Im Zusammenhang mit Diktaturen und Unrechtssystemen ist oft der Satz zu hören: „Es war nicht alles schlecht!“ Genau gegen diese Verklärung der Vergangenheit wendete sich ein Vortrag, den Referent Thomas Lukow am Mittwochabend im Altstadthotel in Haßfurt hielt. Zum 25-jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit sprach er im Rahmen einer Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung über das Thema „Die DDR – Mythos und Wirklichkeit“. Seine Grundaussage lässt sich zusammenfassen: „Es war nicht alles gut!“
„Beim Mauerfall war ich gerade drei Jahre alt, ich kenne die DDR nur aus dem Geschichtsunterricht“, sagte CSU-Ortsvorsitzende Sandra Grimm zur Begrüßung und zählte einige ihr bekannte Aussagen über die Deutsche Demokratische Republik auf. „Jeder hatte einen Job, aber den Beruf konnte man sich nicht aussuchen“, war einer davon, ebenso wie „Alle waren gleich reich“ oder „In den Restaurants war immer das Essen aus“. Dann meinte sie: „Mal sehen, ob meine Geschichtslehrer gute Arbeit geleistet haben oder ob ich mir nur Mythen gemerkt habe.“
Lukow, der selbst in der DDR aufgewachsen war, sprach zu Beginn seines Vortrags über Umfragen bei Schülern zur deutsch-deutschen Geschichte, die „erschreckende Ergebnisse“ gezeigt hätten. So hätten nur wenige Schüler die Frage beantworten können, welcher Partei Konrad Adenauer angehörte. Viele hätten „SED“ geantwortet, manchen sei der Name Adenauer gänzlich unbekannt gewesen, sagte Lukow.
Im weiteren Verlauf versuchte der Referent vor allem, Mythen über die DDR zu entzaubern. So berichtete er, durch einen übertrieben großen Parteiapparat, eine im Vergleich zur Größe des Landes riesige Armee und Polizei sowie die große Zahl an Stasi-Mitarbeitern hätte die Zahl an männlichen Arbeitskräften nicht ausgereicht. „Die Frauen wurden gebraucht. Das wird jetzt verklärt zur Emanzipation“, meinte der Referent. Allerdings habe es in der DDR kaum Frauen in Führungspositionen gegeben, diese seien fest in Männerhand gewesen. Dann ging Lukow auf die Kinderkrippen ein, die nötig waren, damit beide Elternteile arbeiten konnten. „Die werden heute immer hervorgehoben“, sagte er, betonte aber, dass diese Horte vor allem den Einfluss des Staates auf die Kinder verstärkt hätte. „Die Individualität wurde ihnen dort aberzogen“, sagte Lukow. Um das zu verdeutlichen, zeigte der Referent Bilder, auf denen beispielsweise Kinder bei einem Besuch bei Grenzsoldaten zu sehen waren, oder Kinderpanzer, die mit echten Automotoren betrieben wurden, um schon bei den Kleinsten eine Begeisterung fürs Militär zu wecken. „Die Leute haben zwölf Jahre auf ihr Auto gewartet und trotzdem wurden hier die Motoren verbaut“, klagte er an, dass für Propagandazwecke dringend nötiges Material verschwendet wurde. Auch in anderen Zusammenhängen kritisierte Lukow, wie Arbeit und Material an den falschen Stellen verschleudert wurde. So habe der Mauerbau nicht nur die Freiheit der Menschen eingeschränkt. Er sei auch dafür verantwortlich, dass nötige Straßen- und Häuserrenovierungen nicht erfolgen konnten, da Arbeitskräfte und Baustoffe fehlten.
Viel Raum in Lukows Vortrag nahm die Frage ein, warum sich so viele Menschen die undemokratische Politik und die Zustände in der DDR gefallen ließen. Dabei zog er Vergleiche zu Sekten. So hätten die Bürger Ostdeutschlands zwar über Karikaturen in der Satirezeitschrift „Eulenspiegel“ gelacht und gesagt „Endlich sagt?s mal einer“. Doch auf die Idee, etwas zu ändern, sei kaum jemand gekommen. Wie gut Propaganda und Indoktrination funktioniert hätten, verdeutlichte Lukow an einem Beispiel: „Erzählen Sie mal einen Trabbi-Witz! Junge Leute, die die DDR selbst nicht mehr erlebt haben, fühlen sich davon beleidigt“, sagte er über die ostdeutsche Jugend von heute. Das zeige, dass es immer noch eine Identifikation mit dem nicht mehr existierenden Staat gebe. Wie weit die Identifikation mit dem Staat und seiner Regierung ging, komme auch im Lied „Die Partei hat immer Recht“ zum Ausdruck.
Wie tief der Staat in das Leben der Menschen eingriff, zeigten auch die Geschichten einiger Sportlerinnen, die Lukow wiedergab. Deren Körper wurden mit Doping-Mitteln und männlichen Hormonen zerstört. Natürlich hätten auch westliche Sportler solche Mittel eingesetzt und auch das sei schlimm. Der entscheidende Unterschied sei aber, dass es im Westen letztlich die Entscheidung des einzelnen Sportlers gewesen sei, ob er seinem Körper so etwas antun wollte, während im Osten ein Staatsprogramm dahinter steckte.
Auch wenn bei den Veranstaltungen parteinaher Stiftungen keine Werbung für die jeweilige Partei gemacht werden soll, ließ der Referent doch an einigen Stellen seine eigenen Überzeugungen durchblicken. Scharfe Kritik übte Lukow an der Linkspartei als Nachfolgeorganisation der SED. „Es ist erschreckend, dass die Verantwortlichen von damals jetzt im Bundestag sitzen“, sagte er und sprach von Geschichtsvergessenheit. Außerdem lobte er Franz-Josef Strauß, der zwar der DDR einen Milliardenkredit vermittelt, im Gegenzug aber auch Forderungen gestellt habe. Als negatives Gegenbeispiel nannte er Willy Brandt, der bei seinen Zugeständnissen die Chance verpasst habe, eine Gegenleistung herauszuholen. Zudem gab es Seitenhiebe in Richtung der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, beispielsweise als Lukow die SED in der DDR als „realitätsfremd“ bezeichnete und anfügte: „So wie auch die heutige Bundesregierung.“