Wer verstehen möchte, welche Bedeutung der Weinbau für Unterfranken hat, muss nur einmal durch die Langgasse in Nordheim am Main (Lkr. Kitzingen) laufen. An jedem zweiten Haus steht "Wein zu verkaufen". 170 Familien leben vom Weinbau – und das bei 1000 Einwohnern. Größte Bedrohung für diesen großen Wirtschaftsfaktor ganz Mainfrankens: die zunehmende Trockenheit.
Was also tun gegen den Trockenstress, unter dem die Reben nach der Hitze 2018 nun schon das zweite Jahr in Folge leiden? Nordheims Antwort: Die Gemeinde hat eine Fläche so groß wie sechs Fußballfelder mitten in den Weinbergen auf dem Nordheimer Kreuzberg gekauft. Dort könnte ein großer Speichersee mit 120.000 Kubikmetern Wasser entstehen. Die Idee ist, in den Wintermonaten gleichmäßig Wasser aus dem Main dorthin zu pumpen, lau Planungsbüro etwa eine halbe Badewanne pro Sekunde. Und es im Sommer dann bei Bedarf zu verteilen, tröpfchenweise aus schwarzen Leitungen heraus.

Nordheims großer Vorteil: Es liegt zusammen mit Sommerach auf einem Gebiet namens "Weininsel", das von Kanal und Altmain umflossen ist. Ganz im Gegensatz zu Iphofen. Das liegt ebenfalls im besonders trockenen Landkreis Kitzingen, allerdings acht Kilometer vom Main entfernt. Auch dort spielt der Wein eine entscheidende Rolle, auch dort sucht die Stadt nach Antworten auf die Trockenheit.
Und diese Antworten interessierten den unterfränkischen Regierungspräsidenten Eugen Ehmann bei seiner ersten Weinbaubereisung. Ein klassischer Termin in Begleitung vieler Fachleute zu Beginn der Sommerferien, 19 Mal hatte ihn sein Vorgänger Paul Beinhofer absolviert. Diesmal gab's von Bürgstadt über Randersacker nach Iphofen und Nordheim das extra lange Programm für den Neuling. Und der Weintrinker mit "Neigung zum Weißwein" begnügte sich nicht mit freundlichen Worten bei freundlichen Empfängen während der ganztägigen Tour durch Franken.
"Was ich mitnehme ist, dass wir deutlich mehr Geld brauchen als ursprünglich angedacht."
Weinbaupräsident Artur Steinmann über die Bewässerung der Weinberge
Ehmann hakte angesichts der vorgestellten Projekte nach, ob es denn so problemlos sei, im Winter das Wasser aus dem Main zu saugen. "Das höre ich in vielen Gemeinden entlang des Mains." Zahlreiche Anträge auf Weinbergsbewässerung prüft das Wasserwirtschaftsamt mittlerweile. Und das Amt entscheidet, ob es insgesamt nicht zu viel wird für den Fluss. Unbedingt vermeiden möchte man das Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst."
Ist die Bewässerung überhaupt ein Allheilmittel für vertrocknende Weinberge? Denn wer soll das bezahlen? Realistischer ist da schon die Aussage Ehmanns: "Ich muss vorher festlegen, wer trockenfällt." Nur junge Anlagen zu bewässern, wäre eine Option. Laut Weinbaupräsident Artur Steinmann geht es allerdings um mehr als das Überleben einzelner Winzer. In seinen Augen steht die ganze Kulturlandschaft Frankens auf dem Spiel. "Wegen Wald und Gebüsch kommt hier keiner her."

Klar ist: Eine Lösung muss schnell her. Und die wird, soll sie großflächig funktionieren, weitaus mehr kosten als die vom Ministerpräsidenten versprochenen 20 Millionen Euro. Steinmann stellte am Ende der Tagesreise fest: "Was ich mitnehme ist, dass wir deutlich mehr Geld brauchen als ursprünglich angedacht." Mit Kosten von mindestens zehn Millionen Euro für Speichersee, Pumpwerk und Leitungen rechnen sie in Nordheim, noch teurer wären Iphofens Pläne.
Was der Regenwurm zu sagen hat
Gibt es andere Lösungen für die durstigen Böden? Ja, ist der Nordheimer Biowinzer Helmut Christ überzeugt. Denn: "Der Regenwurm hat einiges zu sagen." Also auf zur letzten Station der Tour, in die ökologisch bewirtschafteten Weinberge. Dort steht nun der ganze Tross rund um den Regierungspräsidenten und hört von Christ einen wichtigen Merksatz der Demeter-Bauern: "Gesundheit geht vom Boden aus." Der Betrieb setzt auf Gräser, Klee und Erbsen als Bepflanzung zwischen den Reben, sie bilden eine gute Humusschicht. Seit 45 Jahren hat er seine Anlage nicht mehr gedüngt. "Alles überflüssig."
Die Regenwürmer förderten zudem die natürliche Fruchtbarkeit. Die schwarzen Wasserschläuche hängen auch bei Christ in den Zeilen, kommen aber nur in Extremsituationen zum Einsatz. Sohn und Betriebsleiter Michael Christ zeigt es den Zuschauern. Mit dem Spaten kommt er problemlos in die trockene Erde, zeigt deren lockere Struktur. Für Helmut Christ ist entscheidend, dass diese Art der Bewirtschaftung das Wasser im Boden hält. Auch Starkregen wird aufgenommen. "Das anders zu machen, können wir uns einfach nicht mehr leisten."