Seit einigen Jahren unterhält das Wiesentheider Gymnasium Kontakte zu dem ukrainischen Gymnasium in der zirka 230 Kilometer westlich von Kiew gelegenen Stadt mit 56000 Einwohnern. Auf der Fahrt durch den westlichen Teil der Ukraine gewannen die Wiesentheider erste Eindrücke von den schwierigen Lebensbedingungen in dem etwa 50 Millionen Einwohner zählenden Land. Trotz aller Schwierigkeiten wird Gastfreundschaft sehr gepflegt, wie Natascha Gerstner, Charlotte Utta, Eva-Maria Hartner, Elke Neumann, Nina Nellen, Mona Sturn, Amy Carr, Ben Calderhead und Lehrer Wolf-Dieter Gutsch in ihren Gastfamilien erfuhren.
Deutschlehrer Valentin Witrenko, der schon öfter in Wiesentheid zu Besuch war, hatte für die deutschen Gäste ein umfangreiches und interessantes Besuchsprogramm zusammengestellt und bei der Organisation des Schüleraustausches keine Mühen gescheut, auch was die nicht einfache Beschaffung finanzieller Zuschüsse betraf, wie im Reisebericht zu lesen ist.
So besuchten die Gäste zwei Unterrichtsstunden in Deutsch und Englisch am Gymnasium und erkundeten auf einem kleinen Rundgang die Schule, die obwohl die Einrichtung etwas einfacher ist, sich gar nicht so sehr von deutschen Schulen unterscheidet. Auffallend war allerdings, dass es an ukrainischen Gymnasien einen Handarbeitsraum, zwei Werkräume (Holz und Metall) sowie mindestens einen Choreographie-Raum gibt. Noch überraschter waren die Besucher, als sie nach dem Rundgang in die Aula traten: Dort begrüßten die Schüler sie mit Liedern und Tänzen.
Eine interessante Erfahrung sollte für die deutschen Schüler die offizielle Feier zum Schuljahresschluss und zur Verabschiedung der Abiturienten - die ihre Abiturprüfungen in den ersten Wochen nach Unterrichtsschluss ablegen - werden: Fahnenabordnungen und Singen der Nationalhymne, Blumen für die Lehrer, Abschlusstanz, all das war ungewohnt.
Einen Ausflug in ukrainischen Alltag unternahmen die Wiesentheider Gruppe mit ihrem Besuch einer Textilfabrik, in der ungefähr 700 Menschen beschäftigt sind. Diese Fabrik arbeitet eng mit einer Augsburger Firma zusammen und exportiert einen großen Teil ihrer Produktion nach Deutschland. Der Durchschnittsmonatslohn der Beschäftigten, beträgt etwa 500 Griwnjas. Das sind umgerechnet etwa 100 Dollar und das ist ungefähr doppelt so viel, wie ein ukrainischer Gymnasiallehrer verdient.
Mit dem düstersten Kapitel der deutschen Geschichte wurden die Schülern häufig konfrontiert: Bei einem Besuch in einem ehemaligen Kriegsgefangenenlager, in dem während des Zweiten Weltkriegs Soldaten der Roten Armee gefangen waren. An ihnen wurden medizinische Experimente vorgenommen, in erster Linie Amputationen ohne Narkose. Tausende von jungen Sowjetsoldaten ließen dabei ihr Leben und wurden in einem Massengrab beigesetzt.
Weitere Begegnungen mit der deutschen Geschichte hatten die jungen Leute auf dem Friedhof, an den Gräbern deutscher Kriegsgefangener, die Jahren 1945/46 in Nowograd-Wolhynsk starben, an den Bunkeranlagen, die im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle bei den Kämpfen um die Stadt spielten und an einem Massengrab für zirka 6000 Juden, die deutsche Truppen im Herbst 1941 ermordeten. Das ist nicht das einzige derartige Massengrab in Nowograd-Wolhynsk, es gibt zwei weitere und in der Ukraine noch viele mehr.
Größere Ausflüge brachten die Wiesentheider Jugendlichen in die Bezirkshauptstadt Shitomir, nach Kiew, Gorodniz und nach Ostrog, wo die jungen Reisenden die Kulturschätze des Landes besichtigten. Museen, Schlösser, Klöster, Kathedralen und eine Universität standen unter anderem auf dem Programm.
Melancholische Landschaft
Nach zwei ereignisreichen Wochen kam der Tag der Abreise. Die Gastgeber verabschiedeten ihre Besucher herzlich und beschenkten sie reichlich, bevor der Bus nach Korosten startete. Von dort aus ging die Reise mit der Bahn nach Kiew und Berlin. Die Fahrt im Zug war viel komfortabler als im Bus, so dass die Reisenden die Fahrt durch die weite, ebene und ein wenig melancholische ukrainische Landschaft genießen konnten.
In ihrem Rückblick auf die Reise werten die Teilnehmer die zwei Wochen in der Ukraine als eine interessante und schöne Zeit. Sie lernten viele Sehenswürdigkeiten kennen und begegneten vielen netten Menschen, Fremdsprachenkenntnisse erstaunen ließen. Besonders beeindruckt waren die Schüler und ihr Begleiter von der Gastfreundschaft, der teilweise aufopfernden Betreuung von Valentin Witrenko und den Gasteltern sowie von der Aufmerksamkeit, die ihr Besuch überall erregte.