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HASSFURT: Statt Bettgitter Protektoren für Kopf und Hüfte

HASSFURT

Statt Bettgitter Protektoren für Kopf und Hüfte

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    Großes Interesse: Das Thema Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege demonstrierte Dr. Doris Bredthauer unter anderem anhand eines Pflegebettes mit Fixierungsgurt.
    Großes Interesse: Das Thema Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege demonstrierte Dr. Doris Bredthauer unter anderem anhand eines Pflegebettes mit Fixierungsgurt. Foto: Foto: Sabine Weinbeer

    Pflegebedürftigen Menschen so viel Selbstbestimmung und körperliche Freiheit wie möglich zu gewähren und gleichzeitig den Pflegeeinrichtungen juristische Rückendeckung geben, das will der „Werdenfelser Weg“. Dabei geht es darum, die Fixierung von Pflegebedürftigen so weit wie möglich zurückzudrängen und die Betroffenen durch andere Maßnahmen vor Stürzen und Verletzungen zu schützen.

    Die Auftaktveranstaltung für die Umsetzung des „Werdenfelser Wegs“ für ganz Unterfranken fand am Dienstag im Landratsamt in Haßfurt statt. Angestoßen hat dies der Vorsitzende des Betreuungsvereins Netzwerk, Bernd Hermann.

    180 Teilnehmer aus Pflegeberufen und Heimaufsicht waren der Einladung gefolgt und zeigten sich überzeugt vom Konzept, das Sebastian Kirsch, Richter am Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, entwickelt hat. Umgesetzt werden können die Ziele nämlich nur, wenn Gerichte, Pflegeeinrichtungen und Ärzte zusammenarbeiten.

    Kirsch erläuterte das bisherige Spannungsfeld: In einem Heim wird überlegt, ob ein Demenzkranker mit hohem Bewegungsdrang zu seinem eigenen Schutz im Bett oder auch im Rollstuhl fixiert werden sollte, damit er nicht stürzt und sich einen der berüchtigten Oberschenkelhalsbrüche zuzieht. Eine solche Fixierung muss mit den Angehörigen besprochen und dann beim Amtsgericht beantragt werden.

    In der Regel würden 98 Prozent aller Anträge befürwortet, „weil jeder der Beteiligten sich auf die Kompetenz der anderen verlässt“, so Kirsch. Doch weder Richter noch Ärzte seien mit den Details der Fixierung wirklich bewandert. Hinzu komme eine Rechtsunsicherheit bei den Pflegenden. Die Genehmigung zur Fixierung bedeute nämlich nicht, dass diese ständig erfolgen müsse. „Um aber nicht in Regress gezogen zu werden, wird das Bettgitter täglich hochgezogen“, weiß Kirsch aus Erfahrung.

    Dass die Fixierung mehr Nach- als Vorteile bringt, erläuterte Dr. Doris Bredthauer von der FH Frankfurt. Sie leitete zwei Projekte, die die Auswirkungen von Fixierungen erforschten. Das Ergebnis: „Es gibt keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Nutzen von Fixierungen, aber jede Menge negative Auswirkungen.“ Die Fixierung könne beim Betroffenen große Ängste auslösen. Viele versuchen, sich zu befreien, was ebenfalls zu Verletzungen und immer wieder auch zu Todesfällen führe.

    Bredthauer brach eine Lanze für die Alternativen: Niederflurbetten, Protektoren für Kopf und Hüfte, Muskeltraining. „Nicht der Oberschenkelhalsbruch ist der Anfang vom Ende, sondern oft die schützende Fixierung“, waren sich der Richter und die Ärztin einig. Dabei beginne die freiheitsentziehende Maßnahme schon bei der festgestellten Rollstuhlbremse oder dem weggenommenen Gehstock.

    Wenn der Werdenfelser Weg umgesetzt wird, verbessere sich nicht nur der würdevolle Umgang mit Pflegebedürftigen, sondern auch die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals, so Bredthauer.

    Landrat Rudolf Handwerker und der Direktor des Amtsgerichts Haßfurt, Wolfgang Titze, stehen hinter dem Werdenfelser Weg. Die angeregte Diskussionsrunde zeigte, dass dieses Thema vielen auf den Nägeln brennt.

    Im Landkreis Haßberge wird der Werdenfelser Weg künftig umgesetzt. Viele Teilnehmer aus Schweinfurt, Aschaffenburg und anderen Kreisen Unterfrankens haben nun den festen Vorsatz, in den nächsten Tagen mit dem örtlichen Amtsgerichtsdirektor über das Thema zu sprechen.

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