Mit einem kleinen Flitzer hat alles angefangen. Schneeweiß mit schwarzen Sitzen: So sah das allererste Dorf-Auto aus, das die Gnötzheimer vor neun Jahren in Betrieb nahmen. Aus dem Ford-Fiesta mit fünf Sitzen sind inzwischen zwei VW-Busse geworden. So funktioniert Car-Sharing auf dem Land.
Erster „Motor“ des Car-Sharings war das Pfarrersehepaar Uwe und Christine Stradtner. Die Stradtners leben schon lange so umweltbewusst wie möglich – in allen Bereichen, von der Ernährung bis hin zur Mobilität. Ihr Vorbild färbte ab. Mit tatkräftiger Unterstützung von Vertrauensfrau Claudia Ott und ihrem Mann Wilhelm Ott beschloss die Gnötzheimer Kirchengemeinde, ein Gemeinschaftsauto anzuschaffen, das die Bürger bei Bedarf mieten können. Mehrere Jahre brachte der Fiesta seine Insassen zuverlässig zu ihren jeweiligen Zielen. Dann lief der Leasing-Vertrag aus.
Parallel zum „Dorf-Auto“ in Gnötzheim hatte sich in Seinsheim ein Verein gegründet, der ähnliche Ziele verfolgte. Treibende Kraft war Stefan Schwarz, der langjährige Jugendraumleiter. „Uns schwebte vor, einen Bus anzuschaffen – für Ausflüge zum Beispiel.“ Schwarz sprach mit Uwe Stradtner, der nicht nur seine Erfahrungen in Sachen Gemeinschaftsfahrzeug gerne teilte. Er hatte auch die Idee, eine Bürgerbuslinie zu etablieren.
„Ich habe daraufhin in Seinsheim und den Ortsteilen Iffigheim, Tiefenstockheim und Wässerndorf bei den Bürgerversammlungen von der Idee erzählt und dafür geworben“, erinnert sich Stefan Schwarz. „Uns war klar, dass wir zirka 20.000 Euro Kredit brauchen und dass der Bus mindestens 20.000 Kilometer pro Jahr fahren muss, damit die Sache Null auf Null ausgeht.“
Als er diese Zahlen seinen Mitbürgern präsentierte, waren die zunächst vor allem eins: skeptisch. „Das war ja etwas ganz Neues und die Finanzierung warf zunächst Fragen auf.“ Mit der Zeit aber sei immer mehr Begeisterung für die Sache entstanden. Am Ende waren mehr als zehn Vereine und Institutionen – von Feuerwehren über den Weinbauverein und die Jugend bis hin zum Kirchgadenverein – bereit, das Geld zinslos vorzustrecken.
Bereuen musste das keiner. Mittlerweile sind alle Darlehen zurückgezahlt – und der Bürgerbus fährt und fährt. Im Juli 2013 hat sich der „Generationenbusverein Seinsheim e.V.“ gegründet und wenig später, im November, ist die Linie in Betrieb gegangen – „ein neunsitziger, knallroter Bus“, berichtet Schwarz.
Gesteuert von ehrenamtlichen Fahrern aus den Gemeinden dreht der Bürgerbus seitdem montags, mittwochs und freitags stündlich von 9 bis 13 Uhr seine Runden durch die Umgebung – für den unschlagbaren Preis von einem Euro pro Fahrt. Nur: Rot ist der Bus mittlerweile nicht mehr. „Als der Rote ersetzt werden musste, war halt gerade ein Weißer zur Stelle“, erklärt Stefan Schwarz.
Einige Jahre lang fuhren die Car-Sharing-Projekte „Gnötzheimer Dorf-Auto“ und „Seinsheimer Bürgerbus“ parallel. Dann bündelten sie ihre Kräfte. Das kleine Dorf-Auto war in die Jahre gekommen und das Seinsheimer Beispiel hatte den Gnötzheimern gezeigt: „Ein Bus als Gemeinschaftsfahrzeug ist auf dem Land viel attraktiver als ein Pkw. Man kann damit auch mal zusammen Gruppenausflüge machen, Fußballfahrten, Kindergeburtstags-Trips oder Oma-Opa-Enkel-Ausflüge.“ So war logisch: Das neue Dorf-Auto wird ein Bus.
Seit Ende 2016 fahren deshalb zwei VW-Busse – mittlerweile beide weiß – in Seinsheim und Martinsheim sowie deren Ortsteilen. Bei beiden Projekten geht es darum, die Mobilität auf dem Land zu gewährleisten, flexibel, bürgernah und möglichst nachhaltig. „Deshalb haben wir uns zusammengetan“, sagt Pfarrer Stradtner und fügt lächelnd hinzu: „Wir haben geheiratet.“
Ein Ja-Wort, viele Rechnungen
Seit dem Ja-Wort vor über drei Jahren gehört nun auch das neue Dorf-Auto – das Fahrzeug heißt im Volksmund weiterhin so, auch wenn es ein Bus ist – dem Generationenbusverein. 1. Vorsitzender des Vereins ist Stefan Schwarz, 2. Vorsitzender Uwe Stradtner. Wilhelm und Claudia Ott, die das Dorf-Auto damals mit aus der Taufe gehoben haben, fungieren zusammen mit Martin Sandreuter und Wolfgang Körner als Beisitzer, Kassier ist Heinz Dorsch, Schriftführerin Daniela Bühm. „Der Heinz hat die meiste Arbeit“, findet Stefan Schwarz. „Der muss die ganzen Rechnungen schreiben und versenden und sich dafür durch die Fahrtenbücher wühlen.“ Um die Einteilung der ehrenamtlichen Linienbus-Fahrer kümmert sich Uwe Stradtner. Die Aufgabe bereitet ihm keinen Kummer: „Wir haben aktuell 16 Fahrer, oft Rentner, die gerne bereitstehen.“ Generell basiere der Erfolg der beiden Bürgerbusse darauf, dass viele Menschen sich ehrenamtlich engagieren. „Das ist ein Riesenschatz! Ohne würde sich nichts bewegen.“
Klare Nutzungsregeln sind ebenfalls Voraussetzung für den Erfolg. Und Vertrauen. „Auf dem Land hat man den Vorteil, dass man einander kennt“, betont Stefan Schwarz. „Da kann man schnell mal sagen, 'Du, das Auto ist nicht g'scheit geputzt', oder man kann sich den Schlüssel auch schon mal über den Gartenzaun zuwerfen.“
Generell kann jeder Führerscheininhaber einen der beiden Busse für private Fahrten ausleihen – einzige Voraussetzung: Er muss Mitglied im Generationen-Bus-Seinsheim e.V. sein. Das kostet pro Jahr zwölf Euro. Dafür ist man als potenzieller Nutzer registriert und kann jederzeit im Online-Kalender stöbern und die Busse für eigene Fahrten buchen – zu attraktiven Konditionen: einem Euro pro Stunde plus 30 Cent je Kilometer. „Wir haben mittlerweile 114 Mitglieder“, freut sich der Vorsitzende. „Darunter sind Privatleute, Vereine und Gruppen, auch welche aus der weiteren Umgebung wie der Jägerverein Uffenheim.“
„Das ganze Projekt übertrifft unsere Erwartungen“, zieht Uwe Stradtner eine durchweg positive Bilanz. Viele Stammgäste, die regelmäßig fahren, zwei neue Busse, kein Defizit auf dem Konto – da könne man sich schon freuen. „Wir sind ein bisschen stolz darauf, dass wir mit dem Dorf-Auto dafür den Grundstein gelegt haben“, meint Claudia Ott.
Allerdings betont der ganze Vorstand übereinstimmend: Ohne die Finanzspritze vom Landkreis, der Bürgerbuslinien mit 60 Cent pro Kilometer fördert, sähe es sehr viel düsterer aus. „Ohne diesen ÖPNV-Zuschuss ließe sich die Linie nicht betreiben – und die Mietpreise für die Busse könnten auch nicht so moderat sein“, stellt Uwe Stradtner klar. Und wie sieht es mit der Umwelt aus? Inwieweit ist das Car-Sharing auf dem Land auch Umweltschutz? Uwe Stradtner wiegt den Kopf hin und her. „Ich denke, Car-Sharing ist nachhaltig, weil es den Leuten auf dem Land die nötige Mobilität garantiert und sich deshalb manch einer kein zusätzliches Auto anschafft.“ Dennoch belaste jeder Verbrenner natürlich die Umwelt. Zwischen 40.000 und 45.000 Kilometer fahren die beiden Busse pro Jahr. „Wir haben schon an ein klimaneutrales Fahrzeug, einen E-Bus, gedacht, aber derzeit gibt es noch keinen geeigneten Akku für die Strecken, die am Wochenende gefahren werden. Da muss sich die Technik noch ein bisschen weiterentwickeln.“
Speziell am Wochenende sind die Busse nämlich nicht selten einige hundert Kilometer unterwegs. Von der Exkursion über den Wochenendausflug bis hin zum Umzug: Die geräumigen Fahrzeuge werden vielfältig genutzt. „Oft sind beide gleichzeitig unterwegs“, berichtet Stefan Schwarz. Und Uwe Stradtner fügt an: „Die kommen nicht nur in ganz Deutschland rum, sondern waren auch schon in Kroatien und in Wien.“
Insgesamt haben die beiden Busse KT GB 43 und KT SG 43 schon rund 350.000 Kilometer zurückgelegt. Ein Ende ist nicht in Sicht. Der Generationenbusverein will weiterhin „ein Fall für Zwei“ bleiben.
Fahrplan Bürgerbus Seinsheim/Martinsheim: Montags, mittwochs und freitags fährt der Bürgerbus stündlich. Von Marktbreit aus geht es um 9.05 Uhr, um 10.05 Uhr, um 11.05 Uhr und um 12.05 Uhr über Gnodstadt, Enheim, Martinsheim, Unterickelsheim, Bullenheim (bei Bedarf), Winkelhof, Wässerndorf, Seinsheim, Iffigheim und Tiefenstockheim wieder nach Marktbreit; bei Bedarf bringt der Fahrer seine Fahrgäste auch nach Ochsenfurt. Der Fahrpreis beträgt pro Fahrt einen Euro. Generationenbus Seinsheim/ „DorfAuto“: Jeder, der Mitglied im Verein Generationen-Bus-Seinsheim e.V. ist (Mitgliedsbeitrag pro Jahr: 12 Euro) und die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt, darf den Bus für seine privaten Zwecke mieten. Pro gefahrenem Kilometer werden 30 Cent berechnet und 1 Euro je angefangener Stunde (zwischen 6 und 22 Uhr). Im Kilometerpreis ist der Kraftstoff enthalten. Info: Nähere Infos/ Ansprechpartner gibt es online auf der Gemeindeseite seinsheim.de