Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kitzingen
Icon Pfeil nach unten

Ohne Schleifen und Schnörkel

Kitzingen

Ohne Schleifen und Schnörkel

    • |
    • |

    Fast 50 Jahre lang hat die so genannte Lateinische Ausgangsschrift (LA) gute Dienste geleistet. Nun kommt es zu einer kleinen Kulturrevolution: Als Folge des neuen Lehrplans werden die Erstklässler des Schuljahres 2001/02 Bayerns Pioniere in puncto Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) sein. Auf den ersten Blick wirkt sie tatsächlich einfacher. Sie ist vor allem weniger verschnörkelt und verkringelt.

    Die Vereinfachte Ausgangsschrift, die in einigen anderen Bundesländern bereits gelehrt wird, soll einfacher, schneller und leichter zu erlernen sein. In einigen Schulen, wie zum Beispiel in der Grundschule in Sommerach, ist das Geheimnis um die neue Schreibkunst längst gelüftet. Auf einer Kunststofftafel können die neuen Formen der Groß- und Kleinbuchstaben schon längst inspiziert werden.

    Einiges hat sich bei den guten alten Großbuchstaben geändert. Verschwunden ist zum Beispiel das kühn verknotete "H". Fort ist auch die verspielte Schleife, die das "A" bis heute zierte. Kunstvolle Kringel mussten pragmatisch geraden Linien und braven Bögen weichen. Die Schriftexperten haben sich offenbar besonders bei den Großbuchstaben an den Druckbuchstaben orientiert. Doch nicht ganz. Denn die kleinen Buchstaben bergen einige Überraschungen.

    Zwar fehlt in Zukunft bei den kleinen Lettern meist der kurze Aufstrich am Anfang eines Wortes. Doch das "z", das bislang aus einer oben und unten gewellten, schnöden Zickzack-Linie geformt wurde, hat plötzlich eine feine Schleife am unteren Ende erhalten. Völlig verändert erscheint das "t". Es sieht in der Vereinfachten Ausgangsschrift aus wie eine Eins mit einem nach unten durchgebogenen Strich in der Mitte.

    Die Einführung der neuen Schriftnorm wurde mit lernpsychologischen Argumenten begründet. Bei der Vorstellung des neuen Lehrplanes verlautete aus dem Kultusministerium, Untersuchungen hätten gezeigt, dass manche Schnörkel schwierig für Abc-Schützen gewesen seien. Besonders die Kurven und Girlanden der (alten) Lateinischen Ausgangsschrift (LA) seien feinmotorisch nicht leicht zu bewältigen.

    Diese LA war 1953 lehrplanmäßig in allen Grundschulen eingeführt worden. Damals hat sie die so genannte Deutsche Normalschrift abgelöst, die seit 1941 auf dem Lehrplan stand. Auch sie war eine Variante der lateinischen Schrift. Die alte Sütterlin-Schrift wurde noch in den 50er Jahren zusätzlich zur Lateinischen Schrift gelehrt. Das kleine "z" der Vereinfachten Ausgangsschrift hat von der Sütterlin-Schrift offenbar die Schleife übernommen.

    Ob die neuen Buchstabenformen dem Bewegungsfluss der Hände tatsächlich entgegen kommen, werde sich erst nach einigen Jahren in der Praxis herausstellen. Das meint die Leiterin der Grundschule Sommerach, Ilse Grübl. Sie ist etwas skeptisch gegenüber den neuen Erscheinungsformen des Abc. Sicher hätten manche Schüler Schwierigkeiten mit bestimmten Buchstaben gehabt, aber durch Schreibübungen seien sie leicht zu bewältigen gewesen. "Die Lateinische Ausgangsschrift hat sich über die Jahre bewährt."

    Weshalb man "Bewährtes einfach von Oben ohne Befragung der Praktiker in der Schule" ändern müsse, sei nicht ganz nachzuvollziehen, zumal es in Deutschland keine einheitliche Schriftnorm gebe. Beunruhigt ist die Schulleiterin auch über die Kosten, die jetzt besonders auf kleinere Schulen zukommen: Neue Wandtafeln, Lesebücher, Setzkästen und Schreibhefte belasten den ohnehin spärlichen Schuletat zusätzlich.

    Für Eltern könnte es heißen: Durchblick bewahren. Etwa wenn der Abc-Schütze sich mit der Vereinfachten Ausgangsschrift (VA) abmüht, während das zwei Jahre ältere Kind in der LA schreibt. Die größte Herausforderung aber waret auf diejenigen Lehrer, denen die "alte" Schrift in Fleisch und Blut übergegangen ist. Schließlich müssen sie die Buchstaben in vorbildlicher Schönheit an die Tafel malen. Ilse Grübl hat sich mit der neuen Schrift vertraut gemacht und nimmt es gelassen. "Geübt wird in den Ferien", verrät sie, "beim Schreiben von Briefen und Karten in der Vereinfachten Ausgangsschrift".

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden