In Vierergruppen haben sich die Lehrlinge entlang der vermuteten Wasserader verteilt. Das Brunnenhäuschen sorgt für eine grobe Orientierung. Quer zur Fließrichtung liegen Maßbänder auf der Wiese. Jetzt gilt es, sich zu konzentrieren: Wo beginnt die Ankündigungszone? Wo die Schwerpunktzone? Und wo liegt die Hauptzone und damit das Zentrum der Wasserader? Das sind die Grundfragen des Wassersuchens, die die Wünschelrutengänger zu beantworten versuchen. Am Ende steht sozusagen ein Querschnitt des Untergrundes. Damit versucht der Wünschelrutengänger, die Wasserader nicht nur zu verorten, – wo und wie tief fließt das Wasser? – sondern auch Aussagen über die Wassermenge und die Qualität zu treffen.
Wünschelruten sorgen bei vielen für Skepsis, trotzdem ist das Interesse an Winklers Seminaren immer sehr groß. Zweimal jährlich bietet er in Zusammenarbeit mit dem Umweltbildungszentrum in den Haßbergen einen Kurs an. Die Beweggründe der Teilnehmer sind dabei sehr unterschiedlich.
Die Physik liefert das Rüstzeug
Thomas Stelzner aus dem Steigerwald ist zum ersten Mal dabei. „Es ist einfach spannend, immer mal wieder etwas Neues zu erproben“, sagt er mit ruhiger Stimme. „Es sind natürlich viele Leute dabei, die sowieso schon in der Natur tätig sind“, sagt er und hat dabei eine seiner Gruppenkolleginnen im Blick. „Sie zum Beispiel gibt Kräuterseminare.“ Das Wünschelrutengehen sei aber schon ein sehr komplexes Thema. „Das muss man erst mal alles richtig verstehen.“ Es gebe ja so viele verschiedene Methoden.
Seminarleiter Winkler ist Vertreter des sogenannten physikalischen Rutengehens. Das heißt, er versucht, seine Ergebnisse anhand von physikalischen Modellen und nicht nur durch seine persönlichen mentalen Fähigkeiten zu erklären: Das Wasser funktioniere physikalisch ähnlich wie das Licht, erklärt Reinhard Winkler, während die drei Gruppen weiter vermessen. „Auch das Wasser hat verschiedene Wellenlängen“, sagt er und läuft am Maßband entlang. Je nach Zone seien unterschiedliche Strahlungswerte messbar. „Man tut sozusagen so, als ob man elektromagnetische Strahlung messen würde, beweisen kann es aber keiner, ob es sich tatsächlich um solche handelt.“ Dafür sei das Signal zu schwach. Sicher sei aber, so Winkler: Es funktioniert. Deswegen könne theoretisch auch jeder diese Technik erlernen.
Die Hauptrolle spielt dabei aber jeder Wünschelrutengänger selbst. Im Gegensatz zu technischen Geräten hätten Menschen ein „sehr niedriges Grundrauschen“, sagt Winkler. „Deshalb sind wir sehr sensibel, wenn es darum geht, Strahlungsunterschiede wahrzunehmen.“ Der menschliche Körper reagiere auf diese Unterschiede mit schwachen Muskelreizen. Die Ruten seien letztlich auch dazu da, diese Reaktionen sichtbar zu machen. Das Wichtigste beim Wünschelrutengehen sei aber, selbstkritisch zu sein. „Man muss aufpassen, dass man sich ein Ergebnis nicht zu stark wünscht“, sagt Reinhard Winkler. Sonst könne die Rute natürlich auch eine falsche Reaktion anzeigen. „Sich leer zu machen, ist das größte Problem.“ Meditation könne sehr hilfreich sein, um den eigenen Geist unter Kontrolle zu bringen, sagt Winkler, läuft weiter und hilft einer Gruppe beim Messen der Schwerpunktzone.
Rutengehen vom Großvater geerbt
Seit mittlerweile 25 Jahren praktiziert Winkler das Rutengehen. So reisen inzwischen Teilnehmer auch von weit her an. Zum Beispiel aus Hannover oder wie Gerhard Fischer aus Starnberg: „Mein Großvater war schon Rutengänger“, erzählt er nicht ohne Stolz. „Er hat sogar Bücher darüber geschrieben.“ Fischer ist nicht zum ersten Mal für ein Wünschelrutenseminar in die Haßberge gefahren. Denn dass er die Seminare von Reinhard Winkler besucht, hat einen bestimmten Grund, der letztlich auch mit seinem Großvater zusammenhängt: Fischer hat vor einiger Zeit einen Mann getroffen, der ihn vom Thema überzeugt hat. „Dann habe ich herausgefunden, dass dieser Mann die Bücher meines Großvaters gelesen und sein Wissen aus diesen Büchern genommen hat.“ Das war der ausschlaggebende Punkt, an dem Gerhard Fischer sich vorgenommen hat, das Rutengehen auch erlernen zu wollen. Um die Tradition fortzuführen. Der Bekannte habe ihn dann an Reinhard Winkler verwiesen.
Winkler steht unterdessen am Maßband und kalibriert seine Lecherantenne. Aus seiner Umhängtasche ragt die Kunststoffrute, die mit bunten Markierungen für die richtige Fingerhaltung beklebt ist. Der Unterschied zwischen den beiden Utensilien: Die Kunststoffrute wird zur groben, die Lecherantenne zur feinen Bestimmung genutzt. Hier kommt wieder das Wellenspektrum des Wassers ins Spiel: „Physikalisch lässt sich die Rute als eine Antenne verstehen, deren Länge sich auf spezifische Wellenlängen abstimmen lässt“, sagt Winkler. Er demonstriert die Funktionen: Die feine Lecherantenne besitzt einen praktischen Schieber, mit dem sich die Wellenlängen einstellen lassen – vergleichbar mit alten Radios. Er stellt die entsprechende Wellenlänge ein und begibt sich auf die Suche. Kurz schließt er die Augen, konzentriert sich und scheint, etwas gefunden zu haben. Er korrigiert, überprüft von Neuem. Die Hauptzone ist gefunden.
Für manche Leute ist das alles nichts weiter als Hokuspokus, andere lassen ihr gesamtes Grundstück vermessen, um Schlaf-, Arbeits- und Wohnzimmer entsprechend auszurichten. Für die Seminarteilnehmer in Pfarrweisach – so hat es den Anschein – ist das Wünschelrutengehen ein Hobby, wie es das Wandern, der Fußball oder das Fotografieren für andere ist. Am Ende steht die Gruppe zusammen und diskutiert die Ergebnisse. Ob diese zu hundert Prozent mit den amtlichen Unterlagen übereinstimmen, scheint hier nicht von großer Bedeutung zu sein. Wichtig scheint hingegen eher die neue Erfahrung.