An den Tagen vor den Osterfeiertagen – zwischen dem Gloria an Gründonnerstag bis zur ersten Ostermesse am Ostersonntagmorgen – schweigen die Kirchenglocken. An diesen stillen Tagen lebt in Franken ein alter aber lebendig gebliebener Brauch wieder auf: die Ratschen- oder Klapperbuben sind unterwegs. Unter anderem auch in Willanzheim.
An den Kartagen schweigen die Glocken katholischer Kirchen. Laut Volksglaube sind die Glocken zur Weihe nach Rom geflogen oder hängen im Wald versteckt in den Bäumen. Diese Auffassung ist zwar weit verbreitet, aber nicht richtig, wie der frühere Bezirksheimatpfleger Reinhard Worschech einmal schrieb. Vielmehr handelt es sich darum, dass vor dem Aufkommen metallener Glocken der Gottesdienst immer durch Holzinstrumente angezeigt wurde. Auf diese ursprüngliche Art der Ankündigung wird in den Kartagen zurückgegriffen.
Am Gründonnerstag geht's los
Das Ratschen beginnt am Gründonnerstag und endet erst wieder am Karsamstag. Wenn die Gläubigen zur Kirche gerufen werden sollen, sind es meist die Ministranten, die in den Dörfern als Ratschenbuben unterwegs sind. Sie bedienen sich der Ratsche, eines Holzinstruments, an dem mehrere hölzerne Hämmer durch Drehen einer mit Nocken bestückten Walze angehoben und durch die Kraft hölzerner Blattfedern geräuschvoll auf einen Resonanzboden knallen.
Eingesetzt werden meist alte Instrumente, die bis zu 2,5 Kilogramm wiegen können und deshalb umgehängt werden. Bis vor einigen Jahren hat Andreas Kümmel in Willanzheim in seiner Freizeit solche Instrumente noch angefertigt und verschlissene repariert.
Holzklöppel im Einsatz
Mit dem Ratschen zu Ostern lebt eine Zeit wieder auf, als es noch keine metallene Glocken gab und die Gläubigen durch Holzinstrumente zum Gebet gerufen wurden, erzählt Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Wolbert zum Brauch der Ratschenbuben. Bereits der Erzbischof von Metz habe um das Jahr 800 erklärt, dass der hölzerne Klang mehr Demut, Buße, Klage oder Trauer ausdrücke als das Geläute.
Auf ihrem Weg durch Willanzheim verbreiten die Ratschenbuben halb singend, halb sprechend ihre Klappersprüche, die meist im Zusammenhang mit der Ostergeschichte am Karfreitag stehen: „Wir leiern für die Verschiedung Christi“ oder „Wir verkünden die Todesangst Christi am Kreuz“.
Gaben für die Ratschenbuben und -mädchen
Für die Kinder – zu denen inzwischen auch Mädchen gehören – ist es Ehrensache beim Ratschen dabei zu sein. Häufig werden am Karsamstag Gaben für die Mühe eingesammelt, meist österliche Süßigkeiten und Geld, früher auch Eier. Es gelte als selbstverständlich, dass jede Familie etwas gibt, sagt Wolbert. „Wir haben geleiert fürs heilige Grab, so bitten wir nun für eine Gab'“, ziehen die Leierbuben mit einem Weidenkorb in Willanzheim von Tür zu Tür. Wer geizig ist, kommt schnell ins Gerede. In Willanzheim sind es in diesem Jahr 23 von 25 Ministranten, die betreut von Carmen Keppner in fünf Gruppen insgesamt 14 Mal durch das Dorf ziehen.
Den Abschluss der Mühe mit Ratschen, Hämmern und Klappern bildet dann das Gloria am Karsamstag. Wenn nach echt fränkischer Art die Orgel wieder in voller Lautstärke einsetzt, die Glocken wieder läuten und die Altarklingeln wieder ertönen. Singen dann die Kirchenbesucher laut mit, dann herrsche Vorfreude auf das Osterfest, ist sich Kreisheimatpfleger Wolbert sicher.