Ein Hund, der bis aufs Skelett abgemagert war. Ein anderer mit mehreren Tumoren und eiternden Ekzemen. Manche der Tiere, die in den vergangenen Monaten aus dem Tierheim Haßfurt abtransportiert und in anderen Tierheime untergebracht worden sind, waren dem Tod näher als dem Leben. Recherchen dieser Zeitung haben ergeben, dass im Tierheim in Haßfurt tatsächlich Tiere unter untragbaren Zuständen ihr Leben fristeten. Dabei hatte die Zeiler Tierärztin Barbara Rakow noch am Montag behauptet, alle Tiere seien stets gut versorgt worden.
Vor dem Hintergrund der vom Veterinäramt Haßfurt sowie vom Landesverband im Deutschen Tierschutzbund festgestellten Missstände war dem Tierschutzverein Haßfurt Stadt und Land vergangene Woche die Betriebserlaubnis für das Tierheim mit sofortiger Wirkung entzogen worden (wir berichteten). Das Landratsamt Haßberge hat zudem Anzeige erstattet gegen die Betreiber Dieter und Heidi Schindelmann wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Tierschutzgesetz in insgesamt 17 Fällen.
Schon seit Monaten wurden Fundhunde und -katzen nicht mehr im Haßfurter Tierheim untergebracht, sondern in auswärtigen Einrichtungen. Auch Tiere, die seit längerem im Haßfurter Tierheim lebten, wurden fortgebracht.
„Wir waren schockiert“
Zwei der Hunde, Fips und Amigo, fanden im Tierheim Werdenfels in Garmisch-Partenkirchen in Oberbayern eine neue Bleibe. Dessen Leiterin, Tessy Lödermann, schildert dieser Zeitung gegenüber den Zustand der Tiere, als sie am 24. Februar 2011 dort ankamen: „Wir waren schockiert, in welchem Zustand sich die Tiere befanden. Beide waren schlecht genährt, das Fell war dreckig und verfilzt, die Ohren stark verschmutzt, sie stanken, hatten massiven Zahnsteinbefall und konnten nicht länger als zehn Minuten laufen, da sich die Muskeln wegen Bewegungsmangels stark zurückgebildet hatten.“
Tessy Lödermann weiter: „Fips litt zudem an einer schmerzhaften Bindehautentzündung und Grauem Star, Amigo an einem Eiterzahn und an einer schmerzhaften Erkrankung (Spondylose) im gesamten Wirbelsäulenbereich.“
Der behandelnde Veterinär, Peter Saur, Fachtierarzt für Kleintiere in Garmisch-Partenkirchen, bestätigt die Aussagen des Tierheims Werdenfels: „Beide Hunde waren so schlecht gepflegt, wie man es von Tieren aus einem Tierheim nicht erwarten sollte“, sagte er am Telefon.
Elf Jahre eingesperrt
Peter Saur hat Fips und Amigo am 4. März eingehend untersucht. Der tierärztliche Befund reiche insgesamt über zwei Seiten, sagt Tessy Lödermann, die klar feststellt, dass beide Hunde im Haßfurter Tierheim über lange Zeit unter starken Schmerzen litten und „völlig tierschutzwidrig vernachlässigt wurden“. Mittlerweile haben sich die Hunde erholt. „Nach umfangreicher tierärztlicher Behandlung, regelmäßiger guter Pflege, täglicher Verabreichung der erforderlichen Medikamente und gezieltem Muskelaufbau geht es den beiden Hundesenioren inzwischen dem Alter entsprechend gut“, teilt Lödermann mit.
Was dabei besonders bitter sei: Beide Hunde seien schon als kleine Welpen ins Haßfurter Tierheim gekommen – also nicht erst als kranke Fundtiere. Dort seien sie dann elf lange Jahre weggesperrt und nicht vermittelt worden. Für Lödermann völlig unverständlich: Gerade als junge Hunde hätte das Haßfurter Tierheim für Fips und Amigo doch leicht einen Abnehmer finden können. „Für die Tatsache, dass Tiere in einem bayerischen Tierheim so verwahrlosen, gibt es keine Entschuldigung!“
Auch das Tierheim in Würzburg hat in diesem Jahr Tiere aus Haßfurt übernommen: acht Hunde und zwölf Katzen waren es seit 16. Februar. „Diese Tiere wiesen ebenfalls durchgehend Anzeichen von Vernachlässigung auf“, sagt Anja Schneider, die Tierheimleiterin. Alle Katzen hatten Katzenschnupfen, zum Teil auch Durchfall. „Ein junger Labrador war abgemagert bis aufs Skelett“, so Schneider.
Ein Extremfall war Perro. Der etwa zwölf Jahre alte Hund, der jahrelang in Haßfurt war, bot laut Schneider „ein Bild des Grauens“. Er hatte Floh-Ekzeme am ganzen Körper, offene Eiterstellen, einen Tumor an der Schwanzwurzel, der kurz vorm Durchbrechen war, sowie einen Tumor an den Hoden.
Notoperation
Dieser Tumor sei laut tierärztlichen Unterlagen, die dem Würzburger Tierheim vorliegen, bereits im Jahr 2008 in Haßfurt festgestellt, aber seitdem nicht behandelt worden. Eine Notoperation rettete dem Tier nun in Würzburg das Leben. Auch hier bestätigt der behandelnde Tierarzt des Würzburger Tierheims gegenüber dieser Zeitung den kritischen Zustand des Tieres.
Damit stehen diese Befunde in klarem Gegensatz zu den Aussagen der Zeiler Tierärztin Barbara Rakow. Diese betreut das Tierheim in Haßfurt seit etwa 15 Jahren und hatte am Montag noch gegenüber dieser Zeitung behauptet, dass – soweit sie feststellen konnte – die Tiere im Haßfurter Tierheim stets gut versorgt worden wären.
„Im Haßfurter Tierheim habe ich Zustände erlebt, wie ich sie mein Lebtag noch nicht gesehen habe“, sagte am Dienstag die Leiterin des Würzburger Tierheims, Anja Schneider. Und ihre Amtskollegin aus Garmisch-Partenkirchen ergänzt, dass der vom Tierschutzverein Haßfurt ins Feld geführte Geldmangel keine Entschuldigung für die Vernachlässigung der Tiere sei. „Auch im Landkreis Haßberge hätte es bestimmt Tierfreunde gegeben, die Patenschaften für Hunde oder andere Tierheimtiere übernommen hätten, damit ihnen wenigstens die tierärztliche Betreuung nicht vorenthalten worden wäre.“
Zudem bestätigt Tessy Lödermann, die Vorstandsmitglied des Landesverbands des Deutschen Tierschutzbundes ist, dass der Tierschutzbund dem mittlerweile ausgeschlossenen Tierschutzverein Haßfurt mehrfach Hilfe – auch finanzieller Art – angeboten hatte. „Aber alles hat nicht gefruchtet.“