerk des Architekten Carl Alexander Heideloff (1789 – 1865) und das Wahrzeichen der Kreisstadt.
    Die Ritterkapelle in Haßfurt ist ein Meisterwerk des Architekten Carl Alexander Heideloff (1789 – 1865) und das Wahrzeichen der Kreisstadt. Foto: Sabine Meißner/Archiv
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