Sie haben genug, sie wollen nicht mehr. Und jetzt wehren sie sich. Etliche Anlieger am Kitzinger Steigweg wollen den Lärm nicht mehr hinnehmen. Sie haben eine Bürgerinitiative gegründet.
Fast 40 Unterschriften haben Heike Seitz, Claudia Sauer und Sonja Hering schon gesammelt. „Wir, die Bürger des Wohngebietes 'Zum Oberbäumle' werden uns mit dem bisherigen Aufkommen und dem zu erwartenden weiteren Anstieg des LKW-Verkehrs nicht abfinden“, heißt es in dem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt. Das Ziel der Bürgerinitiative: Das Verkehrsaufkommen soll wieder auf ein anwohnerfreundliches Maß reduziert werden.
Wie an der Autobahn
Udo und Heike Seitz wohnen an der Straße „Zum Oberbäumle“. Sie lieben die Nähe zur Innenstadt und zur Natur. Und sie lieben die Ruhe. „Mit der ist es seit ein paar Monaten aber vorbei“, sagt Heike Seitz und legt ihr Smartphone auf den Tisch. Auf dem Video fährt ein LKW den Steigweg hinauf, schwer beladen mit Autos. Es kracht und scheppert. „Wie an der Autobahn“, kommentiert ihre Nachbarin Claudia Sauer. Im nächsten Video ist ein LKW zu sehen, der den Steigweg hinunterfährt. „Hört sich auch nicht besser an“, findet Sonja Hering. Tatsächlich scheppert es genau so laut. „Bodenwellen“, erklärt Heike Seitz. Sieben LKW hat sie an einem Morgen zwischen 5.50 und 6.15 Uhr gezählt. „Die fahren auch in der Nacht“, versichert sie. Mit offenen Fenstern schlafen? Nicht mehr möglich.
Etwa 20 Bewohner sind nach Schätzungen der drei Frauen direkt von dem Lärm betroffen. Ihre Häuser liegen unmittelbar am Steigweg. „Die in der zweiten Reihe hören die LKW auch“, versichert Seitz. Mehr noch: Etliche Kinder laufen über den Steigweg in Richtung Schule. „Bei dem Verkehr ist das viel zu gefährlich“, urteilt Claudia Sauer. Mitte Januar gab es schon einmal einen schweren Unfall. Der Anhänger eines LKW stellte sich quer, der Fahrer war wohl zu schnell unterwegs gewesen.
Ein entgegenkommender Opel-Fahrer fuhr frontal gegen den Anhänger und musste mit Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. „Wir können doch nicht darauf warten, dass sich so etwas wiederholt“, sagt Heike Seitz.
Unangenehmes im Gebüsch
Immer wieder geht sie in Richtung Golfplatz spazieren. Im Gebüsch entlang des Steigwegs macht sie seit ein paar Wochen unangenehme Entdeckungen. Wieder zückt sie ihr Smartphone und deutet auf weggeworfene Flaschen, Dosen, Plastikabfall und sogar Fäkalien. „Die meisten LKW haben Nummernschilder aus Osteuropa“, sagt sie. „Manche Fahrer schlafen an der Straße.“ Die drei Damen haben noch einen ganz anderen Verdacht: Manche Fahrer fahren nur in den Innopark, um dort ihr Fahrzeug zu wechseln. „Das wäre echt eine Sauerei“, kommentiert Sauer.
2010 ist die ehemalige „Flakkaserne“ in den Besitz der Innopark Kitzingen GmbH übergegangen. 54 Hektar umfasst das gesamte Areal. Michael Klos ist Geschäftsführer des Unternehmens. Er zeigt grundsätzlich Verständnis für die Anwohner. „Aber eines ist doch klar. Wenn immer mehr Firmen kommen, nimmt auch der Verkehr zu.“ Zum Jahresende habe es einen größeren Wechsel gegeben. Zwei Mieter haben den Innopark verlassen, große Maschinen wurden weggefahren. Auf 30.000 Quadratmeter ist ein neuer Mieter eingezogen, ein Logistik-Unternehmen, das Überproduktionen von deutschen Autoherstellern einlagert. „Bei Bedarf werden diese Fahrzeuge dann zu den Autohäusern weiter transportiert“, erklärt Klos. Nach seinem Dafürhalten müsste der größte Verkehrslärm Geschichte sein. Mit den Anwohnern und der Stadt würde er trotzdem ein Gespräch führen wollen. „Vielleicht lassen sich ja zusammen neue Verkehrsführungskonzepte entwickeln.“
Die älteren Anlieger am Steigweg sind Kummer gewohnt. Als die Amerikaner noch bis zu 3500 Soldaten in den ehemaligen Larson-Barracks stationiert hatten, fuhren auch schon mal Panzer und große Versorgungsfahrzeuge über die Straße. Mit dem Abzug der US-Streitkräfte kehrte 2006 Ruhe ein. Mit der Ausweisung des Innoparks als Gewerbegebiet nahm der Verkehr wieder zu. Im Bebauungsplan ging man von einer Belastung von 194 LKW pro Tag aus, wie Frank Winterstein vom Ordnungsamt der Stadt Kitzingen erläutert. Damals, 2011, wurde auch festgelegt, dass 70 Prozent des LKW-Verkehrs über den Steigweg und 30 Prozent über die J.A.Kleinschroth-Straße zu erfolgen haben. Für die Anlieger am Steigweg nicht nachvollziehbar, schließlich sei ihre Straße viel steiler und die Ausfahrt auf die Westtangente sei an der J.A.Kleinschroth-Straße viel besser geregelt – mit Ampelanlage und zwei Abbiegespuren.
Forderungen der Anlieger
Die Stadt hat nach den ersten Hinweisen aus der Bevölkerung einen so genannten „Smiley“ zur Messung der Geschwindigkeit am Steigweg aufgestellt. „Da waren schon einige LKW zu schnell unterwegs“, berichtet Winterstein. Die Stadt nehme die Sorgen der Anlieger ernst, versichert er. Im Moment sei aber keine zufriedenstellende Lösung in Sicht.
Die Anlieger wollen das so nicht hinnehmen und für ihre Lebensqualität kämpfen. Sie fordern ein Nachtfahrverbot für Lkw, einen Fahrradstreifen und einen Zebrastreifen für die Schulkinder. Die Feinstaub-Belastungen sollen gemessen und regelmäßig Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden. „Und wir brauchen hier oben Lärmmessungen“, fordert Claudia Sauer. Der Steigweg führe schließlich an einem Wohngebiet vorbei. Und da sehe das Bundes-Immissionsschutzgesetz klare Richtwerte vor. Werte, die nach der Überzeugung der drei Anliegerinnen seit ein paar Wochen bei weitem übertroffen werden.
Ein Video finden Sie unter www.infranken.de