Der Versicherungskaufmann kennt die Szenerie nur zu gut: In Ruhe einen Kaffee auf dem Kitzinger Marktplatz zu genießen, ist mitunter gar nicht so einfach. Weil da „jeden dritten, vierten Tag“ ein Mann seinen Auftritt hat, der scheinbar die große Bühne liebt. Anfang Juni vergangenen Jahres war mal wieder solch ein dritter, vierter Tag.
Mit einer Flasche Sekt hatte es sich der 48-Jährige auf einer Bank vor dem Kiliansbrunnen häuslich eingerichtet, um sodann in Richtung Rathaus gewandt eine öffentliche Rede zu halten. Klingt ein wenig nach „Speakers Corner“ im Londoner Hyde-Park, war aber vor allem eines: beleidigend. Zumindest sah das der Versicherungskaufmann so, dem nach dem Satz „Ihr seid alles Mörder!“ der Kaffee nicht mehr schmeckte. „Im höchsten Maße belästigt“ habe er sich gefühlt.
„Ich habe eher ein Nüchternheitsproblem“
Der Angeklagte über seinen Alkoholkonsum
Nach der vergeblich geäußerten Bitte an den Krakeler, er möge doch Ruhe geben, wurde die Polizei geholt und Anzeige wegen Beleidigung erstattet. Außerdem hoffte der Versicherungskaufmann auf die Klärung der Frage, „ob man dem Menschen anderweitig helfen könnte“.
Doch der 48-Jährige denkt gar nicht daran, sich in irgend einer Form helfen zu lassen. Weil ihm das Bier einfach zu gut schmeckt. Und weil er kein Alkoholproblem habe – sondern „eher ein Nüchternheitsproblem“. Von der Beleidigung will er zunächst nicht wirklich etwas wissen. Seine Rede will er als Protest gegen den Weiterbau der Kitzinger Nordtangente verstanden wissen. „Ihr seid alle Mörder“ sei eine Meinungsäußerung aus Sicht der Regenwürmer gewesen.
Dass der Spaß längst aufgehört hat, scheint der Angeklagte nicht mitbekommen zu haben. Elf Vorstrafen sind alles andere als witzig, zwei weitere Verfahren kommen noch. Dass der 48-Jährige gerne „pöpelt und beleidigt“, durfte auch die Kitzinger Polizei schon am eigenen Leib erfahren. Da will es ins Bild passen, dass wenige Tage vor der Verhandlung die Polizei wegen des Krakelers erneut zum Marktplatz musste.
Während die Staatsanwaltschaft eine „kleine Freiheitsstrafe“ von drei Monaten fordert, belässt es das Gericht bei einer Geldstrafe von 900 Euro (90 Tagessätzen zu je zehn Euro). Wobei die eigentliche Frage gar nicht so sehr die Höhe der Bestrafung ist. Sondern vielmehr die, wie man mit einem Trinker umgeht, der öffentlichkeitswirksame Auftritte liebt. Weshalb die Urteilsbegründung eher einem Stoßseufzer glich: „Was macht man nur mit Ihnen?“
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