Der Schwerverletzte liegt auf dem Operationstisch, fast vollends mit blauen Tüchern bedeckt, bis auf eine blutende Stelle am Oberschenkel. Im Not-OP herrscht absolute Stille, nur das monotone Piep, Piep, Piep des EKG-Gerätes ist zu hören. Die Schwestern, der Anästhesist und Assistenzarzt blicken nervös zum Unfallarzt, warten auf sein Zeichen. Doch der hat heute ausnahmsweise nichts zu sagen. Stattdessen ertönt aus dem Hintergrund: " . . . und action, Kamera läuft".
Eine der größten deutschen TV-Produktionsfirmen, Endemol, stellt den tragischen Unfall von Matthias Schipper aus Dittlofsroda (Lkr. Bad Kissingen) nach. An den Originalschauplätzen und mit allen Helfern und Rettungskräften hat man drei Tage am Unfallort und im Leopoldina-Krankenhaus gedreht. Dort war damals der lebensgefährlich Verletzte per Helikopter eingeliefert worden.
Die Vorgeschichte: Am Morgen des 14. Juli 2001fährt Matthias mit seinem Traktor zur Scheune des väterlichen Betriebs, um Viehfutter zu laden. Als er rückwärts herausfährt, passiert es: Mit dem Hinterrad fährt er eine Böschung hoch, der Traktor kippt. Matthias will gegensteuern, tritt auf die Bremse - zu spät. Das Fahrzeug fällt um und begräbt den 18-Jährigen unter sich.
Alarmierung mit Handy
Nachbarin Katja Winter hört den Lärm und rennt zur Unfallstelle, wo sie den Verletzten bewusstlos vorfindet. Per Handy alarmiert sie die Rettungskräfte. Währenddessen organisiert ein weiterer Helfer einen Gabelstapler, um den 2,5-Tonnen-Koloss anzuheben. Nach knapp eineinhalb Stunden liegt Matthias Schipper bereit zur Not-OP im Operationssaal des Leo. Diagnose: Der Oberschenkel und mehrere Rippen des Brustkorbs sind gebrochen.
Zweieinhalb Tage filmt die sechs-köpfige TV-Crew in Dittlofsroda, zum Abschluss in Schweinfurt. Mehr als drei Stunden werden allein dort die Szenen in der Notaufnahme gedreht. Trotz vieler Pausen sind die Laiendarsteller mit viel Spaß bei der Sache. Matthias' Freundin Angela Weissenberger steht den Profis in nichts nach und hält alles mit dem Camcorder fest.
Unfallarzt Dr. Jan Brühning ist überrascht, wie leicht der Dreh über die Bühne ging. "Schwierig war nur das Abschluss-Statement, ohne Text auf den Punkt genau vor der Kamera zu reden." Volker Pfeffermann vom Leo-Krankenhaus ist begeistert, aber ebenso erleichtert, dass es keine Behinderung in der Ambulanz gab. Regisseur Peter Spielmann lobt die Arbeit am Set: "Die Darsteller haben super mitgezogen, das war ein sehr ruhiger und entspannter Dreh."
Hiervon werden letztlich nur rund zehn Minuten in der RTL-Sendung "Notruf" (sonntags, 1910 Uhr) zu sehen sein. Der genaue Sendetermin steht noch nicht fest, vermutlich im Juli oder August soll der Beitrag ausgestrahlt werden.
"Das war eine tolle Erfahrung", freut sich der Hauptakteur über die Arbeit mit der TV-Firma. Nach zehn Monaten Leidenszeit hat der Azubi kaum mehr Beschwerden. Die Krücken ist er aber erst seit einer Woche los.
Schminke und Schweinebauch
Interessant sei für ihn der Blick hinter die Kulissen gewesen. So wurde Matthias von Maskenbildnerin Susan täuschend echt mit Filmblut, roter Schminke, Wachs und einem Stück Schweinebauchfleisch in einen Schwerverletzten verwandelt.
Der Kontakt mit der TV-Firma, die wegen der spektakulären Traktor-Szene Interesse zeigte, kam über die Polizei zustande. Lange musste Matthias nicht überlegen, er sagte sofort zu. Seine Hauptmotivation: "Ich wollte alle Helfer von damals sehen und mich bei ihnen bedanken", erklärt Schipper, schließlich könne er sich an nichts mehr erinnern. Eines hat er jedoch aus dem schlimmen Unfall, der letztlich glücklich endete, gelernt: "Ich werde jetzt noch vorsichtiger mit dem Traktor fahren."