Wenn das Wetter passt, hat er den schönsten Job der Welt. Achim Volkamer verdient sein Geld zwar nicht im Schlaf. Aber auf Streifzügen durch den Wald. Zumindest in diesen Wochen. Der Förster ist in einer spannenden Mission unterwegs. Gesucht: Biotopbäume – tot oder lebendig.
Sein Outdoor-Laptop hat Achim Volkamer sich lässig über die Schulter gehängt. Am Gürtel trägt er einen GPS-Empfänger, Spraydosen und ein Forstmaßband. Die Kluppe, eine riesige Schieblehre, muss auch noch mit. So ausgerüstet, durchkämmt er das Mainbernheimer Waldgebiet „Oberes Lindig“, in dem erstes Frühlingsgrün durchs dürre Laub spitzt.
„Biotopbäume wirken wie eine Grippe-Impfung.“
Achim Volkamer, Förster
Zielstrebig steuert Volkamer auf eine große, alte Eiche zu, die ihre jungen Nachbarbäume überragt. Der Baum muss schon einiges erlebt haben: Vernarbungen und Astlöcher am Stamm zeugen von einer bewegten Vergangenheit. „Hier sind mehrere Höhlen entstanden, größere und kleinere“, stellt der Leiter des Rödelseer Forstreviers und Forstberater der FBG Kitzingen fest, während sein Blick wie ein Scanner über Stamm und Äste gleitet. „Bunt- oder Mittelspechte haben sie einst angelegt.“ Im Lauf der Zeit haben in ihnen zahlreiche „Nachmieter“ Schutz gesucht: Baummarder, Eulen, Hornissen und allerhand Käfer, vielleicht sogar der seltene Eremit.
„Höhlenbäume sind besonders schützenswert. Sie sind automatisch Biotopbäume.“ Deshalb zückt der Förster nun die Spraydose. In leuchtendem Orange-Rot sprüht er eine große Zahl auf den Stamm und einen senkrechten Strich bis hinunter zur Wurzel. Für die Forstarbeiter heißt das: Dieser Baum bleibt stehen. Mindestens zwölf Jahre lang muss er in Ruhe gelassen werden, wenn sein Eigentümer die Biotopbaum-Förderung erhalten will.
Anders als vor fünf Jahren, als die bayerischen Förster schon einmal Biotopbäume ausgewiesen haben, gibt es ab heuer keine pauschale Flächenförderung mehr. Nun bekommt jeder Baum, der ins Programm aufgenommen wird, wegen seiner besonderen ökologischen Bedeutung eine individuelle Finanzspritze vom Freistaat. Empfohlen werden mindestens sechs Biotopbäume pro Hektar.
Um diese zu vermessen, zu beschreiben und zu kartieren, ist Volkamer im Mainbernheimer Stadtwald unterwegs; in Sulzfeld und Obernbreit hat er bereits eine Biotopbaum-Karte erstellt. „Mit Hilfe von GPS wird jeder Standort ganz genau verzeichnet.“ Volkamer gibt auch gleich noch Baumart, Stammumfang und ökologische Besonderheiten in seinen Laptop ein. Die Bäume werden später mit Dieter Lang von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt noch einmal begutachtet. „Naja“, sagt Volkamer, „wenn man eine Förderung will – es gibt bis zu 190 Euro pro Baum –, muss man eben auch etwas dafür tun“.
Den geschulten Blick des Försters ziehen auch abstehende Rinde – „Rindentaschen“ –, (Kronen-)Totholz, ein starker Bewuchs mit Pilzen, Moosen, Flechten und Efeu oder Stammfäule an. „Das sind ebenso Biotope wie Bäume mit Greifvogel- oder Schwarzstorch-Horsten“, erklärt der Fachmann. „Sie alle sind Lebensraum für verschiedenste Tier- und Pflanzenarten: von der Hohltaube über den Waldkauz bis hin zu Wildbienen und Fledermäusen.“
Auch viele Nützlinge leben hier, weiß Volkamer. „Wie bei der Grippeimpfung sorgen Biotopbäume und ihre Bewohner also auch dafür, dass die Gesundheitspolizei des Waldes stets einsatzbereit ist.“
Biotopbäume haben ganz verschiedene „Gesichter“. Als Totholz wirken sie auf den ersten Blick nicht für jeden attraktiv. „Manche Leute schimpfen, es sei Schlamperei, wenn ein toter Baum im Wald liegt oder steht“, erzählt Volkamer. „Dabei ist Totholz ökologisch sehr wertvoll.“ Schon mit einem bescheidenen Nutzungsverzicht kann jeder Waldbesitzer mithelfen, die Artenvielfalt im heimischen Wald zu sichern oder zu erhöhen. Volkamers Erfahrung lautet: „Naturschutz und Wirtschaftlichkeit können gute Partner sein.“
Schützen und nutzen
Aktionsjahr: „Nachhaltig schützen und nutzen": 2015 ist das „Jahr des Waldnaturschutzes“ in Bayern.
Finanzspritze: Je nach Beschaffenheit eines Biotopbaumes gibt es zwischen 125 und 190 Euro; für Totholz 90 Euro. Privatwaldbesitzer, Körperschaften & Kommunen können die Förderung beantragen. Da die Mittel begrenzt sind, werden heuer vermutlich nur Anträge aus der letzten Förderperiode bewilligt. Infos über die Voraussetzungen einer Förderung gibt es bei den Förstern, bei der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, Tel. 09321/928-6210, und unter www.stmelf.bayern.de/wald/lebensraum-wald. *LDK*