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HASSBERGKREIS: Leichte Schläge auf den Hinterkopf...

HASSBERGKREIS

Leichte Schläge auf den Hinterkopf...

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    „Früher gab's so etwas nicht“, „Früher hätte ich auf die Finger bekommen“, hört man oft aus den Reihen der älteren Generation, die sich mit wachsender Respektlosigkeit der heutigen Jugend konfrontiert sieht. Langeweile? Das kannten die heutigen Senioren in ihrer Kindheit nicht. Um herauszufinden, woher dieser Wandel kommt, haben wir Personen verschiedener Generationen sowie Experten zum Thema Erziehung befragt und dazu, was bei dieser komplexen Aufgabe alles schiefgehen kann.

    „Ich bin immer gerne in die Schule gegangen“, sagt die 90-jährige Franziska Pfennig, Bewohnerin des AWO-Heims Knetzgau. Damals sei alles noch etwas anders abgelaufen als heute. Es herrschte „Zucht und Ordnung“. Hat ein Schüler zum Beispiel kurze Ärmel getragen, hätte es Schläge auf die entblößten Arme gegeben, erzählt die Sanderin. Jeden Sonntag seien die Kinder mit ihren Familien in die Kirche gegangen. Danach stand die Sonntagsschule an und nachmittags der Rosenkranz.

    „Mir hat das Leben gefallen“, sagt Franziska Pfennig. Sie hat schon neben der Schule als Kindermädchen gearbeitet. Nach ihrer Schulzeit sei sie im Alter von 13 Jahren in den während der Kriegszeit verpflichtenden Dienst „In Stellung“ gekommen als Zimmer- und Küchenmädchen. Nach dem Dienst habe sie sich immer um eine Verdienstmöglichkeit gekümmert, sie habe als Weißnäherin gearbeitet, geputzt oder gekocht. „Ich habe alles gerne gemacht“, erinnert sie sich. Kam ein Kind nach dem abendlichen Gebet in der Kirche nicht sofort nach Hause, gab es eine Rügenstrafe. Aber das fanden die Kinder damals nicht schlimm. „Es war eben so und wir waren es gewohnt“, meint die 92-Jährige.

    Etwas anders sah das Leben in der Stadt aus, erzählt die 94-jährige Theodora Baumgärtner. Sie kam nach der Volksschule in die sogenannte höhere Klasse. Der Schulalltag habe ihr sehr gut gefallen, erzählt die Seniorin, obwohl auch in ihrer Schule Schläge mit dem Stock erlaubt waren. „Wir hatten immer eine große Freude in der Schule“, erinnert sie sich. Nach der Schule fing sie eine Lehre als Hutmacherin an und wohnte während der gesamten Ausbildungszeit bei der Familie ihres Lehrmeisters. In ihrer Freizeit sei sie mit den Töchtern der Familie Fahrrad oder Ski gefahren.

    „Ich glaube mit Güte, Bitten und Verständnis kommt man weiter als mit Schlägen“, sagt die 82-Jährige Eva Witt. Sie stammt aus Weiden in der Oberpfalz. Wenn sie an ihre Schulzeit zurückdenkt, erinnert sie sich an den Lehrer, der „alles bestimmt hat“ und wenn die Schüler nicht folgen wollten, habe es „Rügen gegeben“. Auch böse Kommentare des Lehrers waren damals gang und gäbe. Nach der Schule musste sie im Haushalt helfen und falls jemand nicht gehorchen wollte, sei das unliebsame Kind geschlagen oder eingesperrt worden, manchmal sogar im Keller. Sie selber sei von diesen Strafen jedoch weitestgehend ausgeschlossen gewesen, denn sie hatte immer geholfen, meint Eva Witt. Ebenso wie Theodora Baumgärtner absolvierte sie eine Ausbildung. Sie ist Zahnarzthelferin.

    Im Jahr 1949 wurde die Prügelstrafe in der DDR verboten; im Jahr 1973 in der Bundesrepublik außer in Bayern. Der Freistaat schloss sich dem Verbot erst sieben Jahre später an. Einige Vertreter der älteren Generation sind noch heute der Auffassung, dass Kinder nur durch körperliche Züchtigung zu anständigen Menschen erzogen werden könnten. Das mag wohl an ihren eigenen Kindheitserfahrungen liegen, denn „jeder erzieht stückweit so, wie er es von zu Hause gewohnt ist“, meint auch die 19-jährige Kinderpflegerin Anna aus Knetzgau. Die Anwendung der Erziehung, wie sie am Anfang des 20. Jahrhunderts üblich war, hat schrittweise abgenommen. Die Bedrohlichkeit, unter der die damalige Erziehung stand, hat gewiss einen Teil dazu beigetragen, dass sich die jungen Leute den autoritären Erziehern untergeordnet haben. Doch was ist dran, an der Behauptung, dass Erziehung ohne Prügel nicht möglich sei?

