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LANDKREIS KITZINGEN: Die Altenpflege wird zum Pflegefall

LANDKREIS KITZINGEN

Die Altenpflege wird zum Pflegefall

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    Pflege: Petra Gögelein stützt Heimbewohner Karl Rückert. Im Haus der Pflege in Sickershausen gibt es genügend Fachkräfte und Auszubildende. In Ballungszentren schaut es anders aus. Und die Prognosen sind düster.
    Pflege: Petra Gögelein stützt Heimbewohner Karl Rückert. Im Haus der Pflege in Sickershausen gibt es genügend Fachkräfte und Auszubildende. In Ballungszentren schaut es anders aus. Und die Prognosen sind düster. Foto: Foto: Ralf Dieter

    Dramatisch. Damit ist die Situation gut umschrieben. „Es gibt Einrichtungen in Unterfranken, die müssen jetzt schon ihre Wohnbereiche schließen, weil sie nicht genug Personal haben“, sagt der Leiter der Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe in Würzburg, Volker Weber. Entsprechend düster sind die Aussichten: Die Altenpflege wird zum Pflegefall.

    Nach den Zahlen des Gesundheitsministeriums werden alleine in Bayern bis ins Jahr 2021 knapp 15 000 zusätzliche Altenpflegekräfte gebraucht. Denn im gleichen Zeitraum wird die Zahl der Pflegebedürftigen laut Prognose von rund 200 000 auf bis zu 250 000 steigen.

    „Wir begleiten die Menschen auf ihrem letzten Weg und versuchen, diesen Weg so schön wie möglich zu gestalten.“

    Petra Gögelein Pflegefachkraft

    Eine Umfrage des Landesamtes für Statistik brachte ein erschreckendes Ergebnis ans Tageslicht: Jede dritte Einrichtung in Bayern klagt schon jetzt über häufigen beziehungsweise permanenten Personalmangel. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. „Es wäre ein Wunder, wenn die Ausbildungszahlen nicht noch weiter zurückgehen“, sagt Weber.

    In Nordrhein-Westfalen ist vor zwei Jahren eine Pflegeausbildungsumlage eingeführt worden. Und schon stieg die Anzahl der Auszubildenden um 2200 an. Die Wohlfahrtsverbände in Bayern fordern von der Politik den gleichen Weg. Etwa ein Drittel der Pflegeeinrichtungen bilden nicht aus. „Mit einer Umlage würden diese Betriebe in die Pflicht genommen“, sagt Dr. Barbara Mayerhofer, Geschäftsleiterin für Altenhilfe bei der Diakonie in Schweinfurt. Auch Helmut Witt vom Haus der Pflege in Sickershausen befürwortet eine Einführung. Schon aus Fairnessgründen. Die Kosten für die Ausbildung werden nämlich auf die Bewohner umgelegt – im Haus der Pflege mit 1,60 Euro pro Tag. Ein Heim, das ausbildet, wird schon wegen der Kosten unattraktiver als ein Heim, das nicht ausbildet. „Das ist doch irre“, sagt Witt.

    Im Moment hat er genug Auszubildende. Sechs an der Zahl. Das Durchschnittsalter ist allerdings ungewöhnlich: 39 Jahre. „Die Umschulung wird wieder finanziert“, erklärt Witt. Hilfskräfte lassen sich innerhalb von drei Jahren zu Fachkräften ausbilden. Die Arbeitsagentur fördert diese Maßnahme.

    Petra Gögelein hat vor zwei Jahren ausgelernt. Da war sie 46 Jahre alt. Seither ist sie Pflegefachkraft. Nachdem sie Jahre lang ihre behinderte Tochter gepflegt hat, war sie auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. In ihrem alten Beruf, als Bürokauffrau, hat sie keine Anstellung gefunden. Jetzt ist sie froh über ihr neues Tätigkeitsfeld. „Das ist eine sinnvolle Arbeit“, sagt sie. „Wir begleiten die Menschen auf ihrem letzten Weg und versuchen, diesen Weg so schön wie möglich zu gestalten.“ Mittlerweile hat sie zusätzlich einen Kurs als Mentorin gemacht und betreut selbst drei Auszubildende.

    „Die Umschulung ist eine tolle Geschichte“, sagt Witt. Aber es ist die einzige tolle Geschichte, die ihm im Zusammenhang mit der Altenpflege derzeit einfällt.

    „Die Arbeitsbelastung für Altenpfleger hat sich extrem verschärft“, sagt er. Die Patienten brauchen viel mehr Aufmerksamkeit, als das vor Jahren der Fall war. In der Regel werden nur noch schwer- und schwerstpflegebedürftige Menschen ins Pflegeheim eingeliefert, oft mit demenziellen Einschränkungen. Das Durchschnittsalter für einen Eintritt ins Heim liegt mittlerweile bei 88 Jahren. „Was uns fehlt ist ein Personalbemessungsinstrument“, sagt Witt. Die Politik sträube sich allerdings dagegen. „Sonst wäre der Personalbedarf ja auch deutlich höher als jetzt. Und das System unbezahlbar.“

    1 zu 3,12: So lautet der Personalschlüssel im Moment. Mit anderen Worten: Eine Fachkraft kümmert sich um 3,12 Bewohner. Das ist kaum zu stemmen, wie Dr. Barbara Mayerhofer zu bedenken gibt. „Es kommen fast nur noch schwerkranke Menschen in die Heime“, betont sie.

    „Ich könnte das Fünffache an Träger und Heime vermitteln“

    Volker Weber Leiter Berufsfachschule

    Die Diakonie, die in Kitzingen das Frida-von-Soden-Haus und das Haus Mainblick betreibt, hat noch ausreichend Personal. „Aber bei den Fach- und Führungskräften wird es eng“, sagt Dr. Mayerhofer. Warum? Weil das Ansehen des Berufes nicht gerade das Beste sei. Die Hauptschuld daran trage die Politik.

    Schulleiter Weber sieht das ähnlich. „Die Rahmenbedingungen müssen besser werden“, fordert er. „Und zwar schnell, sonst fährt die Altenpflege an die Wand.“ Am Personalschlüssel müsse genauso gedreht werden wie an der Bezahlung. „Die entspricht auf keinen Fall der Tätigkeit.“ Eine ausgelernte Altenpflegehelferin verdient als Einstiegsgehalt 1300 bis 1400 Euro brutto. Als Fachkraft gibt es 1800 bis 2000 Euro plus Zuschläge. Schwacher Trost: Wer die Ausbildung schafft, hat einen Arbeitsplatz sicher. 50 bis 60 Schüler werden pro Jahrgang in Würzburg unterrichtet. „Ich könnte das Fünffache an Träger und Heime vermitteln“, sagt Weber.

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