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KITZINGEN: Das Selbstgespräch: Der Chef ist ein ausgemachter Feigling

KITZINGEN

Das Selbstgespräch: Der Chef ist ein ausgemachter Feigling

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    Überraschungs-Gespräch mit einem Menschen wie Du und ich, oder wie Sie und ich – über Themen, die die Welt bewegen. Wie die Sprache, das gesprochene wie das geschrieben Wort. Wenn ein richtiger Kniefiesler in der Redaktion anruft, dann geht es Banalitäten, Floskeln und Worthülsen an die Daseinsberechtigung. Und da bleibt selbst unser Hausarzt nicht ungeschoren.

    Kniefiesler: Grüß Gott, Meister der Sprache. Darf ich den Wort-Akrobaten mal bei seinem täglichen Drahtseilakt stören?

    Gemach, gemach werter Zeitgenosse. Um was geht's? Und was soll das mit dem Drahtseilakt?

    Kniefiesler: Naja, Sie spielen doch – von Berufs wegen – mit Worten und Bildern.

    Und heraus kommen Sprach-Bilder, oder eine bildhafte Sprache!? Das wollen Sie doch damit sagen.


    Kniefiesler: Und mit Ihnen diskutieren. Etwa darüber, wie leicht man auf dem glatten Sprach-Parkett ausrutschen kann.

    Ihr langatmiger Einstieg lehrt mich das Fürchten. Können Sie sich kurz fassen?

    Kniefiesler: Versuche dieser Redaktion, Sachverhalte in Bildern zu malen, scheitern häufig genug an der Farbmischung.

    Muss man Ihnen folgen können?

    Kniefiesler: Ich kann Sie mit Beispielen aus Ihrer Zeitung perforieren.

    Ich höre!

    Kniefiesler: Was halten Sie von einem Chef, der hinter seiner Truppe steht?

    Banale Frage: Väterlicher Vorgesetzter, schützend, beschützend.

    Kniefiesler: Völlig falsch. Sie müssen sich das Bild vor Augen halten: Ich halte einen Chef, der hinter seiner Truppe steht, für einen ausgemachten Feigling. Der versteckt sich hinter den Seinen.

    Interessante Version.

    Kniefiesler: Oder was halten Sie von der Aussage: Die Veranstaltung war bis auf den letzten Platz besetzt? Lese ich übrigens häufiger bei Ihnen.

    „Der Sport hat seine eigene Sprache entwickelt. Der floskelt nur so vor sich hin“

    Ja, ja, ich weiß und ich kenne auch die finale Frage: Für wen wurde eigentlich der letzte Platz aufgehoben?

    Kniefiesler: Gut beobachtet. Warum schreiben Sie nicht: Die Veranstaltung war voll besetzt, oder ausverkauft?

    Sie haben recht. Solche Formulierungen rutschen leider immer wieder durch. Aber muss man so kleinlich sein?

    Kniefiesler: Man muss, wenn man für sich in Anspruch nimmt, sein Geschäft gelernt zu haben. Das ist wie beim Schreiner. Wenn der nicht richtig hobelt . . .

    Ist ja gut; ich verstehe.

    Kniefiesler: Wirklich? Durchforsten Sie Ihre Ausgabe doch mal nach Banalitäten, nach Worthülsen und Binsenweisheiten. Sie kämen aus dem Hobeln gar nicht mehr 'raus.

    Nun übertreiben Sie aber.

    Kniefiesler: Fangen wir mit dem Sport an. Der hat seine eigene Sprache entwickelt und floskelt nur so vor sich hin: Durch die Mitte, über die Außen, steil oder über die Abwehr.

    Jetzt bin ich aber gespannt.

    Kniefiesler: Schon mal einen Kicker gesehen, der 110 Prozent Leistung bringt? Das geht schon rein rechnerisch nicht. Oder haben Sie je einen Sportler Gras fressen sehen, oder gar den Platz umpflügen. Da stimmen die Bilder nicht mehr. Das ist peinlich . . .

    . . . aber legitim. Und keiner hat sich je darüber beschwert.

    Kniefiesler: Dann haben Sie bislang Glück gehabt. Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge große Schatten.

    Was soll das denn heißen?

    Kniefiesler: Man kann sich seine Philosophie schön zurechtrücken. Das hat alles mit Niveau zu tun. In diesem Fall mit dem Niveau der Sonne.

    Und dieses Niveau sehen Sie in Frage gestellt?

