Herbert Meyer konnte die Nachricht kaum glauben, die er am 7. August 1962 im Radio hörte: Dass Diebe im Morgengrauen jenes Tages die Riemenschneider-Madonna aus der Wallfahrtskapelle seines Heimatortes Volkach gestohlen hatten, „das war ein Schock für mich“. Meyer lebte damals mit der Familie in Würzburg, war „Außenstehender“, wie er sagt. „Der Schmerz in Volkach war nicht nur groß, weil viele Leute gläubig waren. Sondern auch, weil nur schwer vorstellbar war, dass unser Kunstwerk von Riemenschneider für immer verloren sein sollte.“
„Geschockt“ war vor 50 Jahren auch Hans Leipold. „Der Kirchberg hat für die Volkacher von alters her eine große Bedeutung. Seit 1258 gibt es dort die Urpfarrei, die bis zur Gründung der Stadtpfarrei Mittelpunkt für die ganzen Gemeinden der Gegend war.“ Und ausgerechnet dort wurde die Madonna geraubt, die im Weingarten seit 1524 beheimatet war und verehrt wurde.
Wo Leipold die Nachricht erfahren hat, weiß der frühere Pfarrgemeinderats-Vorsitzende (1978 bis 1994) nicht mehr. „Doch betroffen war irgendwie jeder. Wie stark, hing davon ab, wie nahe man der Kirche stand.“ Nie und nimmer hätte man sich damals vorstellen können, dass so etwas in Volkach passiert. „Die Madonna über dem rechten Seitenaltar war völlig ungesichert. Beim Küster hat es nicht mal einen Telefonanschluss gegeben“, so Leipold. 1962 sei man auch deshalb ziemlich unbedarft gewesen, weil der Wert der gotischen Schnitzerei damals kaum bekannt war. Das habe sich erst durch den damaligen Stern-Chefredakteur Henri Nannen und sein „Lösegeld-Angebot“ an die Diebe geändert. „Nannen hatte ja Kunstgeschichte in Würzburg studiert und war ein Riemenschneider-Experte“, so Leipold, der viele Jahre in Gerolzhofen als Bankkaufmann tätig war. Der 73-Jährige ist auch derzeit gelegentlich oben in der Wallfahrtskirche, die Madonna bedeutet ihm viel. „Und das gilt für alle Volkacher, die der Kirche nahestehen.“ Das könne man sehr gut an den Renovierungen der vergangenen Jahrzehnte sehen. „Die Bevölkerung hat immer rege gespendet. Und auch die Stadt hat immer geholfen – gerade erst wieder mit 150 000 Euro bei der Außenrenovierung.“
Ehrenbürger dankt Ehrenbürger
Auch Herbert Meyer (79) ist dem 1996 gestorbenen Henri Nannen bis heute dankbar für sein damaliges Engagement. „Nannen wurde angefeindet und angezeigt. Doch nur dank seines Geldes und seines Verhandlungsgeschicks tauchte die Madonna schon im November 1962 wieder auf.“ Nannen sei völlig zurecht Volkacher Ehrenbürger geworden – eine Würde, die Meyer vor wenigen Monaten selbst zuteil wurde.
Er hat zur Madonna bis heute eine starke Verbindung. „Ich bin öfters oben“, erzählt Volkachs früherer zweiter Bürgermeister. „Nie mehr“ würde dieses Kunstwerk aus der Hand gegeben: Selbst die Anfrage aus Würzburg zur großen Riemenschneider-Ausstellung 2004 sei abgelehnt worden. Und Diebe, sagt Meyer, die müssten auch nicht mehr gefürchtet werden. „Die elektronische Sicherung bietet besten Schutz.“