Es geht um Angst, um Leid, um Kummer. Es geht um Raketen, Panzer und Krieg. Doch es geht auch um Registrierung, Aufenthaltstitel, Anschlussunterbringung. Wer einen Überblick über die Situation der ukrainischen Flüchtlinge erhalten will, der kommt um Zahlen, Fakten, Behördendeutsch und Verwaltungsvorgänge nicht herum. Sozialamtsleiter Daniel Kanzinger und Sabine Taub von der Ausländerbehörde im Kitzinger Landratsamt geben einen Einblick.
Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine leben derzeit im Kreis Kitzingen?
Stand 31. Mai 2022 leben derzeit 950 Geflüchtete aus der Ukraine im Landkreis Kitzingen, die Zahlen ändern sich täglich. Knapp 300 sind männlich, etwa 650 weiblich. Unter den Geflüchteten sind etwa 450 Kinder, davon sind um die 100 jünger als sechs Jahre. Auch erwachsene Männer sind im Landkreis untergekommen, 94 haben die ukrainische Staatsbürgerschaft. Dabei handelt es sich laut Landratsamt um Rentner und nicht wehrtaugliche Männer.
Wann sind die ersten gekommen und kommen auch jetzt noch Menschen aus dem Kriegsgebiet?
Wann die ersten Menschen in den Landkreis kamen, lässt sich nicht genau nachvollziehen, da viele Menschen auf private Initiative/Einladung gekommen sind. Die ersten Anmeldungen in den Einwohnermeldeämtern, die an die Ausländerbehörde weitergeleitet wurden, gab es am 8. März. Auch jetzt kommen immer noch Menschen aus der Ukraine in den Landkreis, aber viel weniger. Es gibt auch einige, die wieder wegziehen oder auch in die Ukraine zurückgehen – derzeit sind 94 Personen bekannt. Im Unterschied zu Flüchtlingen aus anderen Ländern, wie zum Beispiel Syrien, können sich ukrainische Staatsbürger 90 Tage lang ohne Aufenthaltstitel frei in Deutschland bewegen. Sie müssen auch nicht an Ort und Stelle bleiben, sondern können aus einer zur Verfügung gestellten Unterkunft einfach weiterreisen.
Was ist die erste Anlaufstelle für die Geflüchteten?
Grundsätzlich sollen sich alle ohne Unterkunft im Ankerzentrum Geldersheim melden, dort wird die Registrierung und Verteilung durchgeführt. Es kamen und kommen aber sehr viele Menschen auf private Initiative hin und leben bei Freunden oder Bekannten. Dann wäre der erste Gang zum Einwohnermeldeamt. Nach der Anmeldung dort werden die Daten dem Ausländeramt online übermittelt und die Geflüchteten im Ausländerzentralregister (AZR) registriert.
Wie läuft die Registrierung ab?
Die Registrierung in der Ausländerbehörde des Landratsamtes ist aufwändig, sie dauert für jede Person etwa 30 Minuten. Das Innenministerium schreibt dieses sehr umfassende so genannte PIK-Registrierungsverfahren – mit Fingerabdrücken, Foto, Datenerfassung, -abgleich – derzeit vor. Neben Polizisten im Ruhestand, wie dem stellvertretenden Landrat Robert Finster, unterstützt auch die Polizei Kitzingen die Ausländerbehörde dabei personell. Die Termine für diese Registrierung vereinbaren die Mitarbeiter der Ausländerbehörde mit den Betroffenen, nach der Reihenfolge der Registrierung beim Einwohnermeldeamt. Dies kann einige Wochen dauern. Nachteile entstehen dadurch nicht.
Welche Unterkünfte gibt es im Landkreis, wie viele Geflüchtete leben dort? Wer trägt die Kosten?
Insgesamt gibt es im Landkreis Kitzingen sechs dezentrale Unterkünfte, die Notunterkunft in Mainbernheim, das Motel Pelikan, die Anschlussunterbringung im ConneKT sowie Unterkünfte in Dettelbach, Albertshofen und Wiesenbronn. Insgesamt sind dort etwa 150 Personen untergebracht, die meisten von ihnen im ConneKT. Die Kosten trägt der Freistaat Bayern.
Die Zahl der Geflüchteten sinkt. Muss der Landkreis noch Notunterkünfte bereithalten?
Ja, das Landratsamt hat keine andere Weisung erhalten.
Wie viele Menschen sind bei Privatleuten untergebracht? Und wer übernimmt hier die Kosten?
Etwa 800 Personen. Aufgrund vieler Umzüge oder Wegzüge kann die Zahl nicht ganz genau gesagt werden. Falls jemand keine Sozialleistung bezieht, da er zum Beispiel arbeitet oder Vermögen besitzt, bekommt das Landratsamt es nicht immer mit, wenn Ukrainer aus dem Landkreis wegziehen. Die Kosten für die Unterbringung werden im Rahmen der Sozialleistung übernommen, sofern sie angemessen sind.
Wie bekommen die Geflüchteten Geld und wieviel?
Die erste Auszahlung erfolgte bisher in der Asylbewerberleistungsgesetz-Stelle selbst, im Folgemonat dann auf der jeweiligen Gemeinde. Seit dem 1. Juni ist grundsätzlich das Jobcenter beziehungsweise das Sozialamt zuständig. Die Leistungen werden nun überwiesen. Die Höhe der Leistungen hängt davon ab, wie die Geflüchteten untergebracht sind. Laut Asylbewerberleistungsgesetz liegt der Bedarf zum Beispiel für einen Alleinstehenden oder Alleinerziehenden bei 367 Euro, für Erwachsene in einer stationären Einrichtung bei 294 Euro, für Kinder von 6 und 13 Jahren bei 283 Euro.
Welche Unterstützung gibt es darüber hinaus für Geflüchtete?
Die hauptamtliche Beratung erfolgt durch die Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas und der Migrationsberatung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Zudem gibt es unterschiedliche ehrenamtliche Gruppen.
Welche Unterstützung gibt es für die ehrenamtlichen Helfer?
Aktuell nimmt die Integrationslotsin für den Kreis Kitzingen ihren Dienst auf, diese Stelle wurde neu geschaffen. Aufgabe der Integrationslotsin ist es, Ehrenamtliche zu vernetzen, zu beraten und zu gewinnen.
Wie ist die ehrenamtliche Betreuung organisiert?
Bisher erfolgte diese über die Freiwilligenagentur GemeinSinn, wird aber für den Bereich Integration bald im Abstimmung zwischen der Integrationslotsin, GemeinSinn, WirKT und anderen Netzwerkpartnern erfolgen.
Welche nicht absehbaren Probleme sind aufgetaucht?
Der Arbeitsanfall ist laut Landratsamt enorm. Das Auskunftsgeschehen sei „unkoordiniert“, weil sich Ukrainier drei Monate ohne Visum im Schengenraum aufhalten dürfen und sich nirgendwo melden müssen. Sie haben auch nicht die Pflicht, sich in Gemeinschaftsunterkünften aufzuhalten, sondern können gleich in Privatwohnungen ziehen. Teilweise waren zudem Busse angekündigt, die dann kurzfristig nicht gekommen sind, oder es ist nur ein Teil der angekündigten Personen gekommen oder welche sind direkt weitergereist. Viele Ukrainer sind auf Privatinitiative hier, mussten aber auch ausländerrechtlich erfasst werden. Zudem ändere sich die Rechtslage ständig, ebenso die Vorschriften für die PIK–Erfassung, beispielsweise, wer welche Fingerabdrücke abgeben muss.