Es sind die großen Lebensfragen, die Suche nach dem Sinn des Lebens, die den Menschen umtreibt – sagt Michael Reepen. "Wir Mönche sind auch auf der Suche und laden dazu ein, mit uns auf diese Suche zu gehen", so der Abt des Klosters Münsterschwarzach. Gelegenheit dazu gibt die Büchermesse für religiöse und spirituelle Verlage, die von 18. bis 21. Mai stattfindet. Wer nicht sicher ist, ob er dort richtig ist, sollte Jürgen Sammet fragen. In seinem Buch "Erwarte nichts. Erhoffe alles" beschreibt der Professor für Wirtschaftspsychologie, warum er gerne gläubig ist und wie er den Glauben als "Hobbymönch" in seinen Alltag integriert.
Frage: Sie geben gerne zu, dass sie gläubig sind?
Jürgen Sammet: Ja. Aber ich werde dafür oft komisch angeschaut! Wenn ich sage, ich meditiere, dann ist das mit Interesse verbunden. Wenn ich aber sage: 'Ich bete täglich drei Mal', dann heißt es 'Das hätte ich dir gar nicht zugetraut'. Der christliche Glaube ist durch Tradition und Fehler hoffnungslos verstellt. Deswegen habe ich mich dem Kloster zugewandt. Die Klöster hatten immer einen Reform-Status. Die Abtei ist voller Gäste, die aus der Kirche ausgetreten sind, aber eine Sehnsucht nach 'Mehr' haben. Als ich nach Münsterschwarzach gekommen bin, war ich Atheist. Die Mönche haben mir gezeigt, dass man nicht den dogmatischen Glaubensbegriff leben muss, sondern den der Erfahrung.

Wie haben Sie den Glauben erfahren?
Sammet: Es gab nicht die große Bekehrung, eher Momente in denen ich gedacht habe: 'Was ist denn jetzt passiert?' Die kann man sich auch einbilden. Eine religiöse Erfahrung hat aber eine Auswirkung aufs Leben. Sie verändert Prioritäten, ermuntert zu Unterbrechung, führt in die Stille. Und stillt eine Sehnsucht.
Die Sehnsucht nach etwas, das nicht erklärbar ist. Steht das unserer Aufgeklärtheit entgegen?
Sammet: Es sind unterschiedliche Zugänge zur Welt. Widersprüchlich ist, dass 'Glaube' gleichgesetzt wird mit 'Etwas für wahr Halten', obwohl es wissenschaftlich widerlegt ist. Dabei bedeutet Glaube eigentlich Vertrauen.
Was schlagen Sie vor?
Sammet: Ich ermuntere dazu, offener zu werden. Nicht zu sagen: 'Die Buchmesse in der Abtei Münsterschwarzach ist nichts für mich.' Das ist eine Haltung, die erlaubt, die Grunderfahrung von Glauben zu erleben.
Was gehört noch zur passenden Grundhaltung?
Sammet: Eine Form der Demut, durch die man einen geklärten Blick auf sich selbst bekommt – schließlich neigen wir dazu, uns für besser zu halten. Dabei sind wir nicht alleine die Autoren unseres Lebens. Vieles wird uns geschenkt. Von der Familie, von Freunden. Von Gott. Aus Nächstenliebe.
"Wer sich in liebevoller Zuwendung zu seinem vollgeschissenen Sohn übt, praktiziert auch seinen Glauben."
Jürgen Sammet, Hobbymönch und dreifacher Vater

