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Der schwärzeste Tag in der Geschichte

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Der schwärzeste Tag in der Geschichte

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    Auf dem Platz vor der Scheune, auf dem Ortssprecher Richard Mahr und die Zeitzeugen Willi Kohles und Willi
Hack (von links) stehen, spielte vor 60 Jahren ein knapp dreijähriger Bub im Sand. Er wurde vermutlich von
Geschossen aus den Bordwaffen der amerikanischen Tiefflieger tödlich getroffen.
    Auf dem Platz vor der Scheune, auf dem Ortssprecher Richard Mahr und die Zeitzeugen Willi Kohles und Willi Hack (von links) stehen, spielte vor 60 Jahren ein knapp dreijähriger Bub im Sand. Er wurde vermutlich von Geschossen aus den Bordwaffen der amerikanischen Tiefflieger tödlich getroffen. Foto: FOTO M. CABOLET

    Jener Donnerstag, der im kleinen Steigerwald-Dörfchen Ebersbrunn als wunderschöner Frühlingstag begann, verwandelte sich ab 1515 Uhr in einen Tag, der Tod und sinnlose Zerstörung mit sich brachte. Um 1515 Uhr flogen sechs amerikanische Bomber von Nordwesten kommend über den Ort hinweg, beschossen ihn mit Bordwaffen und warfen

    Die Piloten drehten ihre Maschinen noch in Sichtweite östlich von Ebersbrunn und kamen im Tiefflug wieder zurück, um in einem zweiten Angriff nun auch Phosphorbomben abzuwerfen, die das Dorf innerhalb weniger Minuten in ein Meer aus Flammen und Rauch verwandelten.

    Am Abend des 5. April waren zwei Tote zu beklagen, zwei der 27 Anwesen waren völlig zerstört, weitere 18 Höfe teilweise eingeäschert. Nur wenige Gehöfte blieben unversehrt. Noch zwei Tage lang brannte es im Dorf, und noch nach mehreren Wochen waren Brandherde in den Scheunen zu finden. Die Futtervorräte waren vernichtet, das Vieh, das nicht in den Flammen umgekommen war, irrte noch wochenlang in den Fluren und Wäldern umher.

    Willi Hack (71 Jahre) und Willi Kohles (75) waren Zeitzeugen des unerwarteten Angriffs am 5. April. Die grausamen Bilder haben sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Die Gefühle von Trauer und Hilflosigkeit kehren beim Erzählen der Ereignisse zurück.

    An diesem wunderschönen Frühlingstag in der Woche nach Ostern hat niemand in Ebersbrunn mit einem Fliegerangriff gerechnet. Die wehrfähigen Männer waren im Krieg, im Dorf waren überwiegend Kinder, Frauen und alte Männer. Auch einige Flüchtlinge aus den zerbombten Städten suchten Schutz in Ebersbrunn. Willi Kohles, damals 15 Jahre alt, war erst im März vom Arbeitsdienst nach Hause zurückgekehrt und sollte noch einmal im Osten eingesetzt werden. Willi Hack war am 5. April elf Jahre alt.

    "Ich habe die Piloten in ihren Bombern sitzen sehen"

    Willi Hack Augenzeuge

    An diesem Donnerstag bestellten die meisten Ebersbrunner ihre Wiesen und Felder. Der elfjährige Willi Hack war gerade in der Küche seines Elternhauses, weil er etwas zu trinken holen wollte, als die Flieger kamen. "Ich habe die Piloten beim Überflug in ihren Bombern sitzen sehen, und schon hat unsere Scheune gebrannt. Ich bin mit meiner Großmutter in den Keller geflüchtet." Am Abend war das Gehöft seines Vaters Fritz Hack niedergebrannt.

