Von Birnen über Äpfel bis hin zu Zwetschgen und Kirschen: Der Verlauf der ersten Jahreshälfte versüßt vielen Obstbauern die Erntezeit. Die warmen Temperaturen, nach dem späten Wintereinbruch im Februar, begünstigten die Blütenbildung und einen reichen Fruchtbehang. Doch der ausbleibende Niederschlag und ein aktuell eintretendes Phänomen stoßen bitter auf: ganze Äste, mit oder ohne Fruchtbehang, brechen plötzlich ab.
Dennoch sagt Guntram Ulsamer, Geschäftsführer des Kreisverbands für Gartenbau und Landespflege Haßberge: „Es ist ein sehr, sehr gutes Jahr – eines der besten Ertragsjahre.“ Die Witterungsverhältnisse seien gut gewesen, doch die trockenen Tage machen den Obstbauern Sorgen. Die Vielfalt der Sorten sieht UIsamer aber nicht bedroht: „Die Bestände leiden nicht groß, langfristig könnte es aber Probleme geben.“ 50 bis 70 Jahre alte Bäume sind robust, doch jüngere kämpfen gegen Veränderungen an.
Fast jeder Baum auf den Obstwiesen von Robert Lauer, Fachkraft für Naturschutz des Landratsamts Haßberge, trägt dieses Jahr Früchte. Birnen, Zwetschgen, Kirschen und Äpfel blühten laut dem Obstliebhaber sogar gleichzeitig. Der Baum- und Strauchbestand von Lauer liegt in Altenmünster bei Stadtlauringen (Lkr. Schweinfurt). Seine Ernte fasst er mit den Worten „viel Masse und vor allem hagelbedingt wenig Klasse“ zusammen.
Verminderte Fruchtgröße
Alois Endres, Besitzer des Weikihofs in Zell, beurteilt seine eigene Ausbeute kurz und knapp mit „normal“: Der Obstbauer schätzt den Ertrag auf etwa 80 Prozent, die Zahl sei der verminderten Fruchtgröße geschuldet. Das Obst hängt zwar reichlich an den Bäumen, der ausbleibende Regen hemmte jedoch dessen Wachstum. Die Ernte sei aber laut Endres bei weitem besser als vergangenes Jahr, als der starke Frost fast 90 Prozent der Früchte vernichtete.
Die zahlreichen heißen Tage in diesem Jahr läuteten den Erntezeitpunkt vieler Obstsorten früher ein, bestätigt auch Robert Lauer: „Bereits in der zweiten Juniwoche war ich mit der Ernte der früheren Kirschensorten beschäftigt.“ Er fügt an: „Auch bei den anderen Obstarten hat sich die Ernte um zwei Wochen nach vorne verschoben.“
„Die Bäume standen sehr schnell im Saft“, erklärt Lauer, der den Obstbaumschnitt und die Veredelung – dabei werden unterschiedliche Pflanzenteile zusammengesetzt – unmittelbar hintereinander ausführte. Der Zeitpunkt der Winterruhe und der Beginn der Vegetation lagen demnach sehr nah beieinander. Er führt aus: „Die Entwicklung war dem letzten Jahr, das auch schon deutlich vor dem langjährigen Mittel lag, um circa zwei Wochen voraus.“
Ulsamer kündigt an, dass die vorverlegte Ernte den Termin der Streuobst-Exkursion beeinflussen könnte. In der Vergangenheit trafen sich Interessierte Anfang Oktober, um unter fachkundiger Leitung mehr über die verschiedenen Obstsorten zu erfahren. Erstmals muss die Veranstaltung womöglich zwei Wochen früher stattfinden, da sonst kein Obst mehr an den Bäumen hängen könnte.
Unreifes Fallobst
Kleineres Obst und ein früherer Erntezeitpunkt sind allerdings nicht die einzigen Folge, die der heiße Sommer mit sich bringt. „Die Früchte liegen zum Teil unreif am Boden“, sagt Ulsamer. Der Fachmann spricht von Notreife: Die Bäume werfen unreife Früchte ab, weil diese nicht ausreichend bewässert werden. „Das ist eine Schutzreaktion des Baumes, der sich nicht verausgaben will“, erklärt der Geschäftsführer des Kreisverbandes. Diese Früchte seien im Vergleich nicht so süß und fruchtig wie andere.
Den diesjährigen Ertrag für den Weikihof hätte auch Endres nur mittels einer zusätzlichen Bewässerung erzielt und veranschaulicht: „Die Wiesen bleiben braun – wie Asche. Das Problem ist zu wenig Regen, um einigermaßen eine Fruchtgröße zu erreichen: Ohne Wasser, keine Reife.“ Der Hitze kann Endres nur eines abgewinnen: „Das einzig Positive ist, dass die Kirschessigfliege ausbleibt.“ Die Fliege ist laut dem Obstbauer seit etwa fünf bis sechs Jahren in der Region heimisch und verursachte bereits in der Vergangenheit große Fruchtschäden.
Doch die Bäume und Früchte bleiben nicht von allen Schädlingen verschont: Lauer spricht von einem sehr hohen Schädlingsbefall. Vor allem seien es Apfelwickler, die ihm Sorgen bereiten. Die Schmetterlingsart frisst sich noch als Raupe, erkennbar an dem weißlichen Körper und schwarzen Kopf, durch verschiedene Obstsorten. Neben dem Apfelwickler sei in diesem Sommer auch der Frostspanner häufig. Die Raupen richten Schaden an, indem sie die Blätter eines Baums befallen – bis zum Kahlfraß.
Herabstürzende Äste
Mit den heißen Tagen tritt ein Phänomen auf, das auch für Menschen gefährlich werden kann: die sogenannten Grünastbrüche. Durch eine erhöhte Temperatur der Astoberfläche leidet die Elastizität der Holzfasern. Dabei geben meist waagrecht stehende Äste nach – mit oder ohne Fruchtbehang. In Regensburg bleibt deshalb der Dörnbergpark bis Herbst geschlossen und viele Städte warnen die Bewohner vor der Gefahr von oben.
Guntram Ulsamer sind aktuell keine Grünastbrüche bekannt – Alois Endres ebenfalls nicht. Doch der Obstliebhaber Robert Lauer berichtet: „Ich habe an einigen Bäumen Probleme mit Astabbrüchen bekommen. Das Holz ist offenbar durch die große Trockenheit und Hitze nicht mehr elastisch genug und bricht.“
Obwohl Lauer bereits im Winter mit entsprechenden Schnittmaßnahmen die Obstbäume entlastete, gaben ohne größere Sturmereignisse einige augenscheinlich gesunde Äste nach. Die Last des großen Fruchtbehangs gemeinsam mit dem ausgetrockneten Holz führten zu den Astabbrüchen, schätzt Lauer. Seiner Meinung nach sind vor allem auf alten Streuobstlagen, die seit Jahren geschnitten wurden, beängstigend viele Bäume von diesen Grünastbrüchen betroffen.