"Gibt es noch Palmen?", fragt Paul Kunz. Der Neunjährige ist mit gerade dabei, einen Garten aus Lego zu bauen. Aber nicht irgendeinen Garten, sondern den Garten Gethsemane. Der Bibel zufolge ist dieser Schauplatz der Passionsgeschichte Jesu. Denn Paul sitzt nicht zu Hause in seinem Zimmer, wo er mit den kleinen, bunten Steinen aus Plastik spielt. Er steht mit fünf anderen Kindern – alle im Alter von sieben bis zehn Jahren – an einem Tisch im evangelischen Gemeinderaum im Schwarzen Adler in Westheim.
Der Grund: Die Glaubensgemeinde Westheim/Eschenau hat eine durchaus kuriose Idee, zumindest für Kirchenverhältnisse. Sie baut einen öffentlich begehbaren Kreuzweg aus Lego, sieben Stationen soll er haben und von der Jakobi-Kirche in Westheim nach Eschenau zur Dreifaltigkeitskirche führen. Und Pauls Werk? Das soll Teil des Ganzen werden.
Sechs kreative Jungarchitekten am Werk
Für die sechs kreativen Architekten ist das Projekt mit viel Spaß verbunden: "Ich kann meiner Fantasie freien Lauf lassen und bauen, was ich will", erzählt Paul. Den Garten Gethsemane baut der Neunjährige aus Unterschleichach gemeinsam mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Emil. Julius Kröner aus Oberschleichach ergänzt: "Cool, dass es so viele schöne Steine gibt, die alle gut miteinander halten." Auch die anderen Kinder – Paul Reitz aus Donnersdorf sowie Johannes Heinrich und Valentin Lorenz aus Knetzgau – stimmen mit ein: "Wir haben unendliche Möglichkeiten und können immer etwas Neues entdecken."

Aber wie passt ein Kreuzweg aus Lego überhaupt zum nach außen hin konservativen Bild von Kirche? Vera Braun, unter deren Aufsicht gerade gebaut wird, ist Kirchenvorsteherin. Sie überlegt kurz und sagt dann: "Legosteine sind unverwüstlich und haben einen bleibenden Wert." Außerdem sei der Stein ein wichtiges biblisches Symbol. Doch die Kirchengemeinde verfolgt mit ihrem Projekt auch ein klares Ziel: "Es ist ein Versuch, junges Publikum zu erreichen", sagt Braun, die sich seit zwölf Jahren ehrenamtlich im Team des Familiengottesdienstes engagiert.
"Es ist ein Versuch, junges Publikum zu erreichen."
Vera Braun, Kirchenvorsteherin
Dass vor Ort noch mehr getan werden muss, um den Nachwuchs an die Kirche zu binden und so ein Ausbluten der Glaubensgemeinden zu verhindern, zeigen die Austrittszahlen aus dem vergangenen Jahr. Demnach verließen 2022 rund 380.000 Mitglieder die Evangelische Kirche in Deutschland – so viele wie niemals zuvor. Der Katholischen Kirche geht es dabei noch deutlich schlechter (2022: 522.821 Austritte).
Es gebe eine neue Ausrichtung der Kirchengemeinde auf die Familienarbeit, erklärt Vera Braun, während die sechs Jungs einen Legostein auf den anderen setzen. Dafür sei sie seit Januar als Ansprechpartnerin für Familien fest in der Kirchengemeinde angestellt. Es werde im Rahmen der neuen Ausrichtung darauf geachtet, einmal im Monat einen Familiengottesdienst anzubieten, erklärt Braun weiter. Außerdem gebe es regelmäßige Angebote, beginnend ab dem Babyalter. Und dazu zähle auch das Bauen eines Kreuzwegs aus Legosteinen.

Die Idee, den Leidensweg Jesu Christi aus den bunten Steinen nachzubauen, kommt dabei nicht von ungefähr. Vor drei Jahren hatte der ökumenische Verein "Bibelwelten" Haßfurt, in dem auch Vera Braun sich engagiert, ein ähnliches Projekt ins Leben gerufen. Der alljährliche Ostergarten wurde vor drei Jahren erstmals aus Legobausteinen nachgestellt, coronabedingt nicht im Unteren Turm in Haßfurt, sondern verteilt auf die Schaufenster der Haßfurter Geschäftswelt. Initiiert hatten den Lego-Ostergarten damals die Westheimer Pfarrerin Doris Otminghaus und die Religionspädagogin Angelika Reinhart.
Drei Stationen sind bereits fertig
"Der Zuspruch vor drei Jahren war sehr groß", erinnert sich Vera Braun. Damals waren die Elemente für den Ostergarten aus Legosteinen nur ausgeliehen, da die Zeit zum Selberbauen zu kurz gewesen sei. Da der Gedanke weiterhin präsent war, setze die Kirchengemeinde Westheim/Eschenau nun die Idee mit dem Kreuzweg um.
Über 7000 Legosteine hat die Kirchengemeinde im Internet bestellt, teilweise gebraucht, aber auch neue. Die Kinder bauen die einzelnen Stationen auf Platten von 50 mal 50 Zentimetern. Die Vorgabe für die Höhe der Lego-Kunstwerke liegt bei 30 Zentimeter, damit sie hinter Glasvitrinen gut sichtbar präsentiert werden können.

Der Anfang jedenfalls ist gemacht: Die sechs Jungen haben drei Stationen des Kreuzwegs errichtet: Garten Gethsemane, das letzte Abendmahl und die Grablegung. Die weiteren Stationen – Einzug in Jerusalem, Verhör vor Pilatus, Kreuzigung und Auferstehung – sollen in "Heimarbeit" von anderen Kindern gebaut werden. Ziel sei es, verschiedene Gruppen innerhalb der Kirchengemeinde zu motivieren und junge Familien mit ins Boot zu nehmen.
Geplant ist dann ein Weg, der von der Jakobi-Kirche in Westheim über mehrere Stationen bis zur Dreifaltigkeits-Kirche in Eschenau abgelaufen wird. Die Eröffnung findet im Rahmen eines Familien-Gottesdienstes am Sonntag, 10. September, um 10 Uhr in der Jakobi-Kirche in Westheim statt.
