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Verkehrte Milchwelt auf dem Rücken

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Verkehrte Milchwelt auf dem Rücken

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    D ie Nutria besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Die Südamerikanerin lebt in Deutschland wild wie ein einheimisches Tier. Als Wirtschaftsfaktor wurde sie ins Land geholt, um im Namen von Herbst- und Frühjahrsmode mit ihrem Pelz auszuhelfen. Doch viele Tiere entkamen aus den Farmen und gelangten - umgekehrt wie Kolumbus - in eine neue Welt, die ihnen fremd war.

    Hier zeigt sich, dass der größte Feind für diese Pelztiere ausgerechnet der Winter ist. Sie scheinen auf so etwas gar nicht vorbereitet zu sein. Sie erkennen nur schlecht, dass sie beim Tauchen nicht unter eine geschlossene Eisdecke geraten dürfen.

    Außerdem kann ihnen bei größerer Kälte einfach der Schwanz abfrieren. Auch wurden Nutrias beobachtet, wie sie Eisstücke für Nistmaterial hielten, in ihren Bau trugen und dort in der Liegestatt festklopften. Die Sumpfbiber, wie sie auch heißen, scheinen sich mit Jahreszeiten schlecht auszukennen. Das geht soweit, dass sie zuweilen sogar ihre Jungen zur Welt bringen, ohne auf den Kalender zu sehen.

    Mitten im Winter ereignet sich dann die mühevolle und langwierige Prozedur, welche bei den Sumpfbibern Geburt genannt wird. Es kann acht Stunden dauern oder manchmal sogar einen vollen Tag, bis sie abgeschlossen ist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Nutrias bis zu 13 Junge pro Wurf haben.

    Diese vielköpfige Schar lässt sich im Mutterleib auch noch Zeit. 110 Tage Schwangerschaft sind für ein Nagetier wie die Nutria eine kleine Ewigkeit. Dafür kommen die Babys recht stämmig zur Welt. Sie haben bereits einen Pelz und können sofort sehen. Schon kurze Zeit später folgen sie der Mutter auf einem ersten Ausflug.

    Der berühmte Nutria-Pelz setzte den spanischen Offizier Felix d'Azara in Erstaunen, als er in den ersten Anfängen der Nutria-Forschung ein Tier aus Buenos Aires in Händen hielt. Das Fell schien so dicht zu sein, dass er die Zitzen darunter nicht ertasten konnte. Doch das lag daran, dass der Sumpfbiber seine Zitzen nicht auf der Brust hat, sondern auf dem Rücken. Oft ist über diese verkehrte Milchwelt gerätselt worden. Scheinbar ermöglicht sie den Jungen, auch im Wasser, auf der Mutter schwimmend, zu trinken, aber das ist noch nie tatsächlich beobachtet worden. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die große Kinderschar auf dem Rücken mehr Platz zum Nuckeln hat als auf dem Bauch.

    Das ist umso sinnvoller, als die Mutter sich trotz der enormen Mühen nicht scheut, zweimal im Jahr zu werfen und dann für einige Zeit gleich der doppelten Kindermenge Drinks zu spendieren. Dieser Vermehrungseifer scheint den Erfolg zu bringen. Obwohl die Nutria in kalten Wintern schwer dezimiert wird, hält sie seit Jahrzehnten die Stellung in ihren deutschen Verbreitungsgebieten.

    An ihrem Mut dürfte es jedoch nicht liegen. Zwar können Nutria-Männchen angriffslustig knurren und wilde Sätze nach vorn machen, doch sind sie auch leicht in die Flucht zu schlagen. In einem Fall ließen sich in einer Farm über hundert Nutrias durch vier Enten von ihrem Futter verscheuchen, obwohl sie diese Enten gut kannten und mit ihnen lebten.

    Intelligent sind sie jedoch. Wenn eine Nutria in ein Zimmer eingesperrt wird, so erkennt sie gleich, wo die Tür ist, und wenn der Rahmen nicht sehr fest schließt, so gelingt es dem kleinen Freiheitskämpfer oft, den Ausgang mit den Zähnen aufzuhebeln und zu fliehen.

    Freiwillig ist die Nutria schon lieber bei Menschen zu Gast. Einmal mussten Forscher ihre Nutria-Beobachtungsstation verlassen und schlossen die Tür nicht. Als sie wieder kamen, sahen sie an den nassen Spuren, dass eine Nutria da gewesen war. Sie hatte erst von den Vorräten genascht und sich dann ein wenig im Bett schlafen gelegt.

    Durch den Pelzhandel haben sich die Nutria von ihrer ursprünglichen Heimat in den südlichen Küstenregionen Südamerikas stark verbreitet, so auch nach England, Russland und Afrika. Sie hausen stets in Gewässernähe, wo sie Pflanzenburgen im Schilf errichten. Sie leben vorwiegend vegetarisch, mit Ausnahme von gelegentlichem Muschelverzehr. Männchen und Weibchen können über lange Zeit hinweg feste Paare bilden.

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