Reden habe ich schon immer können.“ Das sagt der Albertshöfer Tilo Gernert. Erzählen kann er tatsächlich wie ein Wasserfall – über sein bewegtes Leben, seine Liebe zur Musik und zum Reimen sowie seine Leidenschaft, Vögeln Niststätten zu bescheren. Der 75-Jährige ist ein wandelndes Liederbuch, dessen Leben das Singen und das Mundartdichten geprägt hat.
„Ich war als junger Bursch eher etwas schüchtern“, sagt der heute 75-Jährige, der seine Frau Jutta mit 16 Jahren im Tanzkurs kennen lernte. Danach ging er mit seiner Mutter und seinem Bruder in den Kirchenchor „und habe dort gemerkt, dass ich auch singen kann“.
15 Akkordeons
Schon zwei Jahre früher hatte er sein erstes Akkordeon bekommen, was für ihn nach dem Musikunterricht eine Schule fürs Leben wurde. 15 Akkordeons erwarb er über die Jahre und das Spielen von Saxofon und Klarinette brachte er sich selbst sei. Später arbeitete er als junger Bursche im Albertshöfer Gemüse-Trockenwerk, wechselte nach ein paar Jahren zu mehreren Kitzinger Autohäusern als Autoverkäufer und betrieb anschließend eine Versicherungsagentur.
„Ich war damals ein fröhlicher Wanderer“, scherzt Gernert heute und auch privat prägte die Fröhlichkeit sein Wesen. Die musikalische Veranlagung und sein Talent zu Reimen und Liedertexte schreiben, formten den Feierabendmusiker, Hobby-Poeten und Mundartdichter.
Dichterischer Ursprung
„Die Kirchweihreden waren mein dichterischer Ursprung“, schildert er die Zeit vor über einem halben Jahrhundert. „Das Dichten und Reimen ist meine große Gabe“, sagt der waschechte Albertshöfer, der auch als Göikerer (verheirateter und ehemaliger Kirchweihbursche) weiter die Reden für die Kirchweihprediger schreibt. Als sich 1988 die Höpper-Elfer als Faschingsgesellschaft unter dem Dach des Sportvereins rekrutierten, war Tilo Gernert sofort dabei, als es galt Büttenreden und die Dialoge für den Ratshaussturm zu reimen. Zusammen mit Partnern und Kollegen sowie seinen Brüdern – die Gernerts-Buam – stand und steht er im Fasching auf der Bühne.
Tilo Gernert trat vor 30 Jahren mit weiteren zwölf Musikern und Sängern als Albertshöfer Wengertsstupfler auf. „Wir waren eine Sing- und Gaudi-Truppe und bestritten damals in einer Faschingssession um die 100 Auftritte.“ Er schrieb weiter die Reden für die Marktweiber, die seine Schwester Käthe Kraft mit Partnerinnen verkörperte und dabei „Alwerhöifer Tratsch“ unters Volk brachte.
Viele Mundartlieder
Er schuf Texte zu bekannten Melodien, schrieb eigene Lieder und machten die Entwürfe der Texte für seine Kollegen im Männergesangverein. Dabei entstanden viele Mundartlieder wie das weithin bekannte Sellerielied. „Der dickste Hund war mein Werk im Jahr 1998.“ Da ist sich Gernert sicher. Auf Basis der Melodie der Fernsehserie Lindenstraße textete er drei Verse für seine Gesangvereins-Kollegen. Die probten fleißig mit Chorleiter Hermann Müller, nahmen eine Kassette auf und kamen bei einem Wettbewerb mit ihrem Beitrag unter die besten Zwölf – unter 80 Bewerbern – die bei der Bundesgartenschau in Magdeburg auftreten durften. Für den Gesangverein hat er viele Sätze für bekannte Lieder geschrieben.
Auf seiner Homepage (
) bietet Tilo Gernert seit 1999 seiner Dienste als Büttenreden-Schreiber und Gedichte-Reimer für kleines Geld an. Er stellt sich vor, dieses Angebot auf Lieder zu erweitern, um damit einen Beitrag zu leisten, damit manche traditionelle Stücke nicht in Vergessenheit geraten. Denn die Pflege und der Erhalt des Deutschen Volkslieds liegen dem Rentner sehr am Herzen.
Ob Schlager aus den 1980er-Jahren, ein weit über ein halbes Jahrhundert alte Liederbüchlein oder unzählige Musikkassetten – all das hortet Tilo Gernert und zwar von vielen Interpreten und allen möglichen Musikrichtungen. Dazu kommen zahlreiche Notenblätter, Textvorlagen und Reime aus Gernerts Feder, die Zeugnis seiner musischen Schaffenskraft geben.
Nistkästen-Bau
Ein unermüdlicher Schaffer ist der 75-Jährige auch auf einem ganz anderen Gebiet: beim Nistkästenbau. 1986 hatte ihn ein Zeitungsartikel mit der Überschrift „Wohnungsnot bei Höhlenbrütern“ auf eine Idee gebracht. Und spontan baute er 30 Nistkästen und brachte sie in der Flur an. Bald kam er darauf, dass Nistkästen Putzklappen haben sollten, damit die Kästen schnell und problemlos gereinigt werden können, damit die Vögel keine Krankheiten bekommen. Mit der Zeit perfektionierte er die Nistkästen mit Putzklappe und meldete seine Erfindung im Jahr 2011 beim Patentamt an. Seine Kästen aus Holz, Blech und Wellpappe kann er auch in fünf Meter Höhe mit zwei speziellen Stangen und in Sekundenschnelle ausmisten. Über 30 Jahre hat er eine riesige Anzahl an Nistkästen für einen Gotteslohn gebaut. Davon profitieren die Vögel in Albertshofen, Kitzingen, Mainbernheim, Iphofen, oder auf dem Schwanberg. Dass die Vögel sich in seinen Nistkästen wohlfühlen, belegt Gernert mit der Tatsache, dass er diesen Winter 735 volle Nester in von ihm aufgehängten Kästen gezählt hat.
Hänger? An in den Wald!
Hinaus in die Wälder geht der Albertshöfer nicht nur, um bei den Nistkästen und den Vögeln nach dem Rechten zu schauen. Dort geht der Rentner auch gerne spazieren. Wenn er einmal beim Dichten und Reimen einen Hänger hat: „Dann schlaf ich mal drüber und gehe raus in den Wald, wo dann oft die zündende Idee kommt.“ Man darf also gespannt sein, was sich Tilo Gernert, als nächstes einfallen lässt . . .
„Dann schlaf ich mal drüber und gehe raus in den Wald.“
Wenn Tilo Gernert neue Inspirationen sucht