    „Grenzen sind notwendig. Wenn man Kindern keine Grenzen aufzeigt, tanzen sie einem schnell auf der Nase herum und werden respektlos“, sagt Anna. Sie merkt bei ihrer Arbeit im Kindergarten sofort, welche Kinder zu Hause die volle Freiheit haben. Deshalb plädiert sie für ein gesundes Maß an Strenge und Freiheit. Mit der Erziehungshaltung ihrer Eltern sei sie größtenteils zufrieden. „Ich habe alle wichtigen Werte vermittelt bekommen“, erklärt die 19-Jährige „Ich war aber immer ein ängstliches Kind. Meine Eltern hätten mein Selbstbewusstsein stärken können.“

    Wie das funktioniert, erklärt Sozialpädagoge Gerhard Lutz, Stellenleiter der Beratungsstelle für Familien bei der Caritas, anhand eines Beispiels. Wenn ein Kind zum ersten Mal Treppen steigen möchte, aber noch unsicher beim Laufen ist, solle man ihm zeigen, wie es geht, sich schützend danebenstellen und dem Schützling zeigen, dass es die Treppe auch auf allen Vieren besteigen kann. Durch solch ein stützendes, förderliches Verhalten der Eltern werde dem Kind Sicherheit und Selbstbewusstsein verliehen.

    Neben zu lockerer Erziehung können auch Überbehütung und viele Verbote zu Fehlverhalten der Heranwachsenden führen, glaubt Franziska Böhm aus Knetzgau. „Wenn Kindern und Jugendlichen zu viel verboten wird, machen sie genau das erst recht. Und dann richtig“, hat sie beobachtet. „Sie können sich auch ausgegrenzt fühlen, wenn sie Sachen nicht dürfen, die allen anderen erlaubt sind.“ Zu lockere Erziehung sieht sie ebenfalls als schädlich: „Kinder, die zu locker erzogen werden, können respektlos, vorlaut und unhöflich werden. Damit schießen sie sich selbst ein Eigentor, denn wenn sie im Zusammenleben mit anderen respektlos sind, werden sie gemieden, was im Endeffekt zu sozialer Unzufriedenheit führt.“

    Wo früher Prügelstrafen für Gehorsam sorgten, sehen die Erwachsenen heute häufig über das Fehlverhalten ihrer Sprösslinge hinweg. Sozialpädagoge Gerhard Lutz nennt, was positiv für die Kindesentwicklung ist. Heute versuche man, den Eltern einen fördernden, kooperativen, respektvollen Erziehungsstil nahezulegen, denn Kinder sollen Freiheiten genießen dürfen, jedoch mit Grenzsetzungen. So würden die Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit Selbstwertgefühl, einen eigenen Willen, Respekt und Akzeptanz von Regeln und Grenzen erlernen. Des Weiteren würden sie zur Kooperation mit Mitmenschen und Verantwortung befähigt. Der Erwachsene soll dabei ein gewisser Lenker sein.

    Die Erziehungsaufgaben heute seien schwieriger als früher, denn die Eltern müssen häufig reflektieren, was im Moment notwendig ist, und sie müssen auf die Wahrnehmung des Kindes achten. Auch am Anfang des 20. Jahrhunderts habe man versucht, Kinder zu fördern, jedoch sei man dem Kind autoritärer begegnet und Erziehung habe unter dem Aspekt Strafe stattgefunden, heute spreche man eher von Konsequenzen. Außerdem nennt Gerhard Lutz eine extreme Erziehungshaltung den Laissez-faire-Erziehungsstil. Hierbei werden dem Kind Freiheiten ohne jegliche Grenzsetzung gewährt. Davon sei man heute völlig abgekommen, da ein Kind Orientierungshilfen braucht, damit es lernt, sich in der Gesellschaft zu bewegen und nicht irgendwo anzustoßen.

    Auf die Frage, welche Gefahren eine zu strenge Erziehungshaltung in sich birgt, meint der Sozialpädagoge, dass die Entwicklung eines freien Willens, des Verantwortungsgefühls, der Selbstständigkeit, der Entschlussfähigkeit und der Eigeninitiative erschwert oder sogar verhindert werden könne. Auch das Selbstbewusstsein leide unter so einem Erziehungsstil. Ebenso sei die Entwicklung einer Protesthaltung möglich. Die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen ist zum Teil auch genetisch bestimmt. So wirken sich unterschiedliche Erziehungsmethoden verschieden aus, vermutet der 32-jährige Industriemechaniker Michael Hetzel aus Knetzgau. Neben dem Einfluss der Eltern seien auch andere Personen prägend. „Eltern von Freunden, Paten aber auch fremde Personen können einen Denkanstoß geben.“

    Sicherlich ist die Lockerung der Erziehung Grund für Fälle von ungezogenen Jugendlichen, aber andererseits hat die Abwendung von der rein autoritären Erziehung auch ihre Vorteile, denn so werden die Kindern für das Leben als Erwachsene in der modernen Welt gut vorbereitet. Die heutige Zeit ist gekennzeichnet von Dynamik, einer großen Menge an Möglichkeiten, Gleichstellung der Geschlechter und Internationalität. Deshalb ist es wichtig, junge Menschen zu selbstbewussten, willensstarken und entscheidungsfähigen Menschen zu erziehen.

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