Wie sieht Ihr Tagesablauf also konkret aus?
Sammet: Anders, als man ihn sich vielleicht vorstellt. Ich habe drei Kinder. Wenn ich versuche, vor meinem jüngsten Sohn aufzustehen, habe ich 20 Minuten zur Sammlung: für Gebet, Stille, Meditation. Das klappt nicht immer. Wer sich aber in liebevoller Zuwendung zu seinem vollgeschissenen Sohn übt, praktiziert auch seinen Glauben. Ansonsten sorge ich für Unterbrechungen. Ich gebe meinem Leben eine Struktur, die zu mir passt. Ich hatte mal fünf Gebetszeiten, mit jedem Kind ist es eine weniger geworden. Aber: Ich lebe die benediktinischen Werte und übe mich in heiterer Gelassenheit.
Heitere Gelassenheit...?
Sammet: ... ist eine Kombination aus Zuversicht und Gleichmut im Wissen um den übergeordneten Zusammenhang. In Franken würde man sagen: 'Des werd' scho'. Das geht auch ohne Religion. Aber mit ihr wird es fundierter. Weil ich einen Grund habe, gelassen zu sein.
Und ein erfülltes Leben führen kann?
Sammet: Erfülltes Leben heißt für mich ausgesöhnt sein, zufrieden mit dem, was ich geschafft habe. Dass man den anderen hört, ohne zu bewerten. Dass man andere Sichtweisen gelten lässt.
Obwohl Sie ihre Eigene so erfolgreich leben?
Sammet: Macht Erfolg glücklich? Bin ich glücklich, wenn ich etwas habe, das der andere nicht hat? Ich denke nicht. Es trägt mich nicht dauerhaft. Was ist, wenn ich krank werde? Was hält mich dann?
Der Glaube?
Sammet: Vielleicht nicht jeden. Für manchen hat Religion keine Antwort. Aber die Wissenschaft auch nicht. Auf diese Grundfrage: Was soll das eigentlich alles? Für mich haben die Benediktiner die Antwort: Es geht ums Tun, sich Öffnen, einfach mal zu machen.

Jeder so, wie es ihm passt? Meditation, Yoga, Rückzug? Wenn das Glaube ist, dann sind vielleicht viel mehr Menschen gläubig, ohne es zu wissen.
Sammet: Ja, vielleicht ist das so. Bei den Benediktinern geht es aber auch um Tiefe durch Gewohnheit. Darum, mit etwas zu beginnen, sich für eines zu entscheiden und es durchzuziehen. Um Disziplin. Viele geben auf, wenn es nicht mehr so klappt. Wenn Widerstand kommt. Dabei geht man doch genau aus diesen Situationen bereichert heraus.
Und das möchten wir eigentlich alle... Also ist Glaube gar nicht unmodern?
Sammet: Absolut nicht. Für mich beinhaltet Glaube vor allem Unterbrechung. Und die haben wir modernen Menschen auf jeden Fall nötig.
Ein Hobbymönch bei der BuchmesseZur Person Jürgen Sammet ist Dr. phil. und Diplom-Pädagoge, Organisationsberater, Lernbegleiter und Hochschuldozent. Seit 2007 unterstützt er die Abtei Münsterschwarzach in Projekten der Organisationsentwicklung, seit 2012 ist er auch Oblate (Hobbymönch) der Abtei. Er ist Vater von drei Kindern, stammt aus der Nähe von Hof und lebt mit seiner Partnerin in Kitzingen.Buchmesse: Die Abtei und der Vier-Türme-Verlag veranstalten vom 18. bis 21. Mai eine Messe mit 13 religiösen und spirituellen Verlagen, dazu stellen Goldschmiede, Gärtnerei und Manufaktur des Klosters, der Fair-Handel und das Klangschalen-Center Aschaffenburg aus. Zudem finden Podiumsdiskussionen, Lesungen und Workshops statt. Pater Anselm Grün eröffnet am Donnerstag, 18. Mai, um 20 Uhr mit der Band „Sternallee“, die Ausstellungshalle am Freitag, 19. Mai, von 11 bis 17.30 Uhr und am Samstag, 20. Mai, von 10 bis 17.30 Uhr. Für Verpflegung und Kinderprogramm ist gesorgt. Der Eintritt ist frei, Info unter www.muensterschwarzacher-buechertage.deQuelle: ljr