Das Anker-Zentrum für Asylbewerber bleibt ein Stachel im Fleisch vieler Bamberger. So macht die „Mahnwache Asyl“, ein Zusammenschluss verschiedener flüchtlingsfreundlicher Initiativen, seit nunmehr vier Jahren öffentlich auf tatsächliche oder vermeintliche Missstände in der Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 1500 Menschen, derzeit sind es rund 880, aufmerksam.
So auch am Montagabend auf dem Maxplatz, wo etwa 50 zumeist Gleichgesinnte, darunter drei Stadträtinnen der Grünen und der evangelische Dekan Hans-Martin Lechner, den Ausführungen der Redner aufmerksam zuhörten. „Bamberg ist kein Vorzeigezentrum, wie lange dargestellt“, rief Pfarrerin Mirjam Elsel ihnen zu. Die Koordinatorin für die Flüchtlingsarbeit im Dekanatsbezirk Bamberg lieferte auch gleich die Begründung: In vielen Bereichen wie etwa dem Zugang zu Asylsozialberatung, Kinderbetreuung und Sicherheit der Bewohner schneide Bamberg im bayernweiten Vergleich sehr schlecht ab. Die Bewohner hätten kaum Kontakt zur Bevölkerung: „Stacheldraht um das Anker-Zentrum schüren Vorurteile“, beklagte die Pfarrerin.
Ursula Sowa fordert kleine dezentrale Unterkünfte
Anker-Zentren generell würden die Integration verhindern sowie neue Probleme und Konfliktpotentiale schaffen, seien kostenintensiv und beeinflussten die gesellschaftliche Haltung gegenüber Geflüchteten negativ, so Elsel. „Wir wollen dezentrale Orte schaffen, an dem Flüchtlinge geschützt sind und nicht zerbrechen.“ Und: „Wir sind offen für Flüchtlinge.“
Landtagsabgeordnete und Stadträtin Ursula Sowa (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an die seitens der bayerischen Staatsregierung vertraglich zugesicherte maximale Laufzeit von zehn Jahren für das Anker-Zentrum. Sowa berichtete von fraktionsübergreifenden Gesprächen mit Innenminister Joachim Herrmann (CSU), die „unbefriedigend verlaufen sind“, da er die Schließung der Einrichtung 2025 nicht konkret versprochen habe.
Für die Politikerin Sowa sind Anker-Zentren „eine Fehleinrichtung und Verwahranstalt, unmenschlich und in eine Schieflage geraten“. Sie forderte „kleine dezentrale Unterkünfte“: „Bis 2025 ist genügend Zeit, im großen Bayern solche zu schaffen“, meinte Sowa.
Zweiter Bürgermeister kritisiert Unterbringung
Auch Zweiter Bürgermeister Jonas Glüsenkamp (Grünes Bamberg) kritisierte die Unterbringung von Flüchtlingen in Anker-Zentren. Diese hätten „nicht nur in Bamberg keinen Platz, sondern in ganz Bayern nicht. Ich halte das System für grundfalsch.“ Glüsenkamp favorisierte für den Freistaat eine „gesamtpolitische Lösung“ und kein „Verschieben nach dem Sankt-Florians-Prinzip“: Wenn in Bamberg das Zentrum geschlossen werden würde, dürfe es nicht in Bayreuth oder sonst wo aufgemacht werden“. Diese Ablehnung bedeute jedoch nicht, „dass die Stadt Bamberg keine Flüchtlinge haben will“, betonte der Bürgermeister und ergänzte: „Flüchtlingsunterbringung in Bamberg ja, aber nicht in dieser Form.“
Gebraucht werde jetzt eine „laute, starke Zivilgesellschaft, die Kirchen, die Missstände im Anker aufzeigen“, so Glüsenkamp. Denn „der Oberbürgermeister, die Bürgermeister und Stadträte schaffen es nicht allein.“

Mehrab Zarei, der vor drei Jahren aus dem Iran flüchtete und elf Monate als Asylbewerber im Bamberger Anker-Zentrum lebte, schilderte seine „nicht guten Erfahrungen mit dieser Einrichtung“. Zarei, der derzeit eine Ausbildung im evangelischen Kirchengemeindeamt absolviert, führte besonders die fehlenden Küchen in den einzelnen Wohnungen an sowie das Gefühl der Unsicherheit, dass alle Bewohner beherrsche. Der junge Mann lobte aber auch die „netten Leute, die ich in Bamberg kennen gelernt habe“.
Laut Innenminister haben sich die Einrichtungen bewährt
Musiker Karlheinz Busch griff das viele Gesagte mit wehmütigen Tönen auf, die er seinem Cello in freier Improvisation entlockte. Der ehemalige Bamberger Symphoniker brachte den Maxplatz zum Klingen.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann wird im fernen München diese Melodien nicht gehört haben. Diese Redaktion konfrontierte ihn jedoch mit den Protesten der „Mahnwache Asyl“. Der Minister reagierte ruhig und entgegnete. „Den Rechten der Asylbewerber wird im Anker in vollem Umfang Rechnung getragen.“ Durch die schnellere Gewissheit über die individuelle Bleibeperspektive sei eine „zielgerichtete Unterstützung möglich“, so Herrmann.
Bei einer positiven Bleibeperspektive würden die Förderangebote zur Integration wie beispielsweise Beratungsleistungen und Vermittlungen der Bundesagentur für Arbeit bereits in der Anker-Einrichtung einsetzen, bei unklarer Perspektive fördere das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Erstorientierungskurse. Der Innenminister erklärte, dass „durch die beschleunigte Klarheit über die individuelle Bleibeperspektive auch die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit positiv beeinflusst wird“, da hierdurch ein Verständnis für die weiteren Schritte entstehe. „Die Einrichtung der Anker hat sich in Bayern bewährt“, meinte Herrmann.
Antwort von Innenminister Herrmann
Auf die Frage, ob es bei der bisher an die Stadt Bamberg gegebene Zusage, das Anker-Zentrum bis 2025 zu schließen, bleibe, antwortete der Innenminister wörtlich so: „Selbstverständlich steht die Staatsregierung zu der Vereinbarung aus dem Jahr 2015. Der Anker Bamberg ist, wie jeder andere Anker für sich genommen auch, in seinem derzeitigen Umfang eine tragende Säule des bayerischen Anker-Systems. Die Zugänge in den letzten Jahren wie auch die Erfahrungen in der Pandemie zeigen, dass die Plätze in den Ankern insgesamt bedarfsnotwendig sind. Niemand kann aber im Moment eine seriöse Aussage darüber treffen, in welchem Umfang in vier Jahren Kapazitäten benötigt werden. Ob also auf die Kapazität des Ankers Bamberg verzichtet werden kann oder etwaige Kapazitäten andernorts geschaffen werden können, wird erst 2024 zu entscheiden sein.“