Ein Zettel, an Mainbernheims ältestes Haus genagelt, sollte helfen: „Wir fühlen uns wohl in Mainbernheim, deshalb suchen wir hier folgende Wohnungen“, war dort zu lesen. Johanna Krüninger hatte ihn im Frühjahr dort aufgehängt, die „Rentnerin mit liebem, altem Hund“. Damit wollte sie nicht nur für sich eine neue Wohnung in Mainbernheim finden, sondern auch für eine „berufstätige Mama mit drei Kindern“ und eine weitere „berufstätige Mutter mit drei Töchtern“. So war es darauf zu lesen.
Nicht viel gebracht
Und was hat er gebracht, der inmitten Mainbernheims Altstadt prominent platzierte Hilferuf? „Nicht viel“, bedauert Krüninger. Sie sitzt im Café Bärenstark neben dem sogenannten Bären-Schmidt-Haus, das einst ihr gehörte und dann versteigert wurde. Wobei still sitzen nicht ihr Ding ist. „Die Hanni“, wie die 65-Jährige genannt wird, mag vieles, aber nicht untätig sein. Während des Gesprächs strickt sie Socken für den kleinen Enkel in Berlin oder springt auf, um die nächsten Untertassen für die Gäste des gut besuchten Cafés zu richten. Mithelfen und dafür gratis Kaffee trinken können, erklärt die fitte Rentnerin das Prinzip gut gelaunt.
Sehr engagiert
Ihr vielfältiges Engagement ist einer der Gründe, weshalb der Umzug in ein Nachbardorf nicht in Frage kommt. Da sind die Kinder einer alleinerziehenden Mutter, mit denen sie Freitagnachmittag ins Schwimmbad geht. Oder die Frau im Rollstuhl, mit der sie sich trifft. Oder eben das Café nebenan.
Die andere Möglichkeit
Lauter Mainbernheimer, die sie gerne weiter unterstützen möchte. Sollte Krüninger aber bis Mai 2019 dort keine neue Wohnung gefunden haben, käme für sie nur ein Umzug weiter weg in Frage. In einem alternativen Wohnkonzept zu leben in der Nähe ihrer Kinder in Nürnberg oder Berlin, das wäre vielleicht was.
Drei Kinder
Derartige Alternativen hat Maria Dekarski nicht. Die alleinerziehende Mutter von drei Töchtern war die Dritte im Bunde, deren Nummer auf dem Zettel zu finden war. Die zweite Familie, die Alleinerziehende mit drei Kindern, hatte Glück, sie zieht gerade um. Allerdings nach Rödelsee.
Auch das wäre für Maria Dekarski keine Option. Sie möchte – wie Krüninger – mit ihren drei Töchtern auf jeden Fall in Mainbernheim bleiben. Dort hat sie ihren festen Job als Reinigungskraft der Grundschule, dort haben die Mädchen ihre Freunde, dort können sie viel Zeit auf der sogenannten Pferderanch am Ortsrand Mainbernheims verbringen. Auf dem Gelände, das Dekarskis Freund gepachtet hat, haben Pferde, Ziegen, Hasen, Hühner, Meerschweinchen und Pfaue ein Zuhause.
Ein Paradies
Ein Paradies für Tierfreunde, wie es die Töchter Susanne (19 Jahre), Theresia (13) und Rebecca (8) sind. Und eine Gelegenheit, der engen 60-Quadratmeter-Wohnung zu entfliehen. Nach der Trennung von ihrem Mann vor vier Jahren, sollte die Bleibe eigentlich nur eine Übergangslösung sein, doch seitdem hat Maria Dekarski nichts Bezahlbares gefunden. Will heißen: 600 Euro warm. Das könnte sie für eine Drei- oder besser Vier-Zimmer-Wohnung ausgeben.
