Alle vier Kinder- und Jugendärzte aus Haßfurt wehren sich mit Plakaten und einer Unterschriftsaktion in ihren Praxen gegen den AOK-Vertrag mit den Hausärzten. „Der Vertrag berücksichtigt unserer Überzeugung nach nicht die medizinischen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen“, heißt es in dem Aufruf.
Der Stein ihres Anstoßes ist der Hausarztvertrag der AOK mit dem Bayerischen Hausärzteverband. Diesen Vertrag gibt es schon seit vier Jahren, aber zum 1. April soll er modifiziert werden und auch für Kinder und Jugendliche gelten. Dies würde nach Ansicht der Haßfurter Kinderärzte dazu führen, dass Kinder vermehrt von Hausärzten behandelt werden.
Das Hausarztmodell wurde von der AOK eingeführt, um kostspielige Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Die Patienten zahlen einmalig im Jahr zehn Euro Praxisgebühr (statt im Höchstfall viermal im Jahr) und verpflichten sich damit, bei allen Krankheiten erst einmal zum Hausarzt zu gehen. Der Hausarzt ist somit erster Ansprechpartner und er überweist dann Patienten zu Fachärzten, wenn es nötig ist.
Das Hausarztmodell habe sich bewährt, meint Wilfried Dusel, Direktor der AOK-Main-Rhön. Es sei gelungen, damit das „kostspielige Patienten-Hopping von Facharzt zu Facharzt“ zu verhindern. Aber auch die Qualität der Versorgung sei damit gestiegen, so Dusel, denn der Hausarzt könne die Patienten als „Lotse“ gleich zum richtigen Arzt schicken.
Ab 1. April ist eine Modifikation des Hausarztmodells geplant. Diese sieht vor, die Kinder in das Modell einzubeziehen. Grundsätzlich ist es so, dass Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre keine Praxisgebühren zahlen müssen. Daher müssten diese, auch wenn sie dem Haushaltsmodell beigetreten sind, keine Nachteile in Kauf nehmen, wenn sie gleich zum Kinderarzt gehen.
Dies bestätigen auch die Haßfurter Kinderärzte. Allerdings suggeriert das System ihrer Ansicht nach, dass der Besuch des Hausarztes nötig sei. Daher vermuten die Ärzte, dass viele Eltern mit ihren Kindern erst zum Hausarzt gehen. Sind die Kinder dann erstmal in der Hausarztpraxis, dann werde in vielen Fällen die Kinder gar nicht weiter vermittelt, sondern vom Hausarzt behandelt, obwohl dieser gar nicht der Spezialist dafür ist. „Wir Kinder- und Jugendärzte sind schließlich die Hausärzte für die Kinder“, meint Dr. Rein und Dr. Bergen verweist auf eine fünfjährige Facharztausbildung. Die Verlierer seien so die Kinderärzte.
Dr. Bergen sind auch Fälle bekannt, dass jetzt schon Hausärzte den Eltern suggerieren, dass sie ihre Kinder nicht mehr von einem Kinder- und Jugendarzt behandeln lassen dürften. „Das ist nicht nur unkollegial, sondern auch definitiv falsch.“
Für Dusel ist dies „Angstmacherei“. Er glaubt nicht, dass Hausärzte, wenn sie diagnostisch nicht mehr weiter wissen, die Patienten nicht an die Fachärzte verweisen. Dies sei nicht das Ziel der Krankenkasse. Es ginge bei der Einbindung der Kinder in das Hausarztmodell vor allem um Prävention, die auch der Hausarzt leisten könne. Dusel glaubt aber, dass die Kritik der Kinderärzte vor allem auf die Vergütung abzielt, denn mit der Bindung der Patienten sind Sondervergütungen verbunden, die die Hausärzte erhalten und die Dusel aufgrund der „Lotsenfunktion“ für gerechtfertigt hält.
Die Kinderärzte dagegen befürchten, dass bei knappen Budget ihr Anteil am Kuchen sinkt. Auch ärgern sie sich darüber, dass ihres Wissens der Bayerische Hausärzteverband Druck auf alle anderen Ersatz- und Betriebskrankenkassen ausübt, ebenfalls solche Verträge mit den Hausärzten abzuschließen.