Schnee, bedeckter Himmel und beißender Frost, eigentlich kein Wetter für einen Sonntagsspaziergang. Trotzdem war der 6. März 1949 ein ganz großer Tag für Volkach: Nach dreieinhalb Jahren hatte man endlich wieder eine Mainbrücke. Die Stadt war auf den Beinen, als Bischof Julius Döpfner das neue Bauwerk segnete. Ehrengäste, unter ihnen der unterfränkische US-Gouverneur White und Bayerns damaliger Innenminister Willi Ankermüller waren angereist. Brückenbau gehörte zu den wichtigsten Staatsaufgaben, so Ankermüller: Bis 1949 waren allein im Freistaat an die 700 kriegszerstörte Brücken wieder passierbar gemacht worden.
Volkach war abgeschnitten
Auch in Volkach war am 7. April 1945 die städtische Mainbrücke von der Wehrmacht in die Luft gejagt worden. Sinnlos. Über eine Pontonbrücke bei Nordheim rollten die langen Kolonnen der Amerikaner unaufhaltsam weiter Richtung Nürnberg. Vier Wochen später war der Krieg vorbei. Richtung Westen war Volkach nun abgeschnitten. Wer Richtung Astheim oder Würzburg wollte, der musste eine rasch eingerichtete Behelfsfähre benutzen. Schlimmer noch – wegen der Unterbrechung der Bahn, stockte auch der Abtransport der rund um Volkach produzierten Lebensmittel in das Not leidende Bayern. 160 000 Zentner Obst, 200 000 Zentner Gemüse, 60 000 Zentner Getreide und 250 000 Zentner Zuckerrüben warteten auf ihre Abnehmer – so ein zeitgenössischer Bericht.
Beton und Stahl: Mangelware
Um rasche Abhilfe zu schaffen, hatte der Volkacher Stadtrat bereits am 21. Dezember einen Brückenbauausschuss eingesetzt. Unter seinem Vorsitzenden, dem Kaufmann Georg Berz, wurde versucht den Brückenbau zu forcieren. Doch das Gremium hatte wenig Erfolg. Zwar hatten in den Schubladen der Rhein-Main-Donau-AG Pläne für eine neue, schifffahrtsgerechte Mainbrücke die Bombennächte überstanden, aber für den Neubau gab es weder Beton noch Stahl. Zudem standen wichtigere Projekte an, etwa die Eisenbahnbrücken über die Donau.
Richtig in Schwung kam der Brückenbau erst, als Berz den damals in München lebenden Rechtsanwalt Dr. Franz Stadelmayer für sein Vorhaben gewinnen konnte. Stadelmayer – 1949 wurde er zum Würzburger Oberbürgermeister gewählt – hatte das nötige Organisationstalent und Beziehungen. Um den Brückenschlag zu beschleunigen, regte er im April 1947 an, erst einmal eine Behelfsbrücke zu bauen, aus einer alten Roth-Waagner-Kriegsbrücke der Wehrmacht. Pioniere hatten dieses Baukastensystem schon seit dem Ersten Weltkrieg genutzt – und anscheinend war nach Kriegsende noch genügend Brückenbaumaterial übrig.
Hochwasser auf der Baustelle
Ab August 1947 baggerte die Baufirma Leonhard Moll die Trümmer der gesprengten Mainbrücke aus dem Fluss. Mitarbeiten mussten auch ehemalige Nazi-Funktionäre, die von den Spruchkammern zu Aufbauarbeiten verurteilt worden waren. Bereits im November konnte auf Volkacher Seite der Grundstein für den ersten Brückenpfeiler gelegt werden. Zwischen Dezember und Januar überschwemmte ein heftiges Winterhochwasser die Baustelle samt Baggern und Feldbahnlokomotiven, doch bis April 1948 waren alle vier Flusspfeiler und die beiden Widerlager betoniert. Auf ihnen ist im freien Vorbau die stählerne Brückenkonstruktion montiert worden. Anfang 1949 war auch die Fahrbahn fertig verlegt. Bei der Endabrechnung kostete der Bau schließlich 750 000 der damals nagelneuen D-Mark, heute wären das rund 3,2 Millionen Euro.
Beliebtes Fotomotiv
Die neue Volkacher Mainbrücke gehörte nun dem Freistaat Bayern, die Bundesbahn war Partnerin. Beide teilten sich die Unterhaltskosten, dafür konnte neben dem Straßenverkehr auch die Bahn wieder über den Main rollen. Bundesweit war das bis 1991 ein einsames Kuriosum, das Jahr für Jahr Fotografen und Eisenbahnfans anlockte. Und auch für Georg Berz hatte sich das Engagement im Brückenbauausschuss gelohnt: Am 25. April 1948 ist er mit großem Vorsprung zum Volkacher Bürgermeister gewählt worden. Er behielt dieses Amt bis 1970.
Dritte Brücke: Baubeginn naht
Da bis Mitte der fünfziger Jahre der Bau einer endgültigen Brücke noch immer nicht zustande gekommen war, galt es 1959 die stählerne Mainbrücke um 1,69 Meter anzuheben. Sie musste nun „den Großschifffahrtsverhältnissen“ angepasst werden, der Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals hatte Volkach erreicht. Mit Hydraulikpressen ist die 1544 Tonnen schwere Brücke auf drei Mal angehoben worden, Pfeiler und Widerlager hat man entsprechend aufgestockt. Im Zug der Brückenhebung wurde auch die Bahnlinie höher gelegt, das Material dafür hatte man im Astheimer Einschnitt abgetragen. Auch das Brückenwärterhaus stammt aus dieser Zeit.
Trotz vieler Pläne, zu einem Brückenneubau ist es bis heute nicht gekommen. Das Provisorium aus dem Jahr 1949 hält sich hartnäckig. Am Bauunterhalt ist allerdings all die Jahre gespart worden, schließlich sollte ja „schon bald“ eine neue Brücke gebaut werden. Dementsprechend verschlechterte sich der Zustand des Bauwerks. Zum 30. September 1991 ist es aus technischen Gründen für den Schienenverkehr gesperrt worden.
Wie es derzeit aussieht, soll der Bau der dritten Volkacher Mainbrücke Ende 2009 beginnen – ohne Gleis – und zwei Jahre dauern. Danach wird die alte Roth-Waagner-Konstruktion abgebrochen werden. Damit geht dann auch die bislang noch intakte, aber rechtlich längst aufgehobene Bahntrasse zum Volkacher Bahnhof verloren.
Als eine insgesamt 26 Meter hohe Bogenkonstruktion wird die neue Mainbrücke ausgeführt werden. Höher als das Obere und das Untere Gaibacher Tor mit ihren 18 beziehungsweise 15 Metern Höhe – oder halb so hoch wie der Volkacher Kirchturm mit seinen 54 Metern. Wie das dann aussehen wird, verriet schon 2007 der Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsverfahren: „Durch die geplante Stabbogenbrücke wird die Dominanz des Brückenstandorts gegenüber der bestehenden Mainbrücke verstärkt. Die gewohnten Blickbeziehungen werden sowohl Richtung Volkach als auch Richtung Astheim durch den Brückenneubau verändert.“
In der Praxis lässt sich das am Beispiel der neuen Bergrheinfelder Mainbrücke erahnen, ohne große Phantasie. Aber vielleicht wird der Brückenneubau ja auch in der Tradition der ersten, der steinernen Mainbrücke stehen. Auf der Urkunde, die 1947 in den Grundstein der vor 60 Jahren eröffneten Mainbrücke gelegt wurde, hatte man sie beschrieben, als „ein Werk, um das mit heiligem Fleiß und einer Anspannung aller Kräfte gerungen worden war und das in der sicheren Anpassung an die liebliche Landschaft des Maintales eine hohe Schönheit in sich barg“.
Jede Menge Schrott
Von der stählernen Mainbrücke werden auf Astheimer Seite das Widerlager und das 1959 gebaute Brückenhaus übrig bleiben. Dem Förderverein Mainschleifenbahn war es 2008 gelungen, sie vor der Abrissbirne zu retten – als künftige Endstation des 1909 eröffneten „Säuferbähnles“. Die markante Stahlkonstruktion der Roth-Waagner-Brücke wird dann komplett verschrottet werden.
Wolfgang Schramm ist auch Autor des Buchs „Die Mainschleife und ihre Eisenbahn, Bilder, Geschichte und Geschichten“ (376 Seiten, über 600 Bilder, Karten und Pläne. Das Buch ist erhältlich im Volkacher Verlag Karl Hart oder in Internetshop des Fördervereins: www.mainschleifenbahn.de (48 Euro).