Dann hätte jede der Töchter vielleicht endlich ein eigenes Zimmer. Und die 39-Jährige endlich ein richtiges Bett. Auf die Frage, warum sie sich eine größere Wohnung wünscht, sagt die 13-jährige Theresia: „Dann muss meine Mama nicht mehr auf der Couch schlafen.“
Viele stört der Hund
Doch diese plagt ebenso wie Johanna Krüninger die Sorge, der Wunsch könnte sich nicht erfüllen. Die Rentnerin hat nach eigenen Angaben schon überall herumgefragt. Doch viele stört der Hund. Manche möchten „keinen Fremden im Haus haben“, obwohl eine Wohnung leer stehe. Andere vermieteten lieber an Arbeiter oder machten Ferienwohnungen daraus, sagt Krüninger. Hinzu kommt: „Es gibt vereinzelt Leute, die horrende Preise verlangen.“
Nicht bezahlbar
Preise, die die 65-Jährige nicht zahlen kann. Bis zu 400 Euro warm für 1,5 bis zwei Zimmer wären drin. Zwar hat die gelernte Bankkauffrau ihr ganzes Leben lang gearbeitet, zuletzt als Kontrolleurin im Gusswerk. Doch das Geld war nach dem frühen Tod des Mannes 1986 trotzdem knapp. Hinzu kam das baufällige Haus, dessen Sanierung Krüninger alleine nicht stemmen konnte. Dort kann sie noch bis zum Sommer 2019 in ihrer kleinen Wohnung bleiben. Aber dann soll die Generalsanierung des denkmalgeschützten Hauses mit Nebengebäuden starten.
Die Hoffnung bleibt
Noch geben die beiden Frauen nicht auf. Noch haben sie Hoffnung, in Mainbernheim eine bezahlbare neue Wohnung zu finden. Allein sind sie mit dem Wunsch allerdings nicht. Maria Dekarski hat bereits den nächsten Zettel einer alleinerziehenden Mutter auf Wohnungssuche entdeckt. Aufgehängt im kleinen Lebensmittelmarkt Mainbernheims, die Telefonnummer unten dran zum Mitnehmen. „Aber“, sagt die 39-Jährige mit einem Kopfschütteln, „abgerissen hat da auch noch keiner was.“
Der Wohnungsmarkt Mainbernheims Ein umfassender Blick auf den Wohnungsmarkt im Landkreis Kitzingen ist schwierig, da Angebot und Preise innerhalb des Landkreises von Ort zu Ort stark schwanken und bereits zwischen den Ortsteilen einer Kommune die Preise für Miete und Bauland erheblich variieren. Allianzmanagerin Claudia Hebert von der interkommunalen Allianz Südost 7/22, zu der auch Mainbernheim gehört, nennt einige Zahlen zu Mainbernheims Wohnungsmarkt. Der Preis pro Quadratmeter Miete (kalt) lag 2015 in Mainbernheim bei 4,50 bis 6 Euro, allerdings seien die Preise seitdem gestiegen. Baulücken, also unbebaute Grundstücke, gibt's elf in der Stadt, zudem 16 leer stehende Wohngebäude. Die Idee, diese leer stehenden Häuser touristisch zu nutzen, stammt aus Italien, nennt sich Albergo diffuso, und wird in Mainbernheim seit 2014 verfolgt. Das Projekt wurde bei einem Wettbewerb des Bundesbauministeriums ausgewählt und seitdem gefördert. In punkto sozialer Wohnungsbau ist in Mainbernheim in der Kirchgasse 2 mithilfe des Förderprogramms „Wohnungspakt Bayern“ ein Mehrfamilienhaus mit drei Mietwohnungen entstanden, womit zugleich eine Lücke im Altort geschlossen werden konnte. Auch die Baugenossenschaft für den Landkreis Kitzingen, die im gesamten Landkreis in in zwölf Orten 235 Wohnungen zum Durchschnittspreis von 4,50 Euro pro Quadratmeter vermietet, hat Wohnungen in Mainbernheim. Aktuell hat die Genossenschaft laut ihrer Internetseite jedoch keine einzige freie Wohnung im Landkreis zur Verfügung.