Hohe Berge, viel Schnee, Skipisten und Sessellift – das passt zusammen. Oberhohenried, ab und zu mal Schnee, flache Hügel und Sessellift – das passt selbst auf den zweiten Blick kaum zusammen. Dennoch hat Werner Bergmann seit gut vier Monaten einen waschechten Viersitzer eines Sessellifts neben seinem Haus in der Kirchberg-Straße stehen. Und wer die Hintergründe kennt, stellt fest: Das passt doch alles ganz gut zusammen.
Bergmann ist ein leidenschaftlicher Skifahrer. Seit 30 Jahren ist er Stammgast auf den Pisten im Skigebiet Wilder Kaiser in Tirol. Doch dies allein ist natürlich noch lange kein Grund, sich ins heimische Nassachtal einen Teil eines Sessellifts hinzustellen. In den Bergen befördert ein Lift Skifahrer die Abhänge hinauf. Um einem Sessellift in Oberhohenried einen Sinn zu verleihen, bedarf es einer speziellen Idee. Und eines Haufens guter Freunde.
Puppe und Luftballons
So blieb Bergmann am Morgen des 4. Mai „die Spucke weg“, wie er sagt, als er morgens aus seinem Haus trat und den auf der Wiese nebenan drapierten Sessel sah – samt Stahlseil, einer als Skifahrer verkleideten Puppe, Luftballons und einer leuchtenden „50“. Werner Bergmann hatte an diesem Tag Geburtstag und was er da sah, war das verrückteste Geburtstagsgeschenk, das er je erhalten hat.
Schnell war ihm klar: Dahinter steckten fünf befreundete Paare. „Bei uns ist es üblich, sich zu runden Geburtstagen etwas Besonderes zu schenken“, sagt Brigitte Gerber, die mit ihrem Mann Harald und Erich Hirsch (alle Oberhohenried) das Geschenk für Werner Bergmann eine Woche vor dessen 50. Geburtstag in Österreich abgeholt hat. Es sei gar nicht so leicht gewesen, einen gebrauchten Sessel zu finden, sagt sie. Im Internet werden vor allem Neuanlagen angeboten.
Eine E-Mail an Andreas Pirchmoser brachte dann den Erfolg. Dieser betreibt Liftanlagen bei Söll an der Hohen Salve, in dem Tiroler Skigebiet, in das Werner Bergmann jeden Winter reist. Dieser war spontan bereit zu helfen. Denn, wie es der laut Pirchmoser „glückliche Zufall“ wollte, hatte er Sessel übrig, die nach Ende der vergangenen Skisaison verschrottet werden sollten. Einen davon verschenkte er in die Haßberge. Seine einzige Bedingung: Der Sessel musste abgeholt werden.
Für den Transport des sperrigen Geburtstagsgeschenks organisierte die Oberhohenrieder Clique über Werner Bergmanns Bruder Holger einen Pritschenwagen. „Samstags um 5.30 Uhr fuhren wir los“, berichtet Brigitte Gerber. Sie dokumentierte die Aktion mit Fotos. Diese zeigen, wie sie den schweren Sessel auf das Fahrzeug wuchten, und dessen Reise von den Alpen in die Haßberge. „Ab Augsfeld sind wir auf Feldwegen nach Oberhohenried gefahren“, erzählt Gerber. Der Sessel wurde in einer Garage zwischengelagert. Werner Bergmann sollte nichts mitbekommen.
Am Vorabend seines Geburtstags, ab 23 Uhr, stellten die Freunde den Sessel auf. Ganz verheimlichen ließ sich das nächtliche Treiben neben Bergmanns Haus nicht. Doch Bergmann verkniff es sich, nachzusehen. „Ich wollte denen die Freude nicht verderben“, sagt er.
Dass etwas im Busch ist, merkte er spätestens am nächsten Morgen, als mehrere Anrufer bei ihm Karten für den „ersten Oberhohenrieder Skilift“ ergattern wollten. Dahinter steckten ebenfalls seine emsigen Freunde. Diese hatten eine Zeitungsannonce geschaltet und vor Ort Transparente aufgehängt, auf denen sie für den angeblich ersten „Höreder Skilift“ warben. „Mehrere Bekannte von uns haben bei Werner angerufen“, sagt Brigitte Gerber. Die Überraschung ist gelungen.
Frei zugänglich
Das ungewöhnliche Geburtstagsgeschenk ist längst keine Eintagsfliege geblieben. Aus der provisorischen Liftkonstruktion seiner Freunde hat Bergmann eine standfeste Aufhängung gemacht. Deren Fundament besteht aus eineinhalb Kubikmetern armiertem Beton. Das haut so schnell nichts um. Der Vierersessel ist frei zugänglich. Passanten dürfen darauf gerne Platz nehmen und den Blick hinüber nach Unterhohenried und ins Nassachtal genießen, sagt Bergmann. Noch immer beobachte er Autofahrer, die, wenn sie auf der Straße zwischen Haßfurt und Oberhohenried den Sessel am Hang entdecken, hinfahren, diesen wie ein Subjekt aus einer fremden Welt beäugen, wenden und weiterfahren.
Brigitte Gerber hat bereits neue Ideen für den Sessel: „Wenn der erste Schnee liegt, dann feiern wir dort eine Party, mit Schneebar.“ Letztlich ist der Höreder Sessel(lift) also doch mehr als ein verrücktes Geburtstagsgeschenk. „Wer uns als Freunde hat, braucht keine Feinde mehr“, sagt Gerber, und lacht. Dasselbe hat Werner Bergmann über die Clique auch gesagt und angekündigt: „Klar kriegen die das zurückgezahlt.“ Bis zum nächsten runden Geburtstag ist es nicht mehr lange hin.