    Rettungsversuche

    Willi Kohles hat vom Feld aus den Angriff miterlebt. "Die Tiefflieger kamen erst vom Nordwesten ins Tal geflogen. Nach dem ersten Bombenangriff drehten sie östlich von Ebersbrunn wieder um und starteten einen zweiten Angriff, diesmal von Ost nach Nordwest. Innerhalb kürzester Zeit stand alles in Flammen. Die Häuser, Ställe und Scheunen brannten lichterloh. Sogar die Straßen brannten. Ich erinnere mich, dass alles ein Flammenmeer war. Die Menschen rannten von den Feldern nach Hause um zu retten, was zu retten war."

    Die beiden Zeitzeugen berichten von den meist vergeblichen Versuchen der Menschen, Vieh und Vorräte zu retten. "Es war ein einziges Chaos. Alles brannte, auch die Straßen." Die Wehren aus den umliegenden Dörfern konnten gegen die lodernden Brände nichts ausrichten. Was nicht von Bomben oder Brandgeschossen getroffen war, geriet letztlich durch Funkenflug in Brand.

    Beim Spielen getroffen

    Deutlich in Erinnerung blieb beiden auch der Tod des knapp dreijährigen Günther Mahr und der 57-jährigen Anna Katharina Beck. Der Junge hatte auf dem elterlichen Anwesen in einem Sandhaufen gespielt als ihn die Schüsse trafen. Die Bauersfrau starb unter den Trümmern ihres Kellers, weil eine Bombe in das Anwesen einschlagen war. Sie wurde erst am Abend gefunden.

    Warum der Angriff erfolgte, das ist bis heute ungeklärt, denn militärisch bot Ebersbrunn kein Angriffsziel. Willi Kohles erinnert sich, dass wenige Tage vorher, an Ostern, ein Transport mit etwa 3000 Gefangenen im Ort Station gemacht hatte. "Die meist russischen Gefangenen wurden von Wehrmachts-Fahrzeugen begleitet. Sie wurden strengstens bewacht. Das Wachpersonal war von der SS. Die Gefangenen kamen vom Osten und blieben eine Nacht in den Scheunen von Ebersbrunn. Das waren so viele, die konnten nur im Stehen schlafen. Dann wurden sie weiter in Richtung Schönaich getrieben." Wie Kohles noch weiß, wurde der Weiterzug der Gefangenen von Luftaufklärern beobachtet.

    Kohles erinnert sich auch, dass bereits Stunden nach der Zerstörung Ebersbrunns der Name des Gauleiters Otto Hellmuth fiel. Ob der sich damals tatsächlich in der Nähe aufgehalten hat, ist nicht bekannt. Es gibt verschiedene Mutmaßungen darüber, warum Ebersbrunn so kurz vor Kriegsende noch zerstört wurde.

    Opfer einer Verwechslung?

    So gibt es das Gerücht, dass die Amerikaner ein Treffen hoher deutscher Generäle in einem Schloss in der Nähe von Ebersbrunn annahmen, und Ebersbrunn Opfer einer Verwechslung mit dem Schloss wurde. Ein anderes Gerücht besagt, dass das nahe gelegene Jagdschloss Ilmbach hätte bombardiert werden sollen, weil man Gauleiter Hellmuth dort vermutete. Eine weitere Vermutung besagt, dass Ebersbrunn mit Eberau bei Ebrach verwechselt wurde. Dort hätte das Munitionslager Ziel des Angriffs werden sollen. Keine der Vermutungen wurde bisher bestätigt.

    Willi Hack und Willi Kohles berichten aber auch von der überwältigenden Hilfsbereitschaft der Menschen aus den Nachbarorten. Da fast alles niedergebrannt war, fehlte es nach dem Angriff noch lange an allem. Erst nach der Währungsreform wurden wieder dauerhafte Gebäude aufgebaut. Vergessen wurde der Tag der Zerstörung nie.

    Zum 60. Jahrestag läuten am kommenden Dienstag ab 15 Uhr die Glocken der St. Vitus Kirche. Um 19. 30 Uhr findet ein Gedenkgottesdienst statt.

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