Seit April 2003 dürfen 16- und 17-Jährige nach Mitternacht in Discos feiern, sofern sie einen volljährigen Erziehungsbeauftragten an ihrer Seite haben und das schriftliche Einverständnis der Eltern vorliegt. Sinn dieser Regelung, die in Paragraf 1 des Jugendschutzgesetzes steht, ist es, dass sich die Eltern die Person aussuchen sollen, der sie ihren Nachwuchs anvertrauen.
Eine 16-jährige Schülerin, die an den Wochenenden mal in der Unterpreppacher Disco oder im Hofheimer Ballhaus unterwegs ist, weiß, dass dies in der Praxis ganz anders gehandhabt wird. Ihre Eltern – und ähnlich ist es auch bei vielen ihrer Bekannten – würden das Formular zuhause blanko unterschreiben. „In den Discobussen suchen wir dann Ältere, die wir eintragen.“
Mit diesen Pro-Forma-Begleitern kommen sie in die Discos. Den Sicherheitskräften am Eingang interessiere nur, ob die Jugendlichen die Erlaubnis haben und jemand eingetragen ist. Ob die Eltern auch diese Begleitperson kennen und sie ihr auch vertrauen, prüfen die Türsteher nicht. „Nur, wenn sie sehen, dass noch jemand vor dem Eingang auf dem Zettel Eintragungen macht, zerreißen sie das Papier und schicken die Person nach Hause“, berichtet die Hofheimerin. In Unterpreppach würde das besonders streng gehandhabt werden. „Letztens hat eine nur ihr Geburtsdatum ergänzt. Die Security hat das gesehen und schon durfte sie nicht rein.“
„Manche Veranstalter erkennen die Erlaubnis gar nicht an.“
Adeline Friedrich, Leiterin des Jugendamts in Haßfurt
Den Jugendschützern ist der laxe Umgang mit den Erziehungsbeauftragungen nicht bekannt. Adelinde Friedrich, die Leiterin des Jugendamtes im Landratsamt Haßfurt, sagt: „Diese Praxis kenne ich nicht. Sie ist auch nicht zulässig“, sagt sie. Zumindest hat sie von der Polizei, die für die Jugendschutzkontrollen zuständig ist, nichts über einen häufigen Missbrauch oder Fälschung der Erlaubnisse gehört. „Das gibt's bei uns nicht“, sagt Kurt Förg, Polizeichef in Haßfurt auf Nachfrage.
Die Realität sieht anders aus. Und darin liegt auch das Problem des geänderten Jugendschutzparagrafen begründet. Die Korrektheit der Formulare ist kaum überprüfbar. Diskothekenbesitzer oder die Polizei müssten im Zweifel in jedem Einzelfall Rücksprache mit den Eltern halten. Eine andere Möglichkeit ist es, minderjährigen Besuchern von vorneherein den Zutritt zur Discothek oder zur Tanzveranstaltung zu verbieten.
„Manche Veranstalter erkennen die Erlaubnis gar nicht an“, sagt Adeline Friedrich. In manchen Schweinfurter Diskotheken dürfen unter 18-Jährige – Erlaubnis hin oder her – nur bis 0.30 Uhr bleiben. In Großstädten, wie München oder Nürnberg, ist der Zutritt zu vielen Clubs sowieso erst mit 18 Jahren möglich.
Im Jugendamt würden viele Eltern anrufen und sich über die Erziehungsbeauftragung informieren, so Adelinde Friedrich. Den besorgten Eltern werde dann mitgeteilt, dass die mit der Aufsicht betraute volljährige Person ihr Kind die ganze Zeit begleiten sollte, nicht betrunken sein darf und auch der Freund oder die Freundin nicht in Frage kommen, weil ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Auch die Rückkehrzeit der Kinder muss klar vereinbart werden. Weil so viele Eltern nachfragen würden, ist die Jugendamtschefin auch zuversichtlich, dass alles ordnungsgemäß laufe.
„Meine Eltern vertrauen mir“, sagt die 16-jährige Hofheimerin. „Sie geben mir die Unterschrift auf die Vollmacht, auch wenn dort noch niemand als Aufsichtsperson eingetragen ist.“ Und bei vielen meiner Freundinnen und Freunde läuft das ähnlich.
„Blankounterschriften der Eltern sind keine rechtmäßigen Erziehungsbeauftragungen.“
Adeline Friedrich
Wissen die Erwachsenen aber auch, dass sie dadurch eine Ordnungswidrigkeit begehen? „Blankounterschriften der Eltern mit nachträglichen Eintragungen der Jugendlichen sind keine rechtmäßigen Erziehungsbeauftragungen“, sagt Adeline Friedrich und daher könnten sie unter Umständen ein Bußgeld zur Folge haben. „Nicht beim ersten Mal. Da gibt es noch ein Gespräch mit den Eltern“, so die oberste Jugendschützerin im Landkreis. Im Wiederholungsfalle würde sich das Jugendamt aber nicht scheuen, eine Strafe zwischen 100 und 150 Euro zu erheben. Im schlimmsten Fall, so das Bayerische Landesjugendamt, könnten es bis zu 5000 Euro sein.
Vielleicht könnte aber auch eine geplante Änderung des Jugendschutzgesetzes dafür sorgen, dass der Schmu mit den Muttizetteln, wie Jugendliche die Disco-Vollmacht auch gerne nennen, bald aufhört. „Es ist im Gespräch, dass die Begleiter mindestes 25 Jahre alt sein sollen“, weiß Adelinde Friedrich. „Was?“, fragt die 16-Jährige aus Hofheim erschreckt nach. „25 – da geht doch keiner mehr in die Disco!“