War es eine harmonische Familienidylle oder ein von Gewalt und Bedrohung geprägtes Zusammenleben? Die Zeugenaussagen in einem Verfahren vor dem Amtsgericht in Kitzingen gegen einen fünffachen Vater widersprachen sich massiv. Dem Mann wurde vorgeworfen, gegen Frau und die zwei Töchter gewalttätig geworden zu sein. Ein Teil der Zeugen, darunter seine Frau ("Ich schwöre bei Gott, dass er mir nie etwas getan hat.") und der älteste Sohn sowie ein guter Bekannter, hielten das für "unmöglich". Die anderen, vor allem Polizeibeamtinnen und -beamte und Vertreter des Jugendamts, waren sich sicher: Da muss was gewesen sein.
Am Ende des Verhandlung wegen Bedrohung und Körperverletzung blieben neben der Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 1000 Euro offene Fragen. Das lag auch daran, dass die Hauptbelastungszeugen nicht aussagen wollten oder konnten. Die zwei Töchter des aus dem Irak stammenden Mannes hatten das Verfahren ins Rollen gebracht.
Angst vor dem Vater
Nach einigen Jahren und Erfahrungen in Deutschland hatten sie sich an das Jugendamt gewandt. "Die wollten nur raus aus der Familie", sagte eine Mitarbeiterin. Eine Polizistin bezeichnete die Mädchen als "eingeschüchtert und ängstlich". "Die hatten massive Angst vor dem Vater", sagte die Beamtin. "Permanente Bedrohungen gehörten nach Aussagen der Mädchen in der Familie zur Tagesordnung", so die Zeugin weiter und: "Die Mädchen hatten Angst, zwangsverheiratet zu werden."

Der Gang zum Jugendamt hatte massive Folgen. Nach zwei Beschlüssen des Familiengerichts wurden Vater und Mutter das elterliche Sorgerecht entzogen, die beiden Mädchen aus der Familie genommen. Die Polizei sprach nach Aktenlage damals von einer "erheblichen Gefahrenlage", auch die Angst vor einem Gewaltverbrechen eine Rolle gespielt zu haben. Die beiden Jugendlichen leben seit einem Jahr abgeschirmt an einem unbekannten Ort. Kontakt zur Familie gibt es keinen. "Der ist auch nicht gewollt", sagte die als Vormund eingesetzte Mitarbeiterin des Jugendamts.
Dort haben die Mädchen die Vorwürfe gegen den Vater gemacht, die zu dem Verfahren führten. Er soll laut Anklage wegen einer Nichtigkeit die Mutter geschlagen, gewürgt und ihr ein T-Shirt um den Hals gelegt und zugezogen haben. In einem anderen Fall soll er einen Spiegel nach ihr geschleudert und sie verletzt haben. Dazu kamen Schläge und Bedrohungen (einmal mit einem Messer) gegenüber den Töchtern, zum Beispiel als eine von einem deutschen Bekannten für ein Praktikum abgeholt werden sollte. Den Kontakt wollte der Vater unterbinden.
Zeugen fühlen sich bedroht
Der ließ seinen Verteidiger mitteilen, dass er keine Angaben zur Sache macht und die Vorwürfe bestreitet. Warum seine Töchter zum Jugendamt gingen, dafür machte er ein Ehepaar aus der Nachbarschaft der Familie verantwortlich. Es habe die Familie Jahre lang unterstützt und ein "fast verwandtschaftliches Verhältnis" zu den Töchtern aufgebaut. "Die beiden haben die Töchter aufgestachelt", so die Version des Vaters. Das Jugendamt dagegen war sich sicher: "Da hat keine Beeinflussung stattgefunden."
Geklärt wurde die Frage nicht. Auch weil das Ehepaar nicht als Zeugen vor Gericht auftreten wollte. Sie fühlen sich bedroht, teilten die Beiden schriftlich mit, ohne das näher zu erläutern. Nach der Beweisaufnahme fasste Richterin Ingrid Johann zusammen: Es gebe Anhaltspunkte, dass es sich so abgespielt hat, wie in der Anklage beschrieben, 100-prozentig überzeugt sei sie nicht. Der Staatsanwalt sah es ähnlich und brachte eine Einstellung ins Spiel. Nach einer kurzen Pause stimmten der Verteidiger und der Angeklagte der Einstellung zu. Zahlt der die 1000 Euro an das Frauenhaus in Würzburg, ist die Sache für ihn erledigt. Ob und wie es beim Familiengericht weitergeht, ist völlig offen.