„Ich hab‘ schon als Kind im Urlaub immer Steine gesammelt, und die Mama hat dann geschimpft, weil das alles in meinem Zimmer eingelagert war.“ Jessica Steinmann grinst schelmisch im Blick zurück. Seit drei Wochen hat sie den Abschluss der Staatlichen Fachschule für Steintechnik und Gestaltung am Steinzentrum in Wunsiedel in der Tasche, sie ist Technikerin und Steinmetz-Meisterin. Und nach einem wohlverdienten Urlaub ist sie jetzt seit knapp zwei Wochen im elterlichen Unternehmen nicht mehr Azubi, sondern Junior-Chefin. Vorgezeichnet war das aber nicht.
„Ich habe nie auf sie eingewirkt, ich wollte eigentlich, dass sie studiert“, erklärt Renee Steinmann, seines Zeichens Steinmetzmeister, der sich den eigenen Betrieb aufbaute. Und Jessica ließ sich auch lang alle Optionen offen: „Bau-Ingenieur oder Architektin, das sollte es schon irgendwie werden. Ich bin in den Ferien immer gern mit dem Papa auf die großen Baustellen, zum Beispiel nach München, gefahren.“ Und ihr Abitur machte sie mit den Schwerpunkten Mathematik, Latein, Kunst und Religion.
Das Schlüsselerlebnis war die Auseinandersetzung mit ihrer Facharbeit in Kunst. Sie wählte ein Bildhauerstück. „Und da habe ich gemerkt, dass beim Steinmetz eine enorme Bandbreite im Beruf steckt – von der Fassade über hochwertige Innenausstattung bis hin zur künstlerischen Gestaltung“, erzählt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. „Und dann hab‘ ich dem Papa gesagt, dass ich den Weg über die Ausbildung gehen will.“
Das war für die Beiden ein großer Schritt. „Denn dann wurde ich von der Prinzessin zum Azubi – und da gab es dann keine Sonderbehandlung, im Gegenteil.“ Und die Klassenkameraden auf der Berufsschule hätten immer unterstellt, im eigenen Betrieb zu lernen, sei einfacher. „Einen meiner Mitschüler hab‘ ich jetzt in Wunsiedel wieder getroffen. Das letzte Lehrjahr hat er auch daheim gemacht. Er hat alles zurückgenommen“, grinst sie.
Ihr ist bewusst, dass es der Vater nur gut mit ihr meinte. Denn nichts sei schlimmer, als wenn die Mitarbeiter den Eindruck hätten, die künftige Chefin bekäme etwas geschenkt.
„Und gerade als Frau musst du schon beweisen, was du kannst“, erklärt Jessica Steinmann. Denn auch wenn es in der Berufsschule vier Kolleginnen gab – Steinmetzinnen sind nach wie vor die Ausnahme. Übergriffe, sexistische Bemerkungen oder Mobbing habe es aber nie gegeben, Skepsis bei manchen Steinmetzen schon. „Das erste Mal auf Montage war schon so was wie ein Kulturschock, so direkt nach dem Mädchengymnasium“, lächelt sie. Aber schon als Fußballerin hatte sie gelernt, sich durchzusetzen. „Und meine Kapos haben schon aufgepasst, und ich hab‘ ja eine große Klappe.“
Durch ihre Fachkenntnis und sorgfältige Arbeit hat sie sich Anerkennung erworben – auch an der Meisterschule, die eigentlich zum Techniker führt. „Im zweiten Jahr kann man nebenbei den Meister machen“, lässt sie wissen. Mit dem doppelten Abschluss hat sie nun den Bachelor. Ob sie den Ingenieur noch draufsetzt, lässt sie sich offen. Jetzt arbeitet sich die 25-Jährige erst mal in die Bereiche des elterlichen Betriebs ein, die sie bisher nur „gestreift“ hat.
„Die Produktion hatte ich gut im Griff, da kommt es auch nicht mehr so auf Kraft an wie früher, es gibt viele Hilfsmittel“, so die Junior-Chefin. Jetzt aber gehe das Lernen erst richtig los, erläutert der Papa, der sie gleich in die Kalkulation geschickt hat. Denn ein ordentliches Angebot abzugeben, das ist die Basis eines funktionierenden Betriebs. Ein Chef muss eben nicht „nur“ das Handwerk beherrschen, er muss für die Mitarbeiter auch Aufträge an Land ziehen, die am Ende auch Geld in die Kasse bringen, damit die Löhne bezahlt werden können.
Dass die Tochter in den Betrieb einsteigt, „freut mich riesig“, sagt der Papa. Das Geschäft von der Pike auf kennen zu lernen, das sei die beste Basis. Und für ihn selbst sei das eine große Entlastung, weiß Steinmann.
Das Meisterstück, ein harmonisch geschwungenes S in Sandstein, wird erst demnächst auf dem Ausstellungsgelände vor dem Bürogebäude aufgestellt. Genauso gern lässt sich Jessica Steinmann aber neben dem Grabstein fotografieren, den sie für das Familiengrab entworfen hat, als kürzlich die Oma starb. Dolomit aus Kehlheim hat sie gewählt, sanfte Formen und die dazu passende Schrift.