Sind Esel eigentlich störrisch? Marion Michel-Sauer lacht, diese Frage hört sie ständig: Nein, ein Esel ist überhaupt nicht störrisch, er ist intelligent. „Und zwar sehr intelligent“, fügt das Familienoberhaupt Thomas Sauer an. Beispiel gefällig? Klar: „Bleibt ein Esel einfach stehen, sagt man, er ist störrisch. Dabei geht er nicht weiter, weil vielleicht etwas auf der Straße liegt, ein Gulli da ist. Der Esel überlegt. Hat er gelernt, dass keine Gefahr droht, geht er weiter und wird vor dem gleichen Hindernis nie mehr stehen bleiben, ganz im Gegensatz zum Pferd.“ Thomas Sauer ist in seinem Element: „Ein Pferd kann man dressieren, einen Esel muss man erziehen.“
Die Sauers sind nicht mehr zu bremsen. Wir erfahren, dass Esel nicht gleich Esel ist: Es gibt Zwergesel (Stockmaß 1,05 Meter), Hausesel (1,05 bis 1,30 Meter) und Großesel (1,30 bis 1,35 Meter); dass kaum ein Esel grau ist; dass man Esel nie alleine halten soll, sondern nur mit ihresgleichen („einen Esel allein halten, geht gar nicht“; „Esel mit einem Pferd ist gar nicht gut, weil die zwei zu unterschiedlich sind“), er bis zu 40 Jahre alt werden kann, ein Erwachsener nicht auf ihm reiten sollte, weil er zu schwer ist, er Kinder mag, Kunststücke lernen kann, lieb und neugierig ist, viel Ansprache braucht . . .
Dabei fing alles ganz harmlos an: „Mich haben Esel schon immer fasziniert,“ sagt Marion Michel-Sauer. Ihren Mann brauchte sie nicht lange zu überzeugen und die Sauers wären nicht die Sauers, wenn sie sich die Sache nicht genau überlegt hätten. Da wurden unzählige Fachbücher gewälzt, Eseltreffen besucht und mit erfahrenen Haltern geredet. Platz für Stall und ausreichend Auslauf für den tierischen Familiennachwuchs war genügend vorhanden und so machte sich Vater Thomas ans Werk, vor den Toren Schwarzenaus einen Stall zu bauen. Was heißt einen Stall, ein Esel-Haus, rot gestrichen mit Fenstern. Fehlen nur noch die Vorhänge und Blumen vor den Fenstern.
Dann kam der Tag, an dem die Familie für ihren ersten Esel bereit war: 2001 zog Moritz ein. Und weil ein Esel nicht allein sein darf, kam im gleichen Jahr Bella dazu. 2003 zog Maja zum 40. Geburtstag der Hausherrin ein, ehe 2004 Camillo und 2007 Janosch von ihrer Mutter Bella geboren wurden.
Was macht man mit einem Esel? Die Blicke der Sauers zu solch einer Frage einer Unwissenden sprechen Bände: „Wir gehen beispielsweise mit den Eseln oft spazieren?“ Wie bitte? „Klar, an der Leine.“ Der Beweis wird prompt per Foto geliefert: Ein Mann hat eine Leine in der Hand, neben ihm Esel Nummer eins, daneben Nummer zwei, drei, vier und fünf. Die Schwarzenauer, so versichert Thomas Sauer, hätten sich an den seltsamen Anblick bereits gewöhnt.
„Ein Pferd kann man dressieren, einen Esel erziehen“
Im Sommer werden die Esel vor die Kutsche gespannt, im Winter vor den Schlitten und Bella spielt schon mal im Schwarzenauer Kindergarten den Weihnachtsesel. Ansonsten, sagt Marion Michel-Sauer, macht man mit einem Esel alles, was man auch mit einem Hund macht: Schmusen und liebhaben. Das geht soweit, dass der jüngste Eselsproß, Janosch, schon mal auf den Schoß von Herrchen kletterte. Das, so sagt Thomas Sauer, sollte man aber nicht einreißen lassen, denn so ein Kerlchen bringt im Laufe der Zeit ganz schön Gewicht mit sich. Und wenn dann ein ausgewachsener Esel auf den Schoss will . . .
Jeden Tag besuchen die Sauers ihre fünf, schließlich muss ausgemistet werden. Und wie ist das, wenn man mal in Urlaub fahren will? Zwei, drei Tage, viel länger halten es die Sauers nicht aus, solange versorgen die Eltern die Tiere. Länger weg? Da haben die Sauers keine Lust dazu. Warum denn auch, wo doch das Paradies mitten in Schwarzenau liegt.