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Keine Pelze mehr aus Haßfurt

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Keine Pelze mehr aus Haßfurt

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    Wehmut ist dabei: Thea und Karl Schweiger stehen vor ihren Pelzen, die viele Jahre ihr Lebensinhalt waren. Am
heutigen Montag beginnt in ihrem Pelz-Geschäft in Haßfurt der Räumungsverkauf.
    Wehmut ist dabei: Thea und Karl Schweiger stehen vor ihren Pelzen, die viele Jahre ihr Lebensinhalt waren. Am heutigen Montag beginnt in ihrem Pelz-Geschäft in Haßfurt der Räumungsverkauf. Foto: FOTO GERMAN SCHNEIDER

    "Beim Herannahen der kalten Jahreszeit", rät Hesiod, ein Dichter des 7. Jahrhunderts v. Chr., solle man "junge Zickelfelle mit Ochsensehnen zusammennähen und über die Schultern tragen und dazu eine gut passende Pelzmütze, den Pilos, aufsetzen". Pelze waren zunächst wärmendes Kleid für winterliche Tage. Später erfüllte dann die Pelzbekleidung gleichzeitig Bedürfnisse wie Schönheitssinn, Wärme und Schutz. 143 Jahre wurde in der Kreisstadt Haßfurt das Wort Pelz mit dem Namen Schweiger verbunden.

    1862 gründete der aus Oberbayern stammende Johan Schweiger sein Geschäft in der Hauptstraße. Pelzwaren, Mützen, Hüte und Schirme bot er den Bürgern aus Haßfurt und Umgebung an.

    Zeitsprung: Februar 2004 - Karl Schweiger (70) hat einen großen Stapel Briefe in der Hand. Aufgrund seiner großen Kundenkartei hat er seine treuen Stammkunden von Hamburg bis München angeschrieben. Die Nachricht ist schlicht: "Nach 143 Jahren wird das Fachgeschäft für Pelz- und Ledermoden aus Altersgründen geschlossen." Keiner seiner drei Söhne und seine Tochter wollten das Kürschner-Geschäft übernehmen. Ein Geschäft, das bei seiner Gründung im Jahre 1862 Furore machte, denn Johan Schweiger hatte mit einem Paukenschlag begonnen und erstmals in einem Schaufenster Pelze, Mützen und Hüte präsentiert.

    1919 übernahm der jüngste der zwölf Kinder, Ludwig Schweiger, das Unternehmen. Unter seiner Leitung ging es weiter aufwärts. 1935 erfolgte ein Umbau des Geschäftshauses, die Schaufenster wurden noch größer. Doch im zweiten Weltkrieg gab es für Pelze, Zylinder und Modisches keinen Bedarf mehr, zudem musste Ludwig Schweiger in den Krieg ziehen. Nach Kriegsende öffnete Ehefrau Anna Schweiger (Ludwig Schweiger war noch in Gefangenschaft) das Geschäft wieder. Karl Schweiger, das vorletzte der sieben Schweiger-Kinder entschloss sich in die Fußstapfen seines Vaters einzutreten und erlernte von 1950 bis 1954 in Bad Neustadt das Kürschnerhandwerk. Es folgten Gesellenjahre in drei Betrieben. 1957 stieg Karl Schweiger in das Unternehmen ein und legte ein Jahr später seine Meisterprüfung ab.

    Danach wurde das Pelzgeschäft intensiv betrieben. Aus dieser Zeit stammt folgende Episode: Karl arbeitete an einem Werktisch, der ihm aufgrund seiner Kenntnisse aus dem Kürschnerhandwerk zu klein erschien und bestellte kurzerhand einen doppelt so großen. Als Vater Ludwig dies sah, schlug er die Hände über den Kopf zusammen und prophezeite seinem Sohn die baldige Pleite.

    Er hatte sich gewaltig getäuscht. Karl Schweiger wurde ein Kürschnermeister mit viel Liebe und Leidenschaft zum Beruf. 90 Prozent seiner Modelle wurden von ihm entworfen und in der eigenen Werkstatt hergestellt. Bis zu 20 Mitarbeiter beschäftigte das Unternehmen in den 70er Jahren, der goldenen Zeit des Pelzes. Mehr als 30 Lehrlinge erhielten im Hause Schweiger ihre Ausbildung, die besten Ruf genoss. Sogar eine Bundessiegerin (Anja Marquard) und eine Landessiegerin (Annette Kraus) im Kürschnerhandwerk brachte das Unternehmen hervor.

    Und Karl Schweiger bekam viele Auszeichnungen, wobei die "Goldmedaille im Modellwettbewerb des deutschen Kürschnerhandwerks" für ihn den größten Wert darstellt. 1981 erfolgte der Umzug aus dem Stammhaus zwei Häuser weiter in die Hauptstraße 32. Dort übernahm Karl Schweiger die Räume des ehemaligen Textilhändlers Wolpert, unterhielt im Erdgeschoss sein Ladengeschäft und in den Obergeschossen die Werkstatt.

    Im Ursprungsgebäude wurde nun das Herrengeschäft Ludwig Schweiger allein betrieben. Für die Geschäftswelt in Haßfurt war die Firma Pelz+Leder Schweiger ein absoluter Gewinn, lockte doch der gute Ruf Kunden von weit her in die Stadt am Main. Nicht nur zum Kaufen kam die Kundschaft, auch der Service des Unternehmens ist hervorragend. Da gehören das Reinigen und die Sommeraufbewahrung der Pelze genauso dazu, wie Änderungen und Reparaturen.

    Übrigens, den Service will Karl Schweiger gemeinsam mit seiner Frau Thea auch weiterhin den Kunden anbieten, deshalb wird zunächst die Werkstatt mit dem Stammpersonal weiterarbeiten. Sohn Manfred, der bereits das Herrenmode-Geschäft im ursprünglichen Schweiger-Haus in der Hauptstraße 28 führt, wird im Pelzgeschäft seines Vaters ein Wäschegeschäft eröffnen.

    Ein leerstehendes Geschäft wird es also nicht geben. Trotzdem kommt Melancholie auf. Nach 143 Jahren wird das Kürschnerhandwerk in Haßfurt aussterben. Und was sagt Karl Schweiger: "Mit Siebzig ist es Zeit aufzuhören, ich habe meinen Beruf geliebt und viele Freunde über meine Arbeit gewonnen. Ein bisschen arbeiten will ich ja noch, deshalb werden wir den Service auch noch aufrecht erhalten." Sagt es und wird in den Laden gerufen. Stammkundschaft aus Schweinfurt ist da, die gar nicht begreifen kann, dass es Pelz+Leder Schweiger in vier Wochen nach dem totalen Räumungsverkauf nicht mehr geben wird.

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