Heute ist der Doktor mit seinem Notfallkoffer im Landkreis Haßberge unterwegs. "Ich mache einen Hausbesuch", sagt Nils Kaufmann mit einem Grinsen und hält vor einem grünen Garagentor. Dahinter "liegt" der Problempatient, ein silberner Mittelklassewagen, der zum Verkauf steht. Doch wie das Leben so spielt, hat der Besitzer auf der letzten Fahrt in seinem Auto eine Zigarette fallen lassen. Ein hässliches Brandloch ziert nun den Fahrersitz.
"Kein Problem", meint Doktor Lack nach einer ersten Diagnose, "das kriegen wir hin." Der Autobesitzer schaut erleichtert.
Eigentlich steht Nils Kaufmanns Praxis aber in der Valentinstraße 26 in Hallstadt. In seine dortige Sprechstunde kommen zwei- und vierrädrige Patienten mit den unterschiedlichsten Verletzungen - angefangen bei Lackkratzern, über Steinschläge und Parkrempler bis hin zu Brand- und Bohrlöchern. Mit seinen ausgebildeten "Krankenpflegern" leistet er im angeschlossenen Operationssaal nicht nur Erste Hilfe, sondern bietet in der Autoklinik in Zusammenarbeit mit einem "Facharzt", einem Kfz-Mechaniker-Meister, auch Komplettüberholungen an.
Verschiedene Spezialisten
"Wir sind ein tolles, motiviertes Team", meint der Chefarzt, das er bei Bedarf auch noch um einen Sattler und einen Fachmann für Folienarbeiten erweitern kann. "Auch Schönheits-OPs machen wir", sagt er und zeigt verschiedene Airbrush-Beispiele, die vor allem bei US-Amerikanern großen Anklang auf Tankdeckeln und Motorhauben finden.
Dass der studierte Lektor auf seiner Visitenkarte nicht ein Verlagshaus, sondern Doktor Lack stehen hat, schuldet er zum einem dem schwierigen Arbeitsmarkt, zum anderen der Liebe zu Fahrzeugen. "Ich war schon immer autophil", sagt der 31-Jährige, der auch schon in leitender Funktion bei Europcar und als Hotel-Empfangschef gearbeitet hat, "vor allem wollte ich aber kreativ sein."
Als er vor einiger Zeit nach einer günstigen Alternative Ausschau hielt, die Lackschäden in seinem 7er-BMW zu beseitigen, stieß er in eine Marktlücke. Seit September vergangenen Jahres beseitigt er nun selbst flexibel und kostengünstig Lackschäden für Privatleute, aber auch an den Jaguars, Volvos oder Citroens von Bamberger Autohäusern, deren Modelle er "aufbereitet", also auf Hochglanz bringt.
"Die Idee der Autoklinik kam sofort gut an", sagt Nils Kaufmann. Dass er diese umsetzen konnte, verdankt er zum großen Teil der Bank. "Man sagt immer, die Kreditinstitute unterstützen keine Jungunternehmer. Das kann ich zumindest in Bezug auf die Sparkasse nicht bestätigen." Mit dem richtigen Konzept und motivierten Mitarbeitern ist das nach seiner Erfahrung kein Problem.
Werben um den Kunden
"Wir sehen uns nicht als Handwerksbetrieb, sondern als Dienstleistungsunternehmen", betont Doktor Lack. Das zeigt sich schon beim Betreten der Werkstatt: Sofort ist jemand da, der weiterzuhelfen versucht. "Die Kunden sollen nicht das Gefühl haben zu stören". Dazu gehört auch, dass es in der Autoklinik selbstverständlich ist, dass kein Dienst nach Vorschrift gefahren wird. "Nur auf diese Weise konnten wir uns so schnell am Markt etablieren. Deshalb streben wir auch schnellstmöglich eine ISO-Zertifizierung an."
Und wie in einer Klinik üblich, gibt es natürlich auch einen Notdienst. "Wir wollen ja nicht, dass der Sohn drei Jahre Hausarrest bekommt, nur weil er den BMW seines Vaters angeschrammt hat", schmunzelt Nils Kaufmann und eröffnet den Blick in die Lackierkammer, wo gerade ein schwarzer BMW fein säuberlich mit Zeitungspapier abgeklebt steht - übrigens mit der Literaturbeilage der "ZEIT" und nicht mit der Nackten aus der "BILD".
Doktor Lack öffnet einen silberfarbenen Koffer, in dem die 66 Grundfarben aufbewahrt werden, aus denen in der Autoklinik die Originallacke nach Konsonanten und Nummern auf einer hundertstel Gramm genauen Digitalwaage gemischt werden. "Das ist faszinierend", sagt er und man versteht, was er meint. Denn in die Farbe "Magic Black" von VW kommt beispielsweise ein Schuss pink. "Wenn der fehlt, sieht man das sofort."
Das Bügeleisen für den Mann

Am BMW sucht man inzwischen vergeblich nach der Schramme, die dort vor ein paar Stunden noch auf dem Kotflügel "geklafft" hat. Der Kunde darf sich freuen, nicht nur über die kurzen Reparaturzeiten, sondern auch über den Preis. "Der ist von Anfang an fest. Wenn ich mich verkalkuliere, dann ist das meine Schuld", sagt Nils Kaufmann und widmet sich nun dem hässlichen Brandloch. Er holt allerlei kleines Werkzeug aus seinem Koffer, einige Stifte und pulverisierten farbigen Stoff, um die Wunde zu schließen. Dafür benutzt er ein Spezialbügeleisen. "Mit dem macht das Bügeln sogar Männern Spaß . . ."