Ferdinand ist ein Mädchen. Das stellte sich allerdings erst heraus, als der Findelhund bereits seinen Namen hatte. Vor elf Jahren im Spanien-Urlaub war es, als Kerstin Hüllmandel ein kleines Häufchen Hund über den Weg lief. Wobei es wahrscheinlich treffender wäre, von einem kleinen Häufchen Elend zu sprechen. Seither gehört das Mädchen Ferdinand zur Familie und wohnt im Historischen Pfarrhof in Mönchsondheim bei Kerstin Hüllmandel, Albert Knaus und zwei Pferden.
Auch wenn die Urlaubsgeschichte inzwischen schon leicht angestaubt ist – sie muss fast zwangsläufig am Anfang stehen. Weil die kleine Begebenheit erklärt, dass jemand wie Kerstin Hüllmandel auch im Urlaub anders durch die Welt geht. Weggucken ist jedenfalls nicht ihre Sache, was es mitunter ziemlich kompliziert macht. So wie vergangenen August im Rumänien-Urlaub, der Kerstin Hüllmandel noch lange nachhing.
Kein Tag verging, ohne dass sie misshandelte oder überfahrene Hunde sah. Gebrochene Gliedmaßen, offene Wunden: Was der Mönchsondheimerin da begegnete, „war wirklich brutal“. Kein Wunder, dass oft genug „das Abendessen nicht schmeckte“. Spätestens jetzt stand fest: „Ich muss was tun!“ Diese völlige Hilflosigkeit, dieses Nichthelfenkönnen, dies Machtlosigkeit – das, so die Rumänien-Reisende, „passiert mir nicht noch einmal“.
„Das war wirklich brutal.“
Kerstin Hüllmandel über den Anblick wilder Hunde in Rumänien
Wieder daheim, machte sich Kerstin Hüllmandel ans Werk: Sie recherchierte im Internet, hörte sich hier um, sprach da Gleichgesinnte an. Schließlich bekam sie Kontakt mit der Rottendorferin Jutta Kromer, die sich unter www.hundehilfe-gabriel.de für Vierbeiner einsetzt. Genau dort erfuhr das Frauchen von Ferdinand, dass es gar nicht so schwer ist, konkret etwas zu tun. Dass es Mittel, Wege und Möglichkeiten gibt, sich gegen das Leid der Tiere zu stemmen. Und das fast ohne Aufwand, beispielsweise als Flugpate. Die Idee dahinter: Jeder Flugreisende kann im Flieger kostenlos ein Tier mitnehmen. Das nutzen Tierfreunde, um Hunde aus der Hölle zu retten und ins Paradies zu bringen. Für den Flugpaten eine leichte Übung: Er bekommt am Flughafen den Hund in der Box in die Hand gedrückt und gibt diese nach der Landung wieder ab.
Als sich Kerstin Hüllmandel in diesem Frühjahr in den Urlaub aufmachte, war einiges anders. Sie wusste längst, was sich hinter der „Allianz für Straßenhunde in Europa“ verbirgt. Weshalb sie diesmal Hilfslieferung im Gepäck hatte und auch sonst gut vorbereitet war: Auf Sardinien, so viel stand fest, würde sie eher die Hunde-Hölle antreffen.
Doch diesmal gab es für den Fall der Fälle eine Ansprechpartnerin vor Ort, die in Budoni so etwas wie eine Pflegestelle betreibt und schon sehnsüchtig auf die aus Deutschland eingeflogene Hunde-Medizin wartete. Und es gab mit www.niemandshunde.de eine Informationsquelle für alles, was da kommen möge. Das etwas kommen würde – man konnte die Uhr danach stellen. Der Fall der Fälle trat am 26. März ein und er war gerade einmal geschätzte vier Monate alt.
Sardinien. Die Hunde-Hölle. Oder, um es mit den Worten von Kerstin Hüllmandel zu sagen: „Man könnte an einem Tag einen Lkw voll mit Hunden einsammeln.“ Den Lkw gab es nicht – aber für ein Tier war dann doch Platz. Der kleine Rüde hatte sich auf einem Parkplatz zwischen Bosa und Allghero über das Futter hergemacht, das eigentlich Ferdinand zugedacht war. Der Streuner sah erbärmlich aus und war eher tot als lebendig: Voller Räude, vor Angst um sich beißend und „in einem schrecklichen Zustand“, wie die Leiterin der Pflegestelle attestierte, wohin Kerstin Hüllmandel das Tier gebracht hatte.
„Der Hund befindet sich in einem schrecklichen Zustand.“
Aus dem Bericht der Pflegestelle in Budoni
Das geschundene Knäuel besaß inzwischen einen Namen: Natan. Und die Pflegerin konnte nach einigen Tagen Entwarnung geben: Natan war über den Berg. Er würde sich, das stand ebenfalls schnell fest, „zu einem völlig normalen Hund entwickeln“.
Auch wenn Kerstin Hüllmandel den Hund selbst nicht nehmen konnte – sein weiteres Schicksal ließ sie nicht kalt. Bei niemandshunde.de steht Natan inzwischen unter „Notfälle“ zur Vermittlung bereit. Geimpft, mit Chip versehen und vor allem: gesund. In seinem Steckbrief steht, dass er ausgewachsen eine Schulterhöhe von 55 Zentimetern haben wird. Von einem sportlichen Hund ist zu lesen. Davon, dass er zwar immer noch zurückhaltend ist. Aber er sei auf dem allerbesten Weg, „ein zutraulicher Hund zu werden“.
Kerstin Hüllmandel hofft jetzt auf ein Happy End für Natan. Darauf, dass er bald aus der Rubrik „Notfälle“ verschwunden sein wird. In Mönchsondheim drückt jemand fest die Daumen, dass nicht nur Urlaube können ein Leben verändern – sondern mitunter auch Zeitungsberichte. Denn auch wenn Natan weit weg scheint: Falls jemand wirklich will, ist Natan nur ein paar Klicks oder Anrufe vom Paradies entfernt.
Online-Tipps
Wer sich für Natan interessiert, kann ihn sich unter www.niemandshunde.de anschauen. Kontakt zu Kerstin Hüllmandel, die künftig auch Hilfstransporte organisieren will, gibt es unter Tel. (0 93 26) 16 30, im Internet: www.historischer-pfarrhof.de. Infos zur Hunde-Hilfe gibt es außerdem unter www.hundehilfe-gabriel.de.