Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Haßberge
Icon Pfeil nach unten
Haßbergkreis
Icon Pfeil nach unten

Rottenstein: Zeitmesser mit „Solartechnik“

Rottenstein

Zeitmesser mit „Solartechnik“

    • |
    • |
    Die Sonnenuhr in der Forsthausstraße in Rottenstein ziert eine Zeile des Haßgaulieds vom ehemaligen Friesenhäuser Pfarrer Johannes Baptist Hofmann.
    Die Sonnenuhr in der Forsthausstraße in Rottenstein ziert eine Zeile des Haßgaulieds vom ehemaligen Friesenhäuser Pfarrer Johannes Baptist Hofmann. Foto: Fotos: Gudrun Klopf

    Mach' es wie die Sonnenuhr, zähl' die heit'ren Stunden nur.“ Wer kennt diesen Spruch nicht? Häufig ist er als gut gemeinter Rat in Poesiealben oder als Lebensweisheit auf Kalendern und Postkarten zu finden. Oft ist er aber auch zierendes Beiwerk von jenen Schönwetteranzeigern, von denen im Spruch die Rede ist. Bereits vor Jahrtausenden nutzten Chinesen und Babylonier den Schattenstab, genannt Gnomon, zu Schattenmessungen. Erste archäologische Funde von Sonnenuhren stammen aus Ägypten. Die am häufigsten vorkommende Sonnenuhr ist die vertikale Sonnenuhr, die sich mit ihrem senkrechten Ziffernblatt meist an einer Gebäudewand befindet. Es gibt sie aber auch transportabel und aufklappbar wie eine Taschenuhr, in Kugelform, mit zylindrischem Ziffernblatt oder als Horizontaluhr.

    Als Zeitmesser haben die Sonnenuhren längst ihre Bedeutung verloren. Doch noch immer fasziniert die ausgeklügelte Funktionsweise dieser „Solartechnik“ viele Menschen. Karl-Heinz Conrad ist einer von ihnen. Die große leere Wandfläche des Garagengebäudes neben seinem Wohnhaus in Rottenstein versetzte ihn schon lange ins Grübeln. „Da gehört irgendetwas hin“, sagte sich Conrad. Eine Sonnenuhr würde gut passen, schlug der Besitzer des Nachbaranwesens, Roland Spies aus Birnfeld vor.

    Gemeinsam nahmen die beiden das Projekt in Angriff. „Das war eine Tüftelei“, berichtete Conrad über die monatelange Arbeit an ihrem Werk.

    Mit Präzision zur eigenen Sonnenuhr

    „Da die Wand nicht genau nach Süden ausgerichtet ist, konnten wir nicht die Zwölf, sondern mussten die Zwei in die Mitte der Zahlenreihe setzen“, erläutert Spies. Die beiden gingen „empirisch“ vor: Immer wieder kletterten die Bastler auf die Leiter, um den Schattenwurf des Stabes aufzuzeichnen. Wolken und Regen trugen regelmäßig zu Verzögerungen bei. Doch nun können die beiden Sonnenuhrfans stolz auf die gestaltete Wandfläche blicken. Den stündlichen Kontrollblick durch Dorfbewohner hat die Sonnenuhr bereits bestanden. Nun wird sie von den Rottensteinern und von Wanderern auf ihrem Weg durch die Haßberge bewundert. Passend zum Ort schmückten Conrad und Ries die Sonnenuhr mit einer Zeile des Haßgauliedes: „Herrlich schön sind, o Hassgau, deine Höh'n“.

    Verfasst wurde es vom Friesenhäuser Pfarrer Johann Baptist Hofmann, der sich gerne in geselliger Runde mit Lehrern und Pfarrern aus der Umgebung in der Rottensteiner Gastwirtschaft „Zur Waldeslust“ traf. Und die bevorstehende Zeitumstellung? Kein Problem für die Rottensteiner Sonnenuhr. Ihr zwei Zahlenhalbkreise zeigen mit römischen Ziffern die Winterzeit und mit arabischen die Sommerzeit an.

    Auch am ehemaligen Rathaus in Unfinden ist eine Sonnenuhr zu finden.
    Auch am ehemaligen Rathaus in Unfinden ist eine Sonnenuhr zu finden.

    Für Roland Spies war die Rottensteiner Sonnenuhr nicht der erste Zeitmesser dieser Art, mit dem er sich beschäftigte. Vor etwa zehn Jahren erhielt der Malermeister den Auftrag, in Unfinden zwei Sonnenuhren aufzufrischen. Sie kamen bei der Renovierung des Torstockes am Anwesen von Erwin Koch zum Vorschein. „Wir entdeckten dort an der West- und an der Nordseite Farben, die Sonnenuhren vermuten ließen. Stäbe waren allerdings nicht mehr da.“ Rätsel gaben die zwei Bohrungen an jeder Seite auf. Spieß recherchierte und nahm sogar in Nürnberg an einem Seminar über Sonnenuhren teil. Schließlich war klar: Die Zeit auf den Sonnenuhren wurde nicht durch einen Stab, sondern durch einen Bügel, auf dem eine Scheibe aufgefädelt war, angezeigt. „Ein Jahr haben wir experimentiert, bis es funktioniert hat“, erinnert sich Koch.

    Nicht ein Stab, sondern ein Bügel zeigt mit seinem Schatten die Zeit auf der Sonnenuhr von Erwin Koch in Unfinden an.
    Nicht ein Stab, sondern ein Bügel zeigt mit seinem Schatten die Zeit auf der Sonnenuhr von Erwin Koch in Unfinden an.

    Nun kann auf der Westseite des Torpfostens wieder zwischen 12 und 17 Uhr die Zeit abgelesen werden – wenn die Sonne scheint. An der Sonnenuhr auf der Nordseite hatte der Zahn der Zeit schon allzu sehr genagt. Sie konnte nicht mehr gerettet werden. „Da sind inzwischen auch die umliegenden Bäume zu hoch“, sagt Koch. „Da kommt gar keine Sonne mehr hin.“

    Viel muss berücksichtigt werden

    Erwin Koch in Unfinden zeigt eine seiner Sonnenuhren.
    Erwin Koch in Unfinden zeigt eine seiner Sonnenuhren.

    Wer sich mit der Gnomonik, der Lehre von Sonnenuhren, befasst, stellt rasch fest, dass hinter den paar Ziffern und aufgezeichneten Sonnenstrahlen eine geballte Ladung mathematisches und astronomisches Wissen steckt. Auf der Sonnenuhr zeigt ein Schatten die Zeit an. Als Schattengeber dient meist ein Stab. Dieser ist parallel zur Erdachse ausgerichtet – das bedeutet, sein Neigungswinkel zur Erdoberfläche ist abhängig von dem Breitengrad, auf dem sich die Sonnenuhr befindet. Die Ausrichtung des Gebäudes, Umlaufbahn der Erde und Erddrehung, Wandergeschwindigkeit der Sonne und vieles mehr wollen in komplizierten Formeln berücksichtigt werden.

    Auch die Marienkirche in Königsberg schmückt eine Sonnenuhr.
    Auch die Marienkirche in Königsberg schmückt eine Sonnenuhr.

    Doch trotz korrekter Berechnungen lässt ein Vergleich mit unseren modernen Zeitmessern nicht selten vermuten, die Sonnenuhren gingen falsch. Tatsächlich aber zeigen die Schatten stets den wirklichen Stand der Sonne am Himmel an, die sogenannte wahre Ortszeit (WOZ). Die unterscheidet sich von Längengrad zu Längengrad um vier Minuten. Zwölf Uhr ist es am jeweiligen Standort dann, wenn die Sonne am höchsten, also im Meridian steht. Nach der mitteleuropäischen Zeit (MEZ), nach der wir alle unsere Uhren richten, ist das in Deutschland nur in einer Stadt, nämlich in Görlitz, um genau 12 Uhr der Fall. Die Stadt im östlichsten Zipfel des Landes ist die einzige in Deutschland, durch die der 15. Längengrad verläuft. Und exakt auf dieser Linie entspricht die WOZ der MEZ. Wer darauf achtet, wird im Landkreis an vielen Kirchen und öffentlichen Gebäuden Sonnenuhren entdecken. Auch manches private Anwesen ist mit dem lautlosen Zeitmesser dekoriert.

    Zu zählen hatten die Sonnenuhren in diesem Jahr allerhand heitere Stunden. Bis jetzt registrierte die Wetterstation der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Köslau insgesamt 1524 Sonnenstunden. Spitzenreiter in den Haßbergen war der Monat August mit 256 Stunden Sonnenschein. 2015 waren es im selben Monat 251 Stunden. Golden war der September, während dem sich die Sonne an stolzen 210 Stunden zeigte. Im September vor einem Jahr waren es dagegen 139 Stunden. Doch egal, ob Sonne oder Schatten. Die Inschrift auf einigen Sonnenuhren rät uns für alle Stunden: „Utere, non numera“ - „Nütze sie, zähle sie nicht“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden