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Die bunte Invasion: Nach Alkopops Biermixgetränke

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Die bunte Invasion: Nach Alkopops Biermixgetränke

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    Die Alkopops-Steuer hat im Jahr 2005 binnen weniger Monate einen kompletten Markt zusammenbrechen lassen. Es schien zunächst, als seien zumindest die geschmacklichen Verführungen aus dem Weg geräumt, die für Jugendliche den Einstieg in eine Alkoholkarriere bedeuten können.

    Doch die Industrie zauberte sehr rasch eine ebenso schmackhafte Alternative aus dem Hut und beförderte das alte Problem auf einen neuen Schauplatz: Biermischgetränke sind seit Jahren der Renner bei Jugendlichen und markieren die Nachfolger der Alkopops. Sie sind süß, bunt und durch die auf junge Leute zugeschnittene Werbung auch cool: „Radler war früher eher ein Getränk für die Älteren, heute ist es durch die neue Aufmachung auch für Jugendliche attraktiv“, sagt Herbert Köhl, Geschäftsführer des Kreisjugendrings Kitzingen. Doch neben der alten Bier-Limo-Kombination gibt es nun auch Grapefruit- oder Himbeermischungen.

    „Die Brauer müssen sich immer wieder einen neuen, innovativen Mix einfallen lassen, um in der Verbrauchergunst bestehen zu können“, sagt Volker Kuhl, Geschäftsführer im Marketing und Vertrieb der Brauerei C. & A. Veltins in einer Pressemitteilung. Es scheint zu klappen: Nach einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts AC Nielsen legten die Biermischgetränke im Handel auch 2008 zu, ihr Marktanteil wuchs auf 6,5 Prozent.

    Auf der Veltins-Homepage wird vor allem betont, dass die Käufer aus verschiedenen Generationen kommen. „64 Prozent aller Konsumenten sind zwischen 19 und 49 Jahren alt“, wird ein Bericht der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zitiert. Im selben Bericht steht jedoch auch, dass schon fast ein Drittel des Bier-Budgets der unter 30-Jährigen auf Biermischgetränke entfällt – und hier sind auch junge Leute ab 16 Jahren befragt worden.

    „Radler war früher eher ein Getränk für die Älteren, heute ist es durch die neue Aufmachung auch für Jugendliche attraktiv.“

    Herbert Köhl KJR-Geschäftsführer

    Folglich scheinen die Jugendlichen einfach auf die billigere Variante ausgewichen zu sein, weswegen das Grundproblem nicht gelöst wurde: Wenn bei Alkopops der Alkoholgeschmack durch die Süße größtenteils überdeckt wurde, dann ist das bei Biermischgetränken nicht anders. Bereits im Jahr 2007 hatte ein Sprecher des Spirituosenherstellers Bacardi dem Manager Magazin gesagt, „dass die Alkopop-Sondersteuer als Maßnahme der Alkoholprävention im Ergebnis zu einer Konsumverschiebung und nicht zur Konsumreduktion insgesamt beigetragen hat“.

    Natürlich argumentierte dieser als Vertreter eines ehemaligen Alkopop-Giganten, sollte aber zumindest in einem Punkt recht behalten, nämlich bei der Konsumverschiebung. Denn der Alkoholkonsum bei Minderjährigen ist laut Drogenbericht 2009 sehr wohl zurückgegangen, nämlich von 21,2 Prozent im Jahr 2001 auf 17,4 Prozent im Jahr 2008.

    Doch wahr ist auch: Mehr als 23 000 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren wurden im Jahr 2007 auf Grund einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht, das sind 143 Prozent mehr als im Jahr 2000. Die Koma-Säufer sind auf dem Vormarsch und es ist kaum zu bezweifeln, dass man sich mit Mischgetränken einen Rausch antrinken kann, ohne vorher den Alkohol überhaupt geschmeckt zu haben.

    Generelle Steuererhöhung?

    Doch was tun? Die Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Michael Adams und Tobias Effertz sehen eine Steuererhöhung auf Alkohol als notwendig an, um die Nachfrage zu reduzieren. In einer Analyse, die vor kurzem im Fachblatt „Addiction“ erschienen ist, haben Adams und Effertz ausgerechnet, wie stark höhere Steuern den Alkoholkonsum voraussichtlich sinken ließen. Vor allem solle sich die neue Steuer direkt am Alkoholgehalt der Getränke orientieren und nicht zwischen Bier, Branntwein, Schaumwein, Mischerzeugnissen oder Alkopops unterscheiden.

    Zwei Szenarien haben die Forscher vorgestellt: das skandinavische Szenario mit einer deutlichen Anhebung der Alkoholsteuer auf das Niveau von Dänemark, Schweden und Finnland. Die Abgabe auf Bier würde zum Beispiel von derzeit neun Cent auf einen Euro pro Liter steigen. Das andere, mildere Szenario sähe eine Steuererhöhung auf das durchschnittliche EU-Niveau vor. Hier würde der Preis pro Liter bei Bier um etwa 35 Cent steigen.

    „Wir müssen die Jugendlichen vom Alkohol fernhalten, da ist der Preis zwar auch entscheidend“, so Herbert Köhl vom Kreisjugendring Kitzingen; auf Präventionsarbeit dürfe man aber trotzdem nicht verzichten. Die Jugendlichen müssten den richtigen Umgang mit Alkohol lernen, da spiele es keine Rolle, wie schwer die Beschaffung sei.

    Und selbst im Falle einer Steuererhöhung würden die Biermischgetränke attraktiv bleiben: Hier bewegt sich der Alkoholgehalt ohnehin meist zwischen zwei und drei Prozent.

    Online-Tipp

    Jugend an der Flasche Die Main-Post-Serie „Jugend an der Flasche“ beleuchtet vom 13. Mai bis 13. Juni verschiedene Aspekte der neuen Alkoholproblematik unter Jugendlichen im Landkreis und möchte ein möglichst differenziertes Bild dieses modernen Phänomens zeichnen. Die bisherigen Artikel der Serie finden Sie unter www.mainpost.de/lokales/kitzingen. Außerdem findet seit 13. und bis zum 21. Juni in Zusammenarbeit mit regionalen Netzwerken der Suchthilfe die bundesweite Aktionswoche „Alkohol? Kenn dein Limit“ statt. Weitere Infos unter

    www.aktionswoche-alkohol.de.

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