Valerie Riedesel Freifrau zu Eisenbach erzählt in ihrem Buch „Geisterkinder. Fünf Geschwister in Himmlers Sippenhaft“ die bewegende Geschichte ihrer Familie. Nicht irgendeine Chronik, Valerie Riedesel läßt vielmehr die Geschehnisse nach dem missglückten Hitlerattentat am 20. Juli 1944 lebendig werden.
Sie ist die Enkelin von Cäsar von Hofacker, Anführer der Pariser Verschwörer und ein Cousin Claus Schenk Graf von Stauffenbergs. Nach seiner Verhaftung wird seine Frau Lotte und die beiden ältesten Kinder in Sippenhaft genommen. Die drei Jüngsten werden in ein Kinderheim verschleppt. Ihre Identität sollte ausgelöscht werden, es sind „Geisterkinder“.
Parallel zur aktuellen Ausstellung im Foyer der Alten Synagoge, „Die nach dem 20. Juli nach Bad Sachsa verschleppten Kinder“ liest Valerie Riedesel aus den Tagebüchern ihrer Mutter Anna-Luise und ihrer Tante Christa. In einem Pappkarton fand sich auch die Korrespondenz zwischen dem Großvater und Anna-Luise. „Durch die Briefe an meine Mutter ist er mir nahe gekommen“, sagt die Autorin. „Sie offenbaren so viel Tiefe, Anteilnahme, Glaube und eine Ernsthaftigkeit im Gespräch mit seiner 13-jährigen Tochter.“
Ein Glücksfall sei gewesen, dass die Aufzeichnungen ihrer Mutter in Sütterlin geschrieben waren, das sie selbst nicht entziffern konnte. So entwickelte sich beim Vorlesen ein gemeinsames Aufarbeiten der Vergangenheit. Erst mit 84 Jahren war die Mutter zu überzeugen, dass ihr persönliches Schicksal und das ihrer Familie veröffentlicht werden sollte.
Aus einem einzigartigen Fundus an Originaldokumenten kann die studierte Journalistin schöpfen. Sie zeichnet das Bild einer Idylle in Krottenmühl am Simssee nach der Evakuierung aus Berlin auf. Von Bergtouren mit dem Vater, von Hühnern und Hasen.
Mitfühlend und packend schildert sie die Ereignisse nach dem 20. Juli. Die Großmutter Lotte und die beiden ältesten Kinder, Anna-Luise und Eberhard kommen ins Gefängnis nach München. Christa, Alfred und Liselotte nach Bad Sachsa im Südharz.
„Wo werden die Kleinen und Vater das Christfest verleben? Es ist so hart, daß wir alle getrennt sind und keiner vom anderen weiß....“ schrieb Anna-Luise von Hofacker aus der Sippenhaft an ihre Großmutter. Vier Tage vor Weihnachten wurde Cäsar von Hofacker hingerichtet. Die Nachricht vom Volksgerichtshof erhielt Sohn Eberhard im Sonderlager des KZ Stutthof bei Danzig. Von dort ging es Ende Januar 45 mit der Eisenbahn bei minus 30 Grad ins KZ Buchenwald. „Der christliche Glaube hat meine Familie und viele andere Sippenhäftlinge durch die Gefangenschaft getragen, ...“ schrieb Anna-Luise in ihr Hafttagebuch.
Nach der glücklichen Befreiung durch die Amerikaner dauerte es noch bis Mitte Juli 45, bis Lotte von Hofacker ihre drei jüngsten Kinder wiedersehen konnte.
Die stellvertretende Kulturreferentin der Stadt Kitzingen, Elvira Kahnt, fasste es in ihrem Grußwort zusammen: Bis aus den Attentätern des 20. Juli im Staatsverständnis und in weiten Kreisen der Bevölkerung Helden im wahrsten Sinne des Wortes wurden, dauerte es lange.
Die Wanderausstellung in der Alten Synagoge ist noch am Donnerstag, 27. September, von 11 bis 17 Uhr zu sehen.