    Kniefiesler: Ich nenne das, was Sie zu Papier bringen, Airbag-Rhetorik. Jede Menge Worthaufen, die zur persönlichen Sicherheit aufgebaut werden. Gleichsam ein Nichtmitteilen. Wischiwaschi, Kurven reden.

    Halten Sie ein!

    Kniefiesler: Sicher nicht; meine Zunge hat just richtig Fahrt aufgenommen.

    Komisches Sprachbild. Wie kann eine Zunge Fahrt aufnehmen.

    „Mein Hausarzt bittet mich, seine Tablette vorzulutschen. Igitt“

    Kniefiesler: Jaaa, gut aufgemerkt. Sie lernen langsam. Vermeintliche Meister des gesprochenen und geschrieben Wortes sollten sehr sensibel sein. Jeden Vergleich, jede Aussage auf die Goldwaage legen. Ich nenn' Ihnen ein typisches Alltags-Beispiel. Haben Sie schon mal über dieses Angebot Ihres Hausarztes nachgedacht: Diese Tablette lutschen Sie mir mal . . .

    Bewusst nicht, aber jetzt, wo Sie's sagen. Klingt komisch: Mein Hausarzt bittet mich, seine Tablette vorzulutschen. Igitt.

    Kniefiesler: Wir kommen der Sache schon näher. Noch ein Beispiel: Sagt die Mutter zu Ihrem Kind: Komm' Du mir nach Hause.

    Ach Du lieber Gott. Diese Aussage hat etwas Bedrohliches.

    Kniefiesler: Und sonst?

    Sie meinen die drei Worte „komm Du mir“?

    Kniefiesler: Genau. Das ist Schwachsinn und zwar potenziert.

    Darf ich mal ein Beispiel bringen?

    Kniefiesler: (väterlich verständnisvoll) Aber sicher.

    „Angriff auf die Lachmuskeln“, fällt mir spontan ein.

    Kniefiesler: Nettes Beispiel: Das hört sich martialisch an. Freude, Spaß können da nicht aufkommen. Das ist Lachen, bis es weh tut.

    Langsam kriege ich Spaß am Worthülsenspiel . . .

    Kniefiesler: . . . übrigens die gemeinste Waffe der rhetorischen Kriegsführung . . .

    Also, getreu Heinz Erhardt noch'n Gedicht: „Die Weinprinzessin wurde frisch gekürt“.

    Kniefiesler: Olala, das ist schon die hohe Schule. Und was sagt uns dieser Satz?

    Klingt wie frisch gemolken, oder?

    Kniefiesler: Genau. Was halten Sie von dem Ausspruch: „Er bestreitet seinen Lebensunterhalt“?

    Also wenn ich mir das genau betrachte . . .

    Kniefiesler: . . . Tun sie's!

    . . . dann bestreitet der Betroffene, dass er einen Lebensunterhalt hat. Offenbar arbeitslos, oder so.

    Kniefiesler: Wunderbar. Ich bin begeistert. Wollen Sie noch eine nette Floskel aus der Schublade „Wie kaschiere ich meine Unkenntnis?“ hören?

    Gerne, Meister, äh, werter Anrufer.

    „Breitmauliger kann man seine Ahnungslosigkeit nicht deutlich machen“

    Kniefiesler: Kennen Sie bestimmt aus der Politik, von Vorstandssprechern und immer mehr auch vom Bürgermeister um die Ecke: „Das entzieht sich meiner Kenntnis“. Breitmauliger kann man seine Ahnungslosigkeit nicht deutlich machen. Ein einfaches „Weiß ich nicht“ würde auch genügen.

    Was für ein Finale: Das war toller Anschauungsunterricht. Ich bin Ihnen für Ihr persönliches Engagement zu großem Dank verpflichtet.

    Kniefiesler: Hätten Sie geschwiegen, wären Sie Philosoph geblieben. Leider haben Sie mir zum Abschluss noch zwei verbale Steilvorlagen gegeben.

    Welche?

    Kniefiesler: Da sollten Sie selbst draufkommen. Sonst wäre mein telefonischer Anschauungsunterricht umsonst, nicht zu verwechseln mit kostenlos, gewesen.  

    SCHRÄG – das Selbstgespräch über Gott und die (lokale) Welt erscheint in unregelmäßiger Folge. Schräge Anregungen (Themen-Vorschläge) richten Sie bitte an: wolfgang.oechsner@mainpost.de

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