Welche Religion ist die wahre? Islam, Christentum, Judentum?
Die berühmte Ringparabel in Lessings Drama „Nathan der Weise“ führt den Absolutheitsanspruch einer jeden Religion gleichnishaft ad absurdum. Der muslimische Sultan Saladin will vom Juden Nathan wissen, welche Religion die wahre sei. Nathan antwortet mit der Ringparabel, wonach drei Söhne darum streiten, wer von ihnen den echten Ring vom Vater bekam. Seit Generationen wird das kostbare Familienerbstück stets an den Lieblingssohn weitergegeben.
Zwei Ringe
Weil sich aber der Vater der drei Streithähne für keinen seiner Söhne entscheiden konnte, ließ er zwei Duplikate des Ringes fertigen und übergibt an jeden Sohn einen Ring. Der echte Ring besitzt die Eigenschaft, seinen Träger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen, wenn ihn sein Besitzer in diesem Glauben trägt. Der Richter, den die drei Söhne anrufen, urteilt: Ihr Vater habe alle drei gleich geliebt. Folglich solle jeder daran glauben, dass sein Ring der echte sei und danach streben, die Kraft des Ringes durch sein Handeln erkennbar zu machen.
„Es geht nicht um einen Wettbewerb der Wahrheit“, folgerte Pastoralreferent Günter Schmitt aus der von ihm zitierten Ringparabel, „es geht vielmehr um ein Wetteifern im guten Handeln.“
Über 50 Interessierte waren der Einladung des Freundeskreises Asyl in das Hofheimer Pfarrheim gefolgt. Gemeinsam mit Yener Yildirim von der türkisch-islamischen Ditip-Gemeinde Würzburg, dem evangelischen Pfarrer Peter Bauer und Günter Schmitt, Vakanzkoordinator der Hofheimer Pfarreien, machten sich die Zuhörer auf die Suche nach Gemeinsamkeiten und Trennendem zwischen Islam und christlichen Religionen. Damit alle folgen konnten, wurde in Arabisch und Persisch übersetzt.
Transzendenz
„Man kann darauf bestehen, dass die eigene Religion die alleinige Wahrheit ist“, begrüßte Heinrich Goschenhofer vom Freundeskreis Asyl. Man könne die verschiedenen Religionen aber auch als unterschiedliche Ausprägungen des Bedürfnisses nach etwas Transzendentem sehen.
„Wir müssen mit Menschen anderer Religionen sprechen“, sagte Günter Schmitt, der die katholische Sichtweise vertrat. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe die katholische Kirche die Religionsfreiheit als Recht eines jeden Menschen anerkannt. Ziel des zwingenden interreligiösen Dialoges müsse der Weltfriede und die Freiheit und Unversehrtheit jedes einzelnen Menschen sein. Um dies zu erreichen, müsse die Kirche die multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft fördern, zur Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit und Menschenwürde beitragen und den Terrorismus bekämpfen.
Man könne im Dialog mit anderen Religionen die Frage nach der Wahrheit in den Vordergrund stellen, wie dies der emeritierte Papst Benedikt XVI. tat. Man könne sich aber auch auf der Ebene der Spiritualität und Mystik begegnen, sagte Schmitt. Der jetzige Papst Franziskus betone mehr das gute Handeln.
In einer kurzen Einführung erläuterte Yener Yildirim die sechs Glaubensgrundsätze des Islams. Zentral ist der Glaube an einen Gott. Außerdem zählen der Glaube an Engel, an die heiligen Bücher, an die Propheten, an das Jüngste Gericht und an ein Schicksal dazu.
Die fünf Säulen
Im alltäglichen Leben eines Moslems spielen die „Fünf Säulen“ eine wichtige Rolle. Viele Male am Tag spricht der gläubige Muslim das Bekenntnis („Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet“). Täglich fünf Mal wird gebetet und einmal im Jahr einen Monat lang gefastet, zählte Yildirim weitere Rituale auf. Schließlich gehöre auch das Geben von Almosen und die Pilgerreise nach Mekka dazu.
Auch Yildirim betonte, wie wichtig der Dialog zwischen den Religionen sei. „So, wie vielen Christen, ist auch vielen Muslimen nicht bekannt, wie viel die Religionen gemeinsam haben“, bedauerte Yildirim.
Nicht leicht hatte es Pfarrer Peter Bauer, den muslimischen Zuhörern den evangelisch-lutherischen Glauben, im Gegensatz zum katholischen, nahezubringen. Gott gebe allein aus Gnade und der Mensch sei stets ein Empfangender. Glaube bedeute für die Lutheraner nicht, in Angst oder Gehorsam zu leben, sondern „mich und mein Leben Gott anzuvertrauen“, erläuterte Bauer. Allein das Vertrauen auf Gott rette den Menschen und verspreche das Heil. „Niemand, der auf Gott vertraut, braucht Angst vor dem Gericht und dem Richter zu haben“, betonte Bauer.
Laut Schmitt sage auch die katholische Kirche inzwischen, dass der Mensch durch die Gnade Gottes erlöst sei und nicht durch ständiges Bemühen um Belohnung.
Von den anwesenden Flüchtlingen wurden viele interessierte Nachfragen zum christlichen Glauben gestellt. Yildirim, der auch als Übersetzer fungierte, versicherte, „dass die Christen alles aus Liebe zu Gott tun und nicht aus Angst vor ihm, beeindruckt die Moslems sehr.“ Die Moslems dürften zwar laut dem Koran auch keine Angst haben, aber mancher Imam drohe mit Gottes Strafe. Das sei auch dem Christentum nicht unbekannt und eher ein menschliches Problem, entgegnete Pfarrer Bauer. „Mit Angst sind die Menschen leichter zu lenken als durch Liebe.“
Pfarrer Bauer stellte aber auch klar: „Wir Christen können nicht an Christus vorbei. Zu Kindern Gottes werden wir erst durch Christus, Gottes Sohn.“
Der Islam dagegen betrachtet Jesus als einen von fünf Propheten Allahs, erkennt ihn aber nicht als Gottes Sohn an. „Es wird seit 2000 Jahren diskutiert. Gottes Wahrheit werden wir erst am Ende verstehen“, sagte Bauer.
Gemeinsam agieren
Wichtig sei der Wille, gemeinsam zu agieren und gleichzeitig Unterschiede zu akzeptieren, fasste Schmitt zusammen. „Jeder ist willkommen“, versicherte Bauer, „wir können gemeinsam beten, danken und nachdenken – in und außerhalb der Kirche.“
Nächstenliebe bedeute, den Menschen um Gottes willen zu lieben, „egal ob Moslem oder Christ. Wenn man will, kann man das in jedem Glauben finden“, sagte Yildirim.
Natürlich war es, neben der sprachlichen Verständigung, für alle nicht einfach, die Positionen der jeweils Andersgläubigen nachzuvollziehen. Aber von allen Seiten war ein redliches Bemühen und echtes Interesse